Wechselseitiger Dimorphismus und Trimorphismus


Dieser Gegenstand mag hier kurz erörtert werden; wir werden sehen, dass er ein ziemliches Licht auf die Lehre von der Bastardierung wirft. Mehrere zu verschiedenen Ordnungen gehörende Pflanzen bieten zwei, in ungefähr gleicher Zahl zusammen vorkommende Formen dar, welche in keiner andern Beziehung, nur in ihren Reproduktionsorganen verschieden sind; die eine Form hat ein langes Pistill und kurze Staubfäden, die andere ein kurzes Pistill mit langen Staubfäden, beide mit verschieden großen Pollenkörnern. Bei trimorphen Pflanzen sind drei Formen vorhanden, welche gleicher Weise in der Länge ihrer Pistille und Staubfäden, in der Größe und Farbe ihrer Pollenkörner und in einigen anderen Beziehungen verschieden sind; und da es in jeder dieser drei Formen zwei Sorten Staubfäden gibt, so sind zusammen sechs Arten von Staubfäden und drei Arten Pistille vorhanden. Diese Organe sind in ihrer Länge einander so proportioniert, dass die Hälfte der Staubfäden in zwei dieser Formen in gleicher Höhe mit dem Stigma der dritten Form steht. Nun habe ich gezeigt, und das Resultat haben andere Beobachter bestätigt, dass es, um vollständige Fruchtbarkeit bei diesen Pflanzen zu erreichen, nötig ist, die Narbe der einen Form mit Pollen aus den Staubfäden der correspondierenden Höhe in der andern Form zu befruchten. So sind bei dimorphen Arten zwei Begattungen, die man legitime nennen kann, völlig fruchtbar und zwei, welche man illegitim nennen kann, mehr oder weniger unfruchtbar. Bei trimorphen Arten sind sechs Begattungen legitim oder vollständig fruchtbar und zwölf sind illegitim oder mehr oder weniger unfruchtbar.

Die Unfruchtbarkeit, welche bei verschiedenen dimorphen und trimorphen Pflanzen nach illegitimer Befruchtung beobachtet wird, d.h. wenn sie mit Pollen aus Staubfäden befruchtet werden, die in ihrer Höhe nicht dem Pistill entsprechen, ist dem Grade nach sehr verschieden bis zu absoluter und äußerster Sterilität, genau in derselben Art, wie sie beim Kreuzen verschiedener Arten vorkömmt. Wie der Grad der Sterilität im letztern Falle in einem hervorragenden Grade davon abhängt, ob die Lebensbedingungen mehr oder weniger günstig sind, so habe ich es auch bei illegitimen Begattungen gefunden. Es ist bekannt, dass, wenn Pollen einer verschiedenen Art auf die Narbe einer Blüte, und später, selbst nach einem beträchtlichen Zwischenraum, ihr eigener Pollen auf dieselbe Narbe gebracht wird, dessen Wirkung so stark überwiegend ist, dass er den Effekt des fremden Pollens gewöhnlich vernichtet; dasselbe ist der Fall mit dem Pollen der verschiedenen Formen derselben Art: legitimer Pollen ist stark überwiegend über illegitimen, wenn beide auf dieselbe Narbe gebracht werden. Ich ermittelte dies dadurch, dass ich mehrere Blüten erst illegitim und vierundzwanzig Stunden darauf legitim mit Pollen einer eigentümlich gefärbten Varietät befruchtete; alle Sämlinge waren ähnlich gefärbt. Dies zeigt, dass der, wenn auch vierundzwanzig Stunden später aufgetragene legitime Pollen die Wirksamkeit des vorher aufgetragenen illegitimen Pollens gänzlich zerstört oder gehindert hatte. Wie ferner bei dem Anstellen wechselseitiger Kreuzungen zwischen zwei Spezies zuweilen eine große Verschiedenheit im Resultat auftritt, so kommt auch etwas Analoges bei trimorphen Pflanzen vor. So wurde z.B. die Form mit mittellangem Griffel von Lythrum salicaria in größter Leichtigkeit von dem Pollen aus den längeren Staubfäden der kurzgriffligen Form illegitim befruchtet und ergab viele Samenkörner; die letztere Form aber ergab nicht ein einziges Samenkorn, wenn sie mit Pollen aus den längeren Staubfäden der mittelgriffligen Form befruchtet wurde.

In all' diesen Beziehungen, sowie in anderen, welche noch hätten angeführt werden können, verhalten sich die verschiedenen Formen einer und derselben unzweifelhaften Art nach illegitimer Begattung genau ebenso wie zwei verschiedene Arten nach ihrer Kreuzung. Dies veranlasste mich, vier Jahre hindurch sorgfältig viele Sämlinge zu beobachten, die das Resultat mehrerer illegitimer Begattungen waren. Das hauptsächlichste Ergebnis ist, dass diese illegitimen Pflanzen, wie sie genannt werden können, nicht vollkommen fruchtbar sind. Es ist möglich, von dimorphen Arten illegitim sowohl langals kurzgrifflige Arten zu erzielen, ebenso von trimorphen illegitim alle drei Formen. Diese können dann in legitimer Weise gehörig begattet werden. Ist dies geschehen, so sieht man keinen rechten Grund, warum sie nach legitimer Befruchtung nicht ebenso viel Samen liefern sollten, wie ihre Eltern bei legitimer Verbindung. Dies ist aber nicht der Fall; sie sind alle, aber in verschiedenem Grade unfruchtbar; einige sind so völlig unheilbar steril, dass sie durch vier Sommer nicht einen Samen, nicht einmal eine Samenkapsel ergaben. Die Unfruchtbarkeit dieser illegitimen Pflanzen, wenn sie auch in legitimer Weise miteinander begattet werden, kann vollständig mit der Unfruchtbarkeit untereinander gekreuzter Bastarde verglichen werden. Wird andererseits ein Bastard mit einer der reinen Stammarten gekreuzt, so wird gewöhnlich die Sterilität um vieles vermindert; so ist es auch, wenn eine illegitime Pflanze von einer legitimen befruchtet wird. In derselben Weise, wie die Sterilität der Bastarde nicht immer der Schwierigkeit der ersten Kreuzung ihrer Mutterarten parallel geht, so war auch die Sterilität gewisser illegitimer Pflanzen ungewöhnlich groß, während die Unfruchtbarkeit der Begattung, der sie entsprungen, durchaus nicht groß war. Bei aus einer und derselben Samenkapsel erzogenen Bastarden ist der Grad der Unfruchtbarkeit von sich aus variabel; so ist es auch in auffallender Weise bei illegitimen Pflanzen. Endlich blühen viele Bastarde beständig und außerordentlich stark, während andere und sterilere Bastarde wenig Blüten produzieren und schwache elende Zwerge sind; genau ähnliche Fälle kommen bei den illegitimen Nachkommen verschiedener dimorpher und trimorpher Pflanzen vor.

