Artengruppen folgen denselben allgemeinen Regeln des Auftretens und Verschwindens, wie die einzelnen Arten
Artengruppen, das heisst Gattungen und Familien, folgen in ihrem Auftreten und Verschwinden denselben allgemeinen Regeln, wie die einzelnen Arten selbst, indem sie mehr oder weniger schnell in größerem oder geringerem Grade sich verändern. Eine Gruppe erscheint niemals wieder, wenn sie einmal untergegangen ist, d.h. ihr Dasein ist, solange es besteht, kontinuierlich. Ich weiß wohl, dass es einige anscheinende Ausnahmen von dieser Regel gibt; allein es sind deren so erstaunlich wenig, dass ED. FORBES, PICTET und WOODWARD (Obwohl dieselben alle drei die von mir verteidigten Ansichten sonst bestreiten) deren Richtigkeit zugestehen; und diese Regel entspricht genau meiner Theorie. Denn alle Arten einer und derselben Gruppe, wie lange dieselbe auch bestanden haben mag, sind die modifizierten Nachkommen früherer Arten und eines gemeinsamen Urerzeugers. So müssen z.B. bei der Gattung Lingula die Spezies, welche zu allen Zeiten nacheinander aufgetreten sind, von der tiefsten Silurschicht an bis auf den heutigen Tag durch eine ununterbrochene Reihe von Generationen miteinander im Zusammenhang gestanden haben.
Wir haben im letzten Kapitel gesehen, dass es zuweilen irrtümlich so erscheint, als seien die Arten einer Gruppe ganz plötzlich in Maße aufgetreten, und ich habe versucht, diese Tatsache zu erklären, welche, wenn sie sich wirklich so verhielte, meiner Theorie verderblich sein würde. Aber derartige Fälle sind gewiss nur als Ausnahmen zu betrachten; nach der allgemeinen Regel wächst die Artenzahl jeder Gruppe allmählich zu ihrem Maximum an und nimmt dann früher oder später wieder langsam ab. Wenn man die Artenzahl einer Gattung oder die Gattungszahl einer Familie durch eine Vertikallinie ausdrückt, welche die übereinanderfolgenden Formationen mit einer nach Maßgabe der in jeder derselben enthaltenen Artenzahl veränderlichen Dicke durchsetzt, so kann es manchmal fälschlich scheinen, als beginne dieselbe unten plötzlich breit, statt mit scharfer Spitze; sie nimmt dann aufwärts an Breite zu, hält darauf oft eine Zeit lang gleiche Stärke ein und läuft dann in den oberen Schichten, der Abnahme und dem Erlöschen der Arten entsprechend, allmählich spitz aus. Diese allmähliche Zunahme einer Gruppe steht mit meiner Theorie vollkommen im Einklang; denn die Arten einer und derselben Gattung und die Gattungen einer und derselben Familie können nur langsam und allmählich an Zahl wachsen; der Vorgang der Umwandlung und der Entwicklung einer Anzahl verwandter Formen ist notwendig nur ein langsamer und gradweiser: eine Art liefert anfänglich nur zwei oder drei Varietäten, welche sich langsam in Arten verwandeln, die ihrerseits wieder auf gleich langsamen Schritten andere Varietäten und Arten hervorbringen und so weiter (wie ein großer Baum sich allmählich von einem einzelnen Stamme aus verzweigt), bis die Gruppe groß wird.