Nach HOMER ist Zeus patêr andrôn te theôn te (Odyss. s' 135). Er wirkt in den Geistern der Menschen (Iliad. y' 242). HESIOD gibt eine Theogonie (s. d.). Die »Orphiker« sehen in »Zeus« den Weltgrund: Zeus kephalê, Zeus messa, Dios d' ek panta tetyktai (Stob. Ecl. I 2, 40). ANAXIMANDER bezeichnet Gott als das apeiron (s. d.), ANAXAGORAS als den »Geist« (s. d.), den noun kosmopoion (Stob. Ecl. I 2, 56). Die Pythagoreer sehen in der »Einheit« (monas) die Gottheit (Stob. Ecl. I 2, 58). Gott wird als der ewige, unbewegte Weltgrund bestimmt nach PHILOLAUS: ho hêgemôn kai archôn hapantôn theos eis, aei ôn, monimos, akinêtos, autos hautô homoios, heteros tôn allôn (bei PHILO, De mundi opif. 23 A). Nach HERAKLIT ist Gott das vernünftige, ewige, rastlose Weltfeuer (pyr aidion), der logos (s. d.), der in den Welten sich entfaltet (Stob. Ecl. I 2, 60). Die Einheit Gottes spricht energisch aus XENOPHANES: heis theos en te theoisi kai anthrôpoisi megistos, oute demas thnêtoisi homoiios oute noêma (Mull., Fragm. I, p. 101). Das göttliche Eine ist das All, das All ist göttliche Einheit: hen to on kai pan (Simplic. ad Phys. Aristot. fol. 5b; Stob. Ecl. I 2, 60). Xenophanês de prôtos toutôn henisas... eis ton holon ouranon apoblepsas to hen einai phêsi ton theon (Aristot., Met. I 5, 986b 24). Gott ist das Beste von allem (Simplic. a. a. O.), die Einheit des Weltganzen (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. I, 224). Er ist unbegrenzt, aber materiell, von »runder« Gestalt (sphairoeidê onta Sext. Empir. Pyrrh. hypot. I, 224), zugleich allwissend: ganz Auge, ganz Ohr, ganz Denken (oulos hora, oulos de noei, oulos de t' akouei, Sext. Empir. adv. Math. IX, 144; Diog. L. IX, 19); apaneuthe ponoio noou phreni panta kradainei (Simpl. ad. Arist. Phys. fol. 6 A). »Unum esse omnia neque id esse mutabile et id esse deum neque natum unquam et sempiternum, conglobata figura« (CICERO, Acad. II, 118; vgl. Simplic. ad Aristot. Phys. 22 Diels). Die Menschen stellen sich ihren Gott anthropomorph vor, wie die Tiere sich ihn tierähnlich vorstellen würden (Clem. Alex., Strom. V, 601e, VII, 711 b; Euseb., Praepar. evang. XIII, 13); sie schreiben ihm menschliche Leidenschaften zu (Sext. Empir. adv. Math. IX, 193, 289; Aristot., Rhetor. II 23, 1399b 6; 1400b 5). Nach PARMENIDES ist Gott das eine, ewige, unbewegte, leidlose Sein (s. d.). EMPEDOKLES soll die Menschenähnlichkeit der Götter negiert haben (Clem. Alex., Strom. V, 644). Einige Sophisten bezweifeln die Existenz der Götter. Nach KRITIAS ist der Götterglaube eine Erfindung kluger Staatsmänner (Sext. Empir. adv. Math. IX, 54); ähnlich PRODIKOS. Skeptisch scheint sich gegenüber dem Götterglauben PROTAGORAS verhalten zu haben (peri tôn theôn ouk echô eidenai, outh' hôs eisin, outh' hôs ouk eisin. polla gar ta kôlionta eidenai, hê d' adêlotês kai brachys ôn ho bios tou anthrôpou (Diog. L. IX, 51).