Es besteht überhaupt die engste Identität in Charakter und Verhalten zwischen illegitimen Pflanzen und Bastarden. Es ist kaum übertrieben zu behaupten, dass illegitime Pflanzen Bastarde sind, aber innerhalb der Grenzen einer Spezies durch unpassende Begattung gewisser Formen erzeugt, während gewöhnliche Bastarde durch unpassende Begattung sogenannter distinkter Arten erzeugt sind. Wir haben auch bereits gesehen, dass in allen Beziehungen zwischen ersten illegitimen Begattungen und ersten Kreuzungen distinkter Arten die größte Ähnlichkeit besteht. Alles dies wird vielleicht durch ein Beispiel noch deutlicher. Nehmen wir an, ein Botaniker fände zwei auffallende Varietäten (und solche kommen vor) der langgriffligen Form des trimorphen Lythrum salicaria, und er entschlösse sich, durch eine Kreuzung zu versuchen, ob dieselben spezifisch verschieden seien. Er würde finden, dass sie nur ungefähr ein Fünftel der normalen Zahl von Samen liefern und dass sie sich in allen übrigen oben angeführten Beziehungen so verhielten, als wären sie zwei distinkte Arten. Um indessen sicher zu gehen, würde er aus seinen für verbastardiert gehaltenen Samen Pflanzen erziehen und würde finden, dass die Sämlinge elende Zwerge und völlig steril sind und sich in allen übrigen Beziehungen wie gewöhnliche Bastarde verhalten. Er würde dann behaupten, dass er im Einklang mit der gewöhnlichen Ansicht bewiesen habe, dass diese zwei Varietäten so gute und distinkte Arten seien wie irgend welche in der Welt; er würde sich aber darin vollkommen geirrt haben.

Die hier mitgeteilten Tatsachen von dimorphen und trimorphen Pflanzen sind von Bedeutung, weil sie uns erstens zeigen, dass die physiologische Probe verringerter Fruchtbarkeit, sowohl bei ersten Kreuzungen als bei Bastarden, kein sicheres Criterium spezifischer Verschiedenheit ist; zweitens, weil wir dadurch zu dem Schlusse veranlasst werden, dass es ein unbekanntes Band oder Gesetz gibt, welches die Unfruchtbarkeit illegitimer Begattungen mit der Unfruchtbarkeit ihrer illegitimen Nachkommenschaft in Verbindung bringt, und wir veranlasst werden, diese Ansicht auf erste Kreuzungen und Bastarde auszudehnen; drittens, weil wir finden (und das scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein), dass von derselben Art zwei oder drei Formen existieren und durchaus in gar keiner Beziehung weder im Bau noch in der Konstitution in Beziehung auf äußere Lebensbedingungen von einander abweichen können, dass sie aber dennoch unfruchtbar sind, wenn sie auf gewisse Weise begattet werden. Denn wir müssen uns erinnern, dass es die Verbindung der Sexualelemente von Individuen der nämlichen Form, z.B. der beiden langgriffligen Formen ist, welche in Sterilität ausgeht; während die Verbindung der, zwei verschiedenen Formen eigenen Sexualelemente fruchtbar ist. Es scheint daher auf den ersten Blick der Fall gerade das Umgekehrte von dem zu sein, was bei der gewöhnlichen Verbindung von Individuen einer und derselben Spezies und bei Kreuzungen zwischen verschiedenen Spezies eintritt. Es ist indessen zweifelhaft, ob dies wirklich der Fall ist; und ich will mich bei diesem dunklen Gegenstand nicht länger aufhalten.

Nach der Betrachtung dimorpher und trimorpher Pflanzen können wir es indes als wahrscheinlich ansehen, dass die Unfruchtbarkeit distinkter Arten bei ihrer Kreuzung und deren hybrider Nachkommen ausschließlich von der Natur ihrer Sexualelemente und nicht von irgend welcher allgemeinen Verschiedenheit in ihrem Bau oder ihrer Konstitution abhängt. Wir werden in der Tat zu demselben Schlusse durch die Betrachtung wechselseitiger Kreuzungen zweier Arten geführt, bei denen das Männchen der einen mit dem Weibchen der andern Art nicht oder nur mit großer Schwierigkeit gepaart werden kann, während die umgekehrte Kreuzung mit vollkommener Leichtigkeit ausgeführt werden kann. GÄRTNER, ein ausgezeichneter Beobachter, kam gleichfalls zu dem Schlusse, dass gekreuzte Arten in Folge von Verschiedenheiten, die auf ihre Reproduktionsorgane beschränkt sind, steril sind.


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