Weltseele

Weltseele ist die, von verschiedenen Philosophen angenommene, Seele der Welt, d.h. das einheitliche Lebens- und geistige Prinzip, das in allen Dingen wirksam ist und von dem die Einzelseelen Teile oder Ausflüsse sind. Als Weltgeist (Weltvernunft, Weltwille) wird oft Gott (s. d.) betrachtet, als ein die Welt, das All geistig durchwaltendes Prinzip.

Ale Weltseele bestimmen das Brahman (s. d.) die Upanishads (vgl. Deussen, Allg. Gesch. d. Philos. I 2, 179 f.). Eine Weltseele gibt es nach PLATO. Sie ist vom Demiurg (s. d.) geschaffen und hat in sich die Welt de Körper, sie erkennt alles, indem sie aus einem Unteilbaren und einem Teilbaren besteht. Sie ist die Bewegerin der Welt (Tim. 34 squ.). Psychên de eis to meson autou theis dia pantos te eteine kai eti exôthen to sôma autê periekalypse tautê, kai kyklô dê kyklon strephomenon ouranon hena monon erêmon katestêse, di' aretên de auton hautô dynamenon xyngignesthai kai oudenos heterou prosdeomenon, gnôrimon de kai philon hikanôs auton autô. dia panta dê tauta eudaimona theon auton egennêsato (Tim. 34 B squ., vgl. 33). Nach der Lehre der Stoiker ist die Weltseele das pneuma (s. d.), sofern es alles belebt. »Animans est... mundus composque rationis« (Cicer., De nat. deor. II, 8). hen zôon ho kosmos mian ousian kai psychên mian epechon (M. Aurel, In so ips. IV, 40. VI, 40. VII, 9). Als Emanation (s. d.) des »Geistes« (s. d.), als Einheit der Einzelseelen (s. Seele), als Bildnerin der Welt bestimmt die Weltseele PLOTIN: zôa epoiêse panta empneusasa autois zôên ... autê ekosmêsen ... kinei ... zên poiei (Enn V, 1, 2).

Eine Weltseele nehmen die Manichäer (s. d.) an (August., De vera relig. IX, 16). ORIGENES erklärt: »Universum mundum velut animal quoddam immensum atque immane opinandum puto, quod quasi ab una anima, virtute Dei ac ratione teneatur« (De princ. I, 1, 3). Nach CLAUDIANUS MAMERTINUS ist die Welt »non in toto mundo... tota, sed sicut Deus ubique totus in universitate, ita haec ubique tota invenitur in corpore« (De stat. anim. III, 2). Eine allgemeine Seele (s. d.) gibt es nach AVERRO?S. - Mit dem heiligen Geist identifiziert die Weltseele ABAELARD (Theol. Christ. I, 1013), so auch WILHELM VON CONCHES, welcher bestimmt: »Anima mundi est naturalis vigor, quo habent quaedam res tantum moveri, quaedam crescere, quaedam sentire, quaedam discernere« (bei Stöckl I, 216). Nach BERNHARD VON CHARTRES ist die Weltseele, welche die Materie belebt, ein Ausfluß des göttlichen Geistes.

