Differenzierte Gewohnheiten bei einer und derselben Art
Ich will nun zwei oder drei Beispiele sowohl von verschiedenartig gewordener als auch von veränderter Lebensweise bei den Individuen einer und derselben Art anführen. In allen Fällen wird es der natürlichen Zuchtwahl leicht sein, ein Tier durch irgend eine Abänderung seines Baues für seine veränderte Lebensweise oder ausschließlich für nur eine seiner verschiedenen Gewohnheiten geschickt zu machen. Es ist indessen schwer und für uns unwesentlich zu sagen, ob im Allgemeinen zuerst die Lebensweise und dann die Organisation sich andern, oder ob geringe Modifikationen des Baues zu einer Änderung der Gewohnheiten führen; wahrscheinlich ändern oft beide fast gleichzeitig ab. Was Änderung der Gewohnheiten betrifft, so wird es genügen, auf die Menge britischer Insektenarten zu verweisen, welche jetzt von ausländischen Pflanzen oder ganz ausschließlich von Kunsterzeugnissen leben. Vom Verschiedenartigwerden der Gewohnheiten ließen sich zahllose Beispiele anführen. Ich habe oft in Süd-Amerika eine Würgerart (Saurophagus sulphuratus) beobachtet, die das eine Mal wie ein Thurmfalke über einem Fleck und dann wieder über einem andern schwebte und ein andermal steif am Rande des Wassers stand und dann plötzlich wie ein Eisvogel auf den Fisch hinabstürzte. Hier in England sieht man die Kohlmeise (Parus major) bald fast wie einen Baumläufer an den Zweigen herum klimmen, bald nach Art des Würgers kleine Vögel durch Hiebe auf den Kopf töten; und oft habe ich gesehen und gehört, wie sie die Samen eines Eibenbaumes auf einem Zweige aufhämmerte, also sie wie ein Nusshacker aufbrach. In Nord-Amerika sah HEARNE den schwarzen Bär vier Stunden lang mit weit geöffnetem Munde im Wasser umherschwimmen, um fast nach Art der Wale Wasserinsekten zu fangen.
Da wir zuweilen Individuen Gewohnheiten befolgen sehen, welche von denen anderer Individuen ihrer Art und anderer Arten derselben Gattung weit abweichen, so könnten wir erwarten, dass solche Individuen mitunter zur Entstehung neuer Arten mit abweichenden Sitten und einer nur unbedeutend oder beträchtlich vom eigenen Typus abweichenden Organisation Veranlassung geben und solche Fälle kommen in der Natur vor. Kann es ein auffallenderes Beispiel von Anpassung geben, als den Specht, welcher an Bäumen umherklettert, um Insekten in den Rissen der Baumrinde aufzusuchen? Und doch gibt es in Nord-Amerika Spechte, welche großenteils von Früchten leben, und andere mit verlängerten Flügeln, welche Insekten im Fluge haschen. Auf den Ebenen von La Plata, wo kaum ein Baum wächst, gibt es einen Specht (Colaptes campestris), welcher zwei Zehen vorn und zwei hinten, eine lange spitze Zunge, steife Schwanzfedern und einen geraden kräftigen Schnabel besitzt. Doch sind die Schwanzfedern nur steif genug, um den Vogel in senkrechter Stellung auf einem Pfahle zu unterstützen, und nicht so steif wie bei den typischen Spechten. Auch der Schnabel ist weniger gerade und nicht so stark wie bei den typischen Spechten, obwohl stark genug, um ins Holz zu bohren. Demnach ist dieser Colaptes in allen wesentlichen Teilen seiner Organisation ein echter Specht. So unbedeutende Charaktere sogar wie seine Färbung, der schrille Ton seiner Stimme und der wellige Flug, Alles überzeugte mich von seiner nahen Blutverwandtschaft mit unseren gewöhnlichen Spechten. Aber dieser Specht klettert, wie ich sowohl nach meinen eigenen wie nach den Beobachtungen des genauen AZARA versichern kann, in gewissen großen Bezirken niemals an Bäumen, und baut sein Nest in Höhlen an Ufern. In gewissen anderen Bezirken besucht aber dieser selbe Specht, wie Mr. HUDSON angibt, Bäume und bohrt Löcher in Baumstämme behufs des Nestbaues. Ich will noch als ferneres Beispiel der abgeänderten Lebensweise in dieser Gattung erwähnen, dass DE SAUSSURE Einen mexikanischen Colaptes beschrieben und von ihm mitgeteilt hat, dass er in hartes Holz Löcher bohrt, um einen Vorrat von Eicheln hineinzulegen.