Verwandtschaft der Erzeugnisse eines nämlichen Kontinents


Eine dritte große Tatsache, schon zum Teil in den vorigen Angaben mitbegriffen, ist die Verwandtschaft zwischen den Bewohnern eines nämlichen Festlandes oder Weltmeeres, obwohl die Arten in verschiedenen Teilen und Standorten desselben verschieden sind. Es ist dies ein Gesetz von der größten Allgemeinheit, und jeder Kontinent bietet unzählige Belege dafür. Demungeachtet fühlt sich der Naturforscher auf seinem Wege z.B. von Norden nach Süden unfehlbar betroffen von der Art und Weise, wie Gruppen von Organismen der Reihe nacheinander ersetzen, welche in den Arten verschieden aber nahe verwandt sind. Er hört von nahe verwandten aber doch verschiedenen Vögeln ähnliche Gesänge, sieht ihre ähnlich gebauten aber nicht völlig gleichen Nester mit ähnlich gefärbten Eiern. Die Ebenen in der Nähe der Magellanstrasse sind von einem Nandu (Rhea Amerikana) bewohnt, und im Norden der La Plata-Ebene wohnt eine andere Art derselben Gattung, doch kein echter Strauss (Struthio) oder Emu (Dromaius), welche in Afrika und beziehungsweise in Neuholland unter gleichen Breiten vorkommen. In denselben La Plata-Ebenen finden wir das Aguti (Dasyprocta) und die Viscache (Lagostomus), zwei Tiere nahezu von der Lebensweise unserer Hasen und Kaninchen und mit ihnen in die gleiche Ordnung der Nagetiere gehörig; sie bieten aber ganz deutlich einen rein amerikanischen Organisationstypus dar. Steigen wir zu dem Hochgebirge der Cordillera hinan, so treffen wir die Berg-Viscache (Lagidium); sehen wir uns am Wasser um, so finden wir zwei andere Nager von südamerikanischem Typus, den Coypu (Myopotamus) und Capybara (Hydrochoerus) statt des Bibers und der Bisamratte. So ließen sich zahllose andere Beispiele anführen. Wie sehr auch die Inseln an den amerikanischen Küsten in ihrem geologischen Bau abweichen mögen, ihre Bewohner sind wesentlich amerikanisch, wenn auch von eigentümlichen Arten. Schauen wir zurück nach nächstfrüheren Zeitperioden, wie sie im letzten Kapitel erörtert wurden, so finden wir auch da noch amerikanische Typen vorherrschend, auf dem amerikanischen Festlande wie in amerikanischen Meeren. Wir erkennen in diesen Tatsachen ein tiefliegendes organisches Gesetz, über Zeit und Baum hinweg auf demselben Gebiete von Land und Meer, unabhängig von ihrer natürlichen Beschaffenheit, herrschend. Der Naturforscher müsste wenig Forschungstrieb besitzen, der sich nicht versucht fühlte, näher nach diesem Gesetze zu forschen.

Dies Gesetz besteht einfach in der Vererbung, derjenigen Ursache, welche allein, soweit wir Sicheres wissen, einander völlig gleiche oder wie wir es bei den Varietäten sehen, nahezu gleiche Organismen hervorbringt. Die Unähnlichkeit der Bewohner verschiedener Gegenden wird der Modifikation durch Abänderung und natürliche Zuchtwahl, und, wahrscheinlich in einem untergeordneten Grade, dem bestimmten Einfluss verschiedener physikalischer Lebensbedingungen zuzuschreiben sein. Die Grade der Unähnlichkeit hängen davon ab, ob die Wanderung der herrschenderen Lebensformen aus der einen Gegend in die andere in späterer oder früherer Zeit mehr oder weniger wirksam verhindert worden ist; sie hängen ab von der Natur und Zahl der früheren Einwanderer, von der Einwirkung der Bewohner aufeinander, welche zur Erhaltung verschiedener Modifikationen führt, indem, wie ich schon oft bemerkt habe, die Beziehung von Organismus zu Organismus im Kampfe ums Dasein die bedeutungsvollste aller Beziehungen ist. Bei den Wanderungen kommen daher die oben erwähnten Schranken wesentlich in Betracht, ebenso wie die Zeit bei dem langsamen Prozess der natürlichen Zuchtwahl. Weitverbreitete und an Individuen reiche Arten, welche schon über viele Konkurrenten in ihrer eigenen ausgedehnten Heimat gesiegt haben, werden beim Vordringen in neue Gegenden die beste Aussicht haben, neue Plätze zu gewinnen. An ihren neuen Wohnorten werden sie neuen Lebensbedingungen ausgesetzt werden und häufig neue Abänderungen und Verbesserungen erfahren; und so werden sie den anderen noch überlegener werden und Gruppen modifizierter Nachkommen erzeugen. Aus diesem Prinzip fortschreitender Vererbung mit Abänderung können wir verstehen, weshalb Untergattungen, Gattungen und selbst ganze Familien, wie es so gewohnter und anerkannter Maßen der Fall ist, auf die nämlichen Gebiete beschränkt erscheinen.

Wie schon im letzten Kapitel bemerkt wurde, ist kein Beweis vorhanden für die Existenz irgend eines Gesetzes notwendiger Vervollkommnung. Sowie die Veränderlichkeit einer jeden Art eine unabhängige Eigenschaft ist und von der natürlichen Zuchtwahl nur so weit ausgebeutet wird, wie es den Individuen in ihrem vielseitigen Kampfe ums Dasein zum Vorteil gereicht, so besteht auch für die Modifikation der verschiedenen Spezies kein gleichförmiges Maß. Wenn eine Anzahl von Arten, die in ihrer alten Heimat miteinander lange in Konkurrenz gestanden haben, in Maße nach einer neuen und nachher isolierten Gegend auswandern, so werden sie wenig Modifikation erfahren, indem weder die Wanderung noch die Isolierung an sich etwas dabei tun. Diese Prinzipien kommen nur in Tätigkeit, wenn dabei Organismen in neue Beziehungen untereinander, weniger, wenn sie in Berührung mit neuen Lebensbedingungen gebracht werden. Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, dass einige Formen den nämlichen Charakter seit ungeheuer weit zurückgelegenen geologischen Perioden fast unverändert behauptet haben, so sind auch gewisse Arten über weite Räume gewandert, ohne große oder überhaupt irgend welche Veränderungen erlitten zu haben.

Nach diesen Ansichten liegt es auf der Hand, dass die verschiedenen Arten einer und derselben Gattung, wenn sie auch die entferntesten Teile der Welt bewohnen, doch ursprünglich aus gleicher Quelle entsprungen sein müssen, da sie vom nämlichen Erzeuger herrühren. Was diejenigen Arten betrifft, welche im Verlaufe ganzer geologischer Perioden nur eine geringe Modifikation erfahren haben, so hat es keine große Schwierigkeit, anzunehmen, dass sie aus einerlei Gegend hergewandert sind; denn während der ungeheuren geographischen und klimatischen Veränderungen, welche seit alten Zeiten vor sich gegangen, sind Wanderungen beinahe in jeder Ausdehnung möglich gewesen. In vielen anderen Fällen aber, wo wir Grund haben, zu glauben, dass die Arten einer Gattung erst in vergleichsweise neuer Zeit entstanden sind, ist die Schwierigkeit in dieser Hinsicht weit größer. Ebenso ist es einleuchtend, dass die Individuen einer und derselben Art, wenn sie jetzt auch weit auseinander und abgesondert gelegene Gegenden bewohnen, von einer Stelle ausgegangen sein müssen, wo ihre Eltern zuerst erstanden sind; denn es ist, wie es im letzten Abschnitte erläutert wurde, unglaublich, dass spezifisch identische Individuen durch natürliche Zuchtwahl von spezifisch verschiedenen Stammformen hätten erzeugt werden können.


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