[Die Abstufung und Spezialisierung der Wundertätigkeit der Heiligen. Die Inanspruchnahme göttlicher Hilfe für verbrecherische Zwecke. Bauernschlauheit bei Erfüllung eines Gelöbnisses.]


Der Glaube an die Wundertätigkeit der Heiligen führt ebenfalls bei den Dummen zu Auswüchsen, die zum Teil geradezu ergötzlicher Natur sind. Hierher gehören nicht nur die verschiedenen Abstufungen, nach welchen man die Wundertätigkeit der einzelnen Heiligen abschätzt, sondern auch die Spezialisierung der Leistungen eines und desselben Heiligen je nach dem Standort seines Bildes. So wird z. B. in Oberbayern dem Bild des hl. Leonhard an einem Ort eine besondere Schutzkraft betreffs der Pferde, dem Bild an einem anderen Ort für das Rindvieh zugeschrieben. Karl Stieler hat in einem Gedicht dieser komischen Idee köstlichen Ausdruck verliehen:

 

Der hl. Leonhard.

Im Hoangart1) hocken zwoa beinand,

Die plauschen gar von allerhand,

Und daß an Sepp sei' Roß verrecket

Und grad dös wampete2)— dös g'flecket'.

"Geh", sagt der oa, "dös war ma' z'schiech3),

Schau, mi derbarmet schier dös Viech,

San's denn an Lenhard nit ang'legn4)

Ha, oder tuat er nix vermög'n?"

Der ander sagt: "Weg'n dem is net,

Da feit si nix5) — da is koa Red.

An Lenhard dem san's wohl ang'legn,

Er tuat aa hübsch scho was vermö'gn,

Aber der unser6) (geht halt d' Sprach)

Der hat für eam grad d' Kaiblsach,7)

Und hat's die Roß halt ebbes 'tan,

Na geht's an Tölzer-Lenhard an,

Ma woaß scho' und dem unsern hockta8)

Da is dersell der besser Dokta.""

"Ha, und san's na nit num zum drentern9)?"

""Na, — sunst verdrießet's den herentern10).""

 

Das Törichtste auf dem Gebiet religiöser Vorstellungen bildet jedoch die Idee, die Hilfe Gottes oder Gott nahestehender Wesen (der Heiligen oder der Madonna) für das Gelingen ruchloser und verbrecherischer Pläne in Anspruch zu nehmen. Von den italienischen Banditen wird erzählt, daß dieselben häufig der Madonna eine Kerze oder eine andere Gabe gelobten, wenn ein von ihnen beabsichtigter räuberischer Überfall einen guten Ausgang nehmen würde. An ähnlichen Vorkommnissen mangelt es auch im deutschen Sprachgebiet nicht. So hat vor mehreren Jahren, wie mir von zuverlässiger Seite berichtet wurde, eine Bäuerin in Südtirol eine Wallfahrt unternommen, damit ihr die Beseitigung ihres Mannes gelingen möge, und hierauf denselben vergiftet. Einen ähnlichen Fall behandelt Klara Viebig in ihrem Romane "Absolvo te". Die fromme Frau eines westfälischen Gutsbesitzers flehte in inbrünstigem Gebete um die göttliche Hilfe bei der von ihr geplanten Beseitigung ihres Gatten durch Gift.

Minder auffällig ist die Idee, durch Gebete oder Bußübungen die strafrechtlichen Folgen einer Übeltat abzuwenden. Ludwig Thoma11) hat in einer humorvollen kleinen Erzählung "Die Wallfahrt" dieses Thema behandelt. Zwei spitzbübische Bauern hatten eine Betrügerei verübt und gelobten, falls sie ungestraft durchkommen sollten, eine Wallfahrt zum hl. Rasso nach Andechs zu unternehmen. Die Wanderung sollte mit Erbsen in den Schuhen geschehen. Nach wiederholten Verschiebungen wurde auch die Wallfahrt angetreten. Kurz vor dem Ziel mußte der eine der Pilger rasten, weil ihn die Füße zu sehr schmerzten, während der andere frisch und aufrecht dastand. Dies veranlaßte den Rastenden, seinen Gefährten zu fragen, ob er auch wirklich Erbsen in die Schuhe getan habe. "Jo, Loibl, jo", bemerkte dieser, "was glabst denn, moanst, i tat den heiligen Rasso a so betrüag'n? Aber woaßt, Loibl", setzte er hinzu und blinzelte ein bissei mit dem linken Aug', "woaßt Loibl, i hab's zerscht g'sotten!"

 

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1) Heimgarten, Plauderstübchen.

2)Wohlgenährte.

3) Das wäre schlimm.

4) Sein Anliegen vorbringen,

5) Da fehlt nichts.

6) Der Leonhard in unserer Kirche.

7)Das, was den Kälbern fehlt.

8) Er hockt ihm = er ist aufgebracht.

9) Zu dem da drüben, 10) Den unseren herüben.

11) Thoma, Agricola S. 112.


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