Einen »spiritus mundi« als »quinta essentia« lehrt AGRIPPA (Occ. philos. I, 14). Die »anima mundi« ist »vita quaedam unica, omnia replens, omnia perfundens, omnia colligens et connectens, ut unam reddat totius mundi machinam« (De occ. philos. II, 57). Ähnlich lehrt CARDANUS (De subtil.), F. ZORZI (De harmon. mund. 1525), PATRITIUS (Panpsych. IV, 54 ff.. Panarch. XI), CAMPANELLA. Nach ihm ist die Weltseele ein Werkzeug Gottes, das nach den göttlichen Ideen wirkt (De sens. rer. II, 32. III, 1 ff.). Als »anima universalis« bezeichnet Gott ANDREAS CAESALPINUS (Quaest. peripat. 1571). Beseelt ist die Welt (s. d.) nach GIORD. BRUNO (Del l'infin. p. 25, 67 ff.. De la causa). Einen »calor vitalis« »quasi anima« der Welt lehrt GASSENDI (Phys. sct. IV, 8). Nach R. FLUDD ist die Weltseele halb geistig, halb körperlich, sie beseelt alle Elemente, ist die Quelle der Einzelseelen (Histor. utriusque cosmi, C. 9 f.). »Animam... vocamus eam unionem seu mixtionem, quae facta est inter effluxum illum. aeternum, ac subtilissimum mundi spiritum ipsius praesentia creatum« (Philos. mos. sct. II, 1, 4). Einen ordnenden Weltgeist gibt es nach SHAFTESBURY (The Moral. III, 1). CHR. THOMASIUS erklärt: »Der Geist ist eine Kraft, d. i. ein Ding, welches ohne Zutun der Materie bestehen kann, in welchem alle materialischen Dinge bewegt werden und welches auch diesen die Bewegung gibt, sie ausspannt, zerteilt, vereinigt, zusammendrückt, anzieht, von sich stößt, erleuchtet, erwärmt, kältet, durchdringt, mit einen, Worte, in der Materie wirkt und ihr gehörige Gestalt gibt« (Vers. vom Wes. d. Geist. 1709, S. 75, 97). An eine Weltseele glaubt GOETHE (WW. II, 224). Als Ursache organischer und anorganischer Gebilde betrachtet die Weltseele SAL. MAIMON (Üb. d. Weltseele, Berl. Journal f. Aufklär. VIII, 1790). Nach SCHELLING ist die Weltseele das allgemeine Prinzip, welches »die Kontinutität der anorganischen und der organischen Welt unterhält und die ganze Natur zu einem allgemeinen Organismus verknüpft« (WW. I 4, 569). J. J. WAGNER erklärt: »Die lebendige Gestalt des Absoluten ist die Welt, und in dieser Beziehung gedacht ist das Absolute die reine Lebendigkeit oder Seele der Welt« (Syst. d. Idealphilos. S. XLIX). Nach GIOBERTI hat die Welt als Intelligibles eine Seele. SCHOPENHAUER erklärt: »Weltseele ist der Wille, Weltgeist das reine Subjekt des Erkennens« (Neue Paralipom. § 472). Als Weltgeist faßt die Gottheit FECHNER auf (Zend-Av. I, 288). Nach CZOLBE werden die einzelnen Empfindungen und Gefühle »aus den die Körperwelt, mithin auch das Gehirn der Menschen und Tiere durchdringenden unbegrenzten Raume, in welchem sie als sein ruhender Inhalt, als tote, unsichtbare Spannkraft überall verborgen sind, durch ganz bestimmte Gehirnbewegungen als lebendige, zum Bewußtsein kommende Kräfte freigemacht oder ausgelöst« (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 200). Diesen geistigen Inhalt des Raumes nennt Czolbe Weltseele (l. c. S. 201 ff.). Der Geist ist nicht eine Funktion des Nervensystems, sondern besteht in rein mechanischen Äußerungen der unabhängigen Weltseele, welche das Nervensystem nur vermittelt (l. c. S. 209). »Die Seele des Menschen ist die Summe der durch Gehirntätigkeiten bedingten, aus Empfindungen und Gefühlen der Weltseele sich zusammenfügenden und in derselben wieder verschwindenden Mosaikbilder« (l. c. S. 210). Einen Allgeist gibt es nach M. VENETIANER (s. Panpsychismus), S. BRASSAI, BACKHAUS (Wesen d. Hum. S. 80) u. a. Nach EMERSON umfaßt die »Überseele« alle Dinge (Essays, S. 86 ff.). Vgl. M. MESSER, Die moderne Seele 1903, S. 34, 41, 109, 130.


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