Diatonisch. (Musik) Mit diesem Wort, das aus der griechischen Musik beibehalten worden, bezeichnet man die Tonleiter, die von dem Grundton bis auf seine Oktave durch sieben Stufen herauf steiget, von denen zwei Intervalle von halben, die übrigen Intervalle von ganzen Tönen sind. Also machen die Töne C, D, E, F, G, A, H, c, eine diatonische Tonleiter. Alle Stufen darin sind ganze Töne, außer den zweien E-F und H-c, die nur halbe Töne sind. Die Veränderung der Ordnung in den Stufen, macht keine Veränderung in dem Namen; denn die Tonleiter bleibt diatonisch, von welchem Ton man auch anfängt, so dass auch diese Reihe E, F, G, A, H, c, d, e, eben so wohl eine diatonische Oktav ausmacht als die vorhergehende. Eben so bleibt der Tonleiter dieser Name, wenn auch gleich die von den neueren eingeführten halben Töne darin vorkommen, wenn nur in der ganzen Oktave fünf Stufen ganze und zwei Stufen halbe Töne ausmachen; so dass auch folgende Tonleiter D, E, Fis, G, A, H, cis, d, diatonisch ist.
Jeder Gesang, der seine Intervalle aus einer solchen Tonleiter nimmt, wird ein diatonischer Gesang genannt; und da dieses in der heutigen Musik fast allezeit geschieht, indem nur in gar wenigen Fällen andere Fortschreitungen vorkommen, so ist eigentlich unsere ganze Musik diatonisch, nur mit der Ausnahm, dass bisweilen einzelne chromatische oder enharmonische Gänge darin vorkommen.
Wenn man überall nach einer gleichschwebenden Temperatur1 singen könnte, so wäre der diatonische Gesang nur von zweierlei Art, nämlich der harte und der weiche, weil gar alle harte Tonleitern einander vollkommen gleich wären, so wie auch alle weiche einander gleichen würden. Nach jeder anderen Temperatur aber hat jeder Grundton eine ihm eigene diatonische Leiter, die sich, wenn man auch auf kleine Abweichungen der Intervalle sehen will, von jeder anderen unterscheidet.2 Indessen kommen gar alle diatonische Gesänge darin mit einander überein, dass keine Intervalle darin vorkommen, die kleiner als ein halber Ton sind und dass der Gesang nie durch zwei hinter einander folgende halbe Töne fortschreitet.
Der diatonische Gesang scheint natürlicher und leichter zu sein als irgend ein andrer, der durch kleinere Intervalle fortschreitet oder der mehrere halbe Töne hinter einander hören lässt; selbst die bloße diatonische Tonleiter gibt in der natürlichen Folge ihrer Töne so wohl im Auf- als im Absteigen, schon einen leichten und guten Gesang, welches bei keiner anderen Tonleiter angeht.
Da man aber in der heutigen figurierten Musik selten lang in einem Ton bleibt, indem man den Gesang durch verschiedenen Töne und Tonarten durchführt, so wird das Diatonische bei den Ausweichungen oft unterbrochen. Nur in den Choralen, wo keine Ausweichungen geschehen, wird der ganz reine diatonische Gesang ohne Ausnahm beibehalten und wird deswegen von Zarlino der Diatono-diatonische Gesang genannt.
Die Griechen hatten in ihrer Musik auch eine diatonische Tonleiter, die aber von der heutigen etwas unterschieden ist. Das diatonische Tetrachord besteht aus drei Intervallen, einem großen halben Ton und zwei großen ganzen Tönen, da in unserer Tonleiter nirgend zwei große Töne auf einander folgen. Aber auch das diatonische Tetrachord der Alten war von verschiedenen Arten, davon Ptolemäus sechs angibt; Aristoxenus aber zwei. Das gebräuchlichste war das, was Ptolemäus diatonicum dironum nennt, dessen Intervalle waren 2/2 4/5 3/6, 8/9, 8/9; die beiden Arten des Aristoxenus waren nach seiner Art die Quarte zu teilen von folgenden Verhältnissen:
das weiche
12. 18. 30.
oder 10592/10000, 10902/10000, 11547/10000
das harte
21. 24. 24.
oder 10592/10000, 11220/10000, 11220/10000
Von dem Ursprung oder der Erfindung der diatonischen Tonleiter ist im Artikel System gesprochen worden.
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1 S. Temperatur.
2 S. Intervall.