SOKRATES glaubt an eine göttliche, allwissende, zweckmäßig wirkende Vernunft und Vorsehung (phronêsis) im All (ho ton holon kosmon syntattôn te kai synechôn; - panta men hêgeito theous eidenai Xenoph., Memorab. I, 1, 19; IV, 3, 13). PLATO bestimmt die (unpersönliche) Gottheit als höchste der Ideen (s. d.), als die »Idee des Guten«, das »Gute an sich«, also ethisch. Sie ist ewigeinzig, erhaben über alle Dinge (auto kath' hauto meth' hauton monoeides aei on, Sympos. 211 B), jenseits alles Seienden (epekeina tês ousias, Republ. VI, 209 B), also völlig transcendent. Sie ordnet alles aufs beste (diakosmôn panta kai epimeloumenos, Phaedr. 246 E), als der gute Demiurg, Weltbildner (Tim. 28 ff., 29 E; Republ. X, 597; Phileb. 22 C). Gottes Güte ist der Daseinsgrund der Dinge. XENOKRATES betrachtet die Monas (Einheit) als höchsten Gott und stellt ihm die Dyas als weibliche Gottheit zur Seite, wie er auch eine Vielheit göttlicher Kräfte annimmt (Plut., Plac. I, 7, 30; Dox. 304). Als von der Welt geschieden (kechôrismenê tôn aisthêtôn), also als übersinnlich, faßt ARISTOTELES die Gottheit auf. Sie ist einfach, leidlose, unstoffliche, reine »Form« (s. d.), Intellekt, selbstbewußtes Denken (hê noêsis hê kath' heautên tou kath' heauto aristou,, Met. XII 7, 1072 b 19; amerês kai adiairetos, Met. XII 7, 1072 b 6), sie denkt sich selbst, ist noêseôs noêsis (Met. XII 9, 1074 b 34), ist das ewig Unbewegte (zôon aidion ariston, Met. XII 7, 1072 b 29; ousia tis aidios kai akinêtos kai kechôrismenê tôn aisthêtôn, Met. XII 7, 1073 a 4), der »erste Beweger« der Welt (to prôton kinoun, Met. XII 7, 1073 a 27); sein Wirken besteht im Streben nach ihm, das die Dinge empfinden (kinei de hôs erômenon, kinoumenô de talla kinei, Met. XII 7, 1072 b 3). STRATO gestaltet den Aristotelischen Gottesbegriff zu einem naturalistischen: »Omnem vim divinam in natura sitam esse censet, quae causas gignendi, augendi, minuendi habeat, sed careat omni sensu et figura« (CICERO, De nat. deor. I, 12, 35). Pantheistisch wird der Gottesbegriff bei den Stoikern. Nach ihnen ist Gott das pneuma (s. d.), die Kraft des Alls, die zugleich feinster Stoff und Vernunft (logos) ist und sich in der Welt (s. d.) entfaltet und entwickelt, die Weltseele. Gott ist das All (kosmos) in dessen Einheit, die Welt ist der differenzierte Gott (Diog. L. VII, 139, 148; Plut., De Stoic. rep. 41; Cicer., De nat. deor. I, 14). Alles ist beseelt, göttlicher Herkunft; Gott wirkt in der Welt. Theon d' einai zôon athanaton, logikon, teleion ê noeron en eudaimonia, kakon pantos anepidekton, pronoêtikon kosmou te kai tôn en kosmô. mê einai mentoi anthrôpomorphon. einai de ton men dêmiourgon tôn holôn kai hôsper patera pantôn koinôs te kai to meros autou to diêkon dia pantôn, ho pollais prosêgoriais prosonomazesthai kata tas dynameis (Diog. L. VII 1, 147). Gott ist das gestaltende, ätherische Feuer, pyr technikon, das vernünftig (durch die spermatikoi logoi) und zugleich notwendig-kausal, gesetzmäßig (kath' heimarmenên) wirkt, alles durchdringend (Stob. Ecl. I 2, 66). Gestaltlos ist die Gottheit, aber zahllose Gestalten nimmt sie an (pneuma noeron kai pyrôdes ouk echon men morphên, metaballon de eis ho bouletai kai synexomoioumenon pasin (Plut., Epit. I, 6, Dox. 292 a). Gott (Zeus) ruft KLEANTHES so an: Kydist' athanatôn polyônyme pankrates aiei, Zeu physeôs archêge, nomou meta panta kybernôn (Stob. Ecl. I 2, 30; Cicer., De natur. deor. I, 14, 37). Nach SENECA ist Gott »prima omnium causa, ea qua ceterae pendent« (De benefic. IV, 7). »Quid est Deus? Quod vides totum, et quod non vides totum. Sic demum magnitudo sua illi redditur, qua nihil maius excogitari potest; si solus est omnia, opus suum et extra et intra tenet« (Quaest. nat. I, praef. 12; vgl. MARC AUREL, In se ips.). Die Epikureer halten die Götter für ätherische Wesen (aus den feinsten Atomen bestehend); sie wohnen in den »Intermundien« (s. d.), führen ein seliges Leben, kümmern sich nicht um die Schicksale der Sterblichen, erscheinen aber zuweilen den Menschen (Diog. L. X, 123). Die Skeptiker halten die Existenz Gottes für unbeweisbar (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. III, 1, 9).
Eine Vereinigung griechischer mit orientalischen (jüdischen) Anschauungen findet sich schon bei ARISTOBULUS. Nach ihm ist Gott eine das All beherrschende, unsichtbare, außerweltliche Kraft (diakrateisthai theia dynamei ta panta kai genêta hyparchein kai epi pantôn einai ton theon; - saphôs oimai dedeichthai, hoti dia pantôn hê dynamis ton theon,, Euseb., Praep. XII, 12). PSEUDO-ARISTEAS unterscheidet den höchsten Gott (ho kyrieuôn hapantôn theosaprosdeês) und dessen Macht (dynamis), die überall wirkt (dia pantôn estin, panta topon plêrei). Ähnlich das zweite Buch der Makkabäer (2, 39), während das Buch der Weisheit die Weisheit als Ausfluß der Gottheit, als hagion pneuma, bestimmt (vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. I9, 354). PHILO bestimmt Gott als das (persönlich) Seiende (to on), als die ewige einzig-einfache Einheit (ho theos monos esti kai hen, ou synkrima, physis haplê (Leg. alleg. II, 1; legesthai gar ou pephyken alla monon einai to on, De somn. I, 39). Er ist noch über »das Gute« erhaben (De mundi opif. I, 2); to gar on hê on estin, ouchi tôn pros ti, auto gar heautou plêres kai auto heautô hikanon (De nom. mutat. I, 582). Er ist allseiend, überall (De linguar. conf. I, 425), er ist der Ort der Dinge (De somn. l). Selig ist er (De Cherub. I, 154) und allwissend (theô de ouden adêlon, ouden amphisbêtoumenon, hos kai allois ta gnôrismata tês alêtheias enargôs epidedeichs, De sacrif. 28). Neupythagoreer und pythagoreisierende Platoniker betonen die Transzendenz, Überweltlichkeit Gottes. APOLLONIUS VON TYANA unterscheidet den einen, jenseitigen Gott von den Göttern (Euseb., Praep. ev. IV, 13). NIKOMACHUS bestimmt die Gottheit als monas; (Theol. Arithm. p. 44). Nach PLUTARCH VON CHAERONEA ist Gottes innerstes Wesen uns unbekannt (De Pyth. orac. 20; De Is. et Osir. 75). Gott ist Einheit ohne Anderheit, das Seiende (De Is. et Osir. 78). Der Gottheit steht das Böse als Weltprinzip gegenüber (Platon. quaest. II, 1, 2). NUMENIUS unterscheidet vom höchsten Gott den Demiurg als den zweiten Gott (ho deuteros theos) der an dem ersten teilhat (metousia) und die Welt bildet als geneseôs archê; die Welt ist der »dritte Gott«. - Der höchste Gott ist Geist (nous), Seinsprinzip (ousias archê, Euseb., Praep. ev. XI, 22; ho theos ho men prôtos en heautô ôn estin, haplous dia to heautô syngignomenos diolou mêpote einai diairetos, l.c. XI, 18, 3).
Die Neuplatoniker bemühen sich, die Gottheit über alles endliche Sein hinauszuheben, anderseits aber die Welt, durch Mittelwesen, aus ihr (emanatistisch) abzuleiten. Nach PLOTIN ist Gott das Überseiende, Eine (s. d.), Bestimmungslose, Ewige (Enn. V, 5, 3 ff.), absolut Größte (l.c. VI, 7, 32), Übergeistige, Überweltliche (l.c. III, 8, 8; VI, 7, 32; V, 4, 2). Die Dinge stammen aus ihm (l.c. VI, 7, 32), so aber, daß Gott unverändert bleibt (l.c. III, 8, 9; V, 1, 9). JAMBLICHUS nennt Gott den unnennbaren Urgrund (pantê arrhêtos archê), der noch über das hen erhaben ist (Damasc., De princ. 43). Nach PROKLUS ist Gott die Ureinheit, das Urprinzip (Instit. 4 ff.), anaitiôs aition (Plat. theol: III, p. 101 ff.), pasês sigês arrhêtoteron kai pasês hyparxeôs agnôstoteron (l.c. II, 11). BOËTHIUS bestimmt Gott als das Eine, Gute, als Vorsehung (Cons. phil. III).