Natürliche Zuchtwahl und ihre Wirksamkeit im Vergleich zu der des Menschen
Mehrere Schriftsteller haben den Ausdruck natürliche Zuchtwahl missverstanden oder unpassend gefunden. Die einen haben selbst gemeint, natürliche Zuchtwahl führe zur Veränderlichkeit, während sie doch nur die Erhaltung solcher Abänderungen einschließt, welche dem Organismus in seinen eigentümlichen Lebensbeziehungen von Nutzen sind. Niemand macht dem Landwirt einen Vorwurf daraus, dass er von den großen Wirkungen der Zuchtwahl des Menschen spricht, und in diesem Falle müssen die von der Natur dargebotenen individuellen Verschiedenheiten, welche der Mensch in bestimmter Absicht zur Nachzucht wählt, notwendiger Weise zuerst überhaupt vorkommen. Andere haben eingewendet, dass der Ausdruck Wahl ein bewusstes Wählen in den Tieren voraussetze, welche verändert werden; ja man hat selbst eingeworfen, da doch die Pflanzen keinen Willen hätten, sei auch der Ausdruck auf sie nicht anwendbar! Es unterliegt allerdings keinem Zweifel, dass buchstäblich genommen, natürliche Zuchtwahl ein falscher Ausdruck ist; wer hat aber je den Chemiker getadelt, wenn er von den Wahlverwandtschaften der verschiedenen Elemente spricht? und doch kann man nicht sagen, dass eine Säure sich die Basis auswähle, mit der sie sich vorzugsweise verbinden wolle. Man hat gesagt, ich spreche von der natürlichen Zuchtwahl wie von einer tätigen Macht oder Gottheit; wer wirft aber einem Schriftsteller vor, wenn er von der Anziehung redet, welche die Bewegung der Planeten regelt? Jedermann weiß, was damit gemeint und was unter solchen bildlichen Ausdrücken verstanden wird; sie sind ihrer Kürze wegen fast notwendig. Eben so schwer ist es, eine Personifizierung des Wortes Natur zu vermeiden; und doch verstehe ich unter Natur bloß die vereinte Tätigkeit und Leistung der mancherlei Naturgesetze, und unter Gesetzen die nachgewiesene Aufeinanderfolge der Erscheinungen. Bei ein wenig Bekanntschaft mit der Sache sind solche oberflächliche Einwände bald vergessen.