Erkenntnis - Lotze, Sigwart
Nach LOTZE stimmt unsere Erkenntnis, nach Abschluß der Denkarbeit, mit dem Verhalten der Dinge überein (Log. S. 552). Wir erkennen die Dinge in subjektiven Symbolen ihrer Verhältnisse. Ähnlich HELMHOLTZ: »Was wir erreichen können, ist die Kenntnis der gesetzlichen Ordnung im Reiche der Wirklichkeit, diese freilich nur dargestellt in dem Zeichensystem unserer Sinneseindrücke« (Tatsach. d. Wahrn. S. 39). A. LANGE behauptet die völlige Abhängigkeit des Erkennens von unserer psychophysischen Oganisation (Gesch. d. Material. II3, 36 ff.). Nach O. LIEBMANN ist die Wirklichkeit nur deswegen erkennbar, weil sie »nur ein Phänomen innerhalb unserer wahrnehmenden Intelligenz und daher den Gesetzen derselben unterworfen ist« (Anal. d. Wirkl.2, S. 328). Erkennen ist »jene Art des Vorstellens und Denkens, welche von der subjektiven Überzeugung begleitet ist, es korrespondiere ihr ein objektiver Sachverhalt, d.h. sie enthalte Wahrheit« (l.c. S. 251). Nach BERGMANN ist Erkennen ein »Denken, dessen Gedachtes mit dem Sachverhalte übereinstimmt, d. i., welches wahr ist« (Reine Log. S. 2). VOLKMANN definiert Erkennen als »jenes Urteilen, bei dem Subjekt und Prädikat objektiv notwendig zusammengehören, d.h. bei denen die Zusammengehörigkeit beider lediglich durch die qualitativen Verhältnisse bestimmt ist« (Lehrb. d. Psychol. II4, 289). STEINTHAL: »Jeder Akt der Erkenntnis setzt ein Besonderes in einem. Allgemeinen, aber nicht etwa so, als wäre das Allgemeine ein gegebenes, bereit liegendes Fachwerk, in welches ein Einzelnes gelegt würde, sondern so, daß eben erst durch die Erkenntnis das Allgemeine selbst geschaffen und damit zugleich das Besondere erfaßt wird« (Einl. in d. Psychol. S. 17). Nach LAZARUS besteht alle Erkenntnis in einem Apperzeptionsprozess (Leb. d. Seele II2, 253). Nach H. SPENCER ist das Erkennen eine Identification und »Klassifikation eines gegenwärtigen Eindruckes mit früheren Eindrücken« (Psychol. I, § 59, 312 f.). Es gibt präsentative, repräsentative, präsentativ-repräsentative, re-repräsentative Erkenntnis, d.h. Wahrnehmungs- und begriffliche Erkenntnis nebst den Zwischenstufen (l.c. § 423, 480). Wir erkennen nur die Erscheinungen des Absoluten, dieses selbst ist »unknowable«. SIGWART erklärt: »Wer Wahres und Falsches scheidet, mißt das menschliche Denken an einem Zwecke und erkennt an, daß es dazu da sei, die Wahrheit zu finden. Würde aber die Natur der Dinge ihm das Vermögen ihrer Notwendigkeit versagen, so wäre sein Beginnen wahnwitzig, er muß voraussetzen, daß seine eigene geistige Organisation auf Erkenntnis der Wahrheit angelegt ist, und daß darum auch die Natur der Dinge darauf angelegt ist, erkannt zu werden« (Kl. Schr. II2, 67). Nach REINKE besteht Erkennen »darin, daß wir die Gegenstände der Erfahrung auf einen in unserer Vorstellung vorhandenen Maßstab zurückführen, oder daß wir in einem Unbekannten Analogien nachweisen zu etwas Bekanntem« (Welt als Tat, S. 43 f.). Nach RIEHL ist Erkenntnis das »mittelbare, durch bewußte Denkakte hervorgebrachte, von Reflexion begleitete Wissen« (Phil. Krit. II 1, S. 1). Erkennen heißt »das Geschehen auf das, Sein, auf beharrliche Elemente und unveränderliche Begriffe des Geschehens, die wir Gesetze der Natur nennen, zurückfahren« (l.c. II, 1, 16). Sinnliche Erkenntnis ist »die Erkenntnis der Verhältnisse der Dinge durch die Verhältnisse der Empfindungen der Dinge« (l.c. II 2, 40). Alle Erkenntnis ist bedingt durch die apriorische Gesetzmäßigkeit des Bewußtseins (l.c. II, 1, 5). Zwischen den Erkenntnisformen und den Grundverhältnissen der Wirklichkeit besteht eine Congruenz (l.c. II 1, 24). Nur die Grenzen der Dinge, nicht deren An-sich, werden von uns erkannt. Das Erkennen ist ein soziales Produkt (so auch JODL, Lehrb. d. Psychol. S. 161).