Arten mit weit von denen ihrer Verwandten abweichender Lebensweise
Sturmvögel sind unter allen Vögeln diejenigen, die am meisten in der Luft leben und am meisten ozeanisch sind, und doch gibt es in den ruhigen stillen Meerengen des Feuerlandes eine Art, Puffinuria Berardi, die nach ihrer Lebensweise im Allgemeinen, nach ihrer erstaunlichen Fähigkeit zu tauchen, nach ihrer Art zu schwimmen und zu fliegen, wenn sie zu fliegen genötigt wird, von Jedem für einen Alk oder Lappentaucher (Podiceps) gehalten werden würde; sie ist aber nichtsdestoweniger ihrem Wesen nach ein Sturmvogel nur mit einigen tiefeindringenden zu ihrer neuen Lebensweise in Beziehung stehenden Änderungen der Organisation, während beim Spechte von La Plata der Körperbau nur unbedeutende Veränderungen erfahren hat. Bei der Wasseramsel (Cinclus) dagegen würde man auch bei der genauesten Untersuchung des todten Körpers nicht im mindesten eine halb und halb ans Wasser gebundene Lebensweise vermutet haben. Und doch verschafft sich dieser mit der Drosselfamilie verwandte Vogel seinen ganzen Unterhalt nur durch Tauchen, wobei er seine Flügel unter Wasser gebraucht und mit seinen Füssen Steine ergreift. Alle Glieder der Hymenopteren-Ordnung sind Landtiere, mit Ausnahme der Gattung Proctotrupes, welche, wie Sir JOHN LUBBOCK neuerdings gefunden hat, in ihrer Lebensweise ein Wassertier ist. Sie geht oft ins Wasser, taucht unter, nicht mit Hilfe ihrer Beine, sondern ihrer Flügel und bleibt bis zu vier Stunden unter Wasser. Und doch kann in ihrem Bau nicht die geringste, mit so abnormer Lebensweise in Übereinstimmung zu bringende Modifikation nachgewiesen werden.
Wer des Glaubens ist, dass jedes Wesen so geschaffen worden ist, wie wir es jetzt erblicken, muss schon gelegentlich überrascht gewesen sein, ein Tier zu finden, dessen Organisation und Lebensweise durchaus nicht miteinander in Einklang standen. Was kann klarer sein, als dass die Füsse der Enten und Gänse mit der großen Haut zwischen den Zehen zum Schwimmen gemacht sind? und doch gibt es Hochlandgänse mit solchen Schwimmfüßen, welche selten oder nie ins Wasser gehen; — und außer AUDUBON hat noch Niemand den Fregattenvogel, dessen vier Zehen sämtlich durch eine Schwimmhaut verbunden sind, sich auf den Spiegel des Meeres niederlassen sehen. Andererseits sind Lappentaucher (Podiceps) und Wasserhühner (Fulica) ausgezeichnete Wasservögel, und doch sind ihre Zehen nur mit einer Schwimmhaut gesäumt. Was scheint klarer zu sein, als dass die langen, durch keine Haut verbundenen Zehen der Sumpfvögel ihnen dazu gegeben sind, damit sie über Sumpfböden und schwimmende Wasserpflanzen hinwegschreiten können? Rohrhuhn und Landralle sind Glieder dieser Ordnung; und doch ist das Bohrhuhn (Ortygometra) fast eben so sehr Wasservogel wie das Wasserhuhn, und die Landralle (Crex) fast eben so sehr Landvogel wie die Wachtel oder das Feldhuhn. In derartigen Fällen, und viele andere könnten noch angeführt werden, hat sich die Lebensweise geändert ohne eine entsprechende Änderung des Baues. Man kann sagen, der Schwimmfuss der Hochlandgans sei verkümmert in seiner Verrichtung, aber nicht in seiner Form. Beim Fregattenvogel dagegen zeigt der tiefe Ausschnitt der Schwimmhaut zwischen den Zehen, dass eine Veränderung der Fußbildung begonnen hat.
Wer an zahllose getrennte Schöpfungsakte glaubt, wird sagen, dass es in diesen Fällen dem Schöpfer gefallen habe, ein Wesen von dem einen Typus für den Platz eines Wesens von dem andern Typus zu bestimmen. Dies scheint mir aber nur eine Umschreibung der Tatsache in einer würdevoll klingensollenden Ausdrucksweise zu sein. Wer an den Kampf ums Dasein und an das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl glaubt, der wird anerkennen, dass jedes organische Wesen beständig nach Vermehrung seiner Anzahl strebt und dass, wenn es in Organisation oder Gewohnheiten auch noch so wenig variiert, und hierdurch einen Vorteil über irgend einen andern Bewohner der Gegend erlangt, es dessen Stelle einnehmen kann, wie verschieden dieselbe auch von seiner eigenen bisherigen Stelle sein mag. Er wird deshalb nicht darüber erstaunt sein, Gänse und Fregattenvögel mit Schwimmfüßen zu sehen, wovon die einen auf dem trockenen Lande leben und die anderen sich nur selten aufs Wasser niederlassen, oder langzehige Wiesenknarren (Crex) zu finden, welche auf Wiesen statt in Sümpfen wohnen; oder dass es Spechte da gibt, wo kaum ein Baum wächst, dass es Drosseln und Hymenopteren gibt, welche tauchen, und Sturmvögel mit der Lebensweise der Alke.