Regeln und Schwierigkeiten der Klassifikation erklärt aus der Theorie der Deszendenz mit Modifikation


Betrachten wir nun die bei der Klassifikation befolgten Regeln und die dabei vorkommenden Schwierigkeiten von der Ansicht aus, dass die Klassifikation entweder einen unbekannten Schöpfungsakt darstellt oder auch nur einfach ein Mittel bietet, allgemeine Sätze auszusprechen und die einander ähnlichsten Formen zusammenzustellen. Man hätte wohl meinen können, und es ist in älteren Zeiten angenommen worden, dass diejenigen Teile der Organisation, welche die Lebensweise und im Allgemeinen die Stellung eines jeden Wesens im Haushalte der Natur bestimmen, von sehr großer Bedeutung bei der Klassifikation wären. Und doch kann nichts unrichtiger sein. Niemand legt mehr der äußeren Ähnlichkeit der Maus mit der Spitzmaus, des Dugongs mit dem Wale, und des Wales mit dem Fisch einige Wichtigkeit bei. Diese Ähnlichkeiten, wenn auch in innigstem Zusammenhange mit dem ganzen Leben des Tieres stehend, werden als bloße »analoge oder Anpassungs-Charaktere« bezeichnet; doch werden wir auf die Betrachtung dieser Ähnlichkeiten später zurückkommen. Man kann es sogar als eine allgemeine Regel ansehen, dass, je weniger ein Teil der Organisation für Specialzwecke bestimmt ist, desto wichtiger er für die Klassifikation wird. So z.B. sagt R. OWEN, indem er vom Dugong spