Denken: 1) im allgemein-populären Sinne = sich vorstellen, überlegen, urteilen, schließen. 2) im engeren Sinne: a. psychologisch = die apperzeptive (s. d.) Tätigkeit, innere Willenshandlung, durch welche Vorstellungen in Elemente zerlegt, miteinander verglichen und aufeinander bezogen und zu einer Einheit bewußt, willentlich zweckvoll verknüpft werden. Das Denken ist also analytisch-synthetische, vergleichend-beziehende, auswählende, bevorzugende, hemmende Tätigkeit, die Assoziationen (s. d.) voraussetzt, aber selbst nicht Assoziation ist, die sie vielmehr aktiv, spontan gestaltet, wodurch Denkverbindungen entstehen; b. logisch - Bildung von Begriffen, Urteilen, Schließen, wobei das Urteilen (s. d.) die Grundfunktion ist. Die (gewollte) Funktion des Denkens ist Herstellung eines objektiv gültigen Zusammenhanges in einer Reihe möglicher Vorstellungen, Auffindung der Wahrheit (s. d.), Setzen einer Bestimmung im Unbestimmten, Formung und Gliederung eines Vorstellungsinhaltes zu Gebilden, in welchen die Wirklichkeit, das Sein der Objekte zum (symbolischen) Ausdruck kommt. Das primäre Denken bearbeitet den Vorstellungsinhalt direkt, das sekundäre Denken reproduziert das Gedachte oder knüpft an dieses an. Das konkrete Denken arbeitet mit Anschauungen und Erinnerungsbildern, das abstrakte Denken mit Begriffen, die es zerlegt und verknüpft, was ohne Sprache (s. d.) nicht möglich ist. Bedingungen, Postulate des Denkens sind die Denkgesetze (s. d.). Die allgemeinen, für alle Erfahrung notwendigen und gültigen Denkweisen heißen Denkformen (s. d.). Ein Denken ohne Inhalt gibt es in Wirklichkeit nicht, das »reine« Denken ist nur eine Abstraktion sowohl vom besonderen Inhalte als auch vom Gefühls- und Willensfaktor des Denkens. Ursprünglich hat das Denken rein biologische Bedeutung, es dient der Erhaltung des Lebens.
Der weitere Begriff des Denkens (cogitatio) findet sich, abgesehen von älteren Bestimmungen, die das Denken noch nicht im heutigen engsten Sinne nehmen, bei DESCARTES. Er versteht unter Denken jedes bewußte Vorstellen jedes Präsenthaben eines Bewußtseinsinhaltes. »Cogitationis nomine intelligo illa omnia, quae nobis consciis in nobis sunt, quatenus eorum in nobis conscientia est: atque ita non modo intelligere, velle, imaginari, sed etiam sentire, idem est hoc quod cogitare« (Phil. princ. I, 9). Die Seele ist »res cogitans« (Med. II). MALEBRANCHE sagt demgemäß, die Seele denke stets (»l' âme pense toujours«, Rech. I, 3, 2). SPINOZA faßt das »Denken« als Attribut (s. d.) Gottes auf (Eth. II, prop. I); Gott ist das letzte Subjekt aller unserer Gedanken, er denkt in jedem seiner Modi, ist unendlicher Intellekt (s. d.): »Singulares cogitationes sive haec et illa cogitatio modi sunt, qui Dei naturam certo et determinato modo exprimunt« (Eth. II, prop. I). Gott denkt Unendliches auf unendliche Weise, indem er sein eigenes Wesen denkt. »Deus enim infinita infinitis modis cogitare, sive ideam suae essentiae et omnium, quae necessario ex ea sequuntur, formare potest« (l.c. prop. III, dem.). Das vernünftige Denken (s. Vernunft) betrachtet die Dinge in ihrer constanten Wesenheit und Notwendigkeit. CHR. WOLF definiert: »Cogitare dicimus, quando nobis conscii sumus eorum, quae in nobis contingunt, et quae nobis tanquam extra nos repraesentantur. Cogitatio igitur est actus animae, quo sibi rerumque aliarum extra se conscia est« (Psychol. emp. § 23). Denken ist »das Bewußtsein von Dingen außer uns« (Vern. Ged. I, § 194). BILFINGER: »Repraesentatio rerum illa, cuius conscii sumus nobis, dicitur cogitatio« (Diluc. § 240). Bei HUME und anderen englischen Philosophen heißt »thinking« so viel wie: etwas gegenwärtig haben, ferner: Vorgestelltes verknüpfen; »reasoning« = logisch verknüpfen (Treat., übers. von LIPPS, S. 10). Im engeren Sinne besteht das Denken in einer »comparison« von Vorstellungen, im Auffinden der Relationen zweier Objekte (l.c. III, sct. 2). J. G. FICHTE versteht unter Denken im weitesten Sinne »vorstellen oder Bewußtsein überhaupt« (Syst. d. Sittenl. S. 12). Es ist im engeren Sinne ein »Herausgehen aus der unmittelbaren Anschauung« (WW. I, 2, 545). Das reine Denken ist das sich selbst denkende, seinen Inhalt selbst produzierende Denken.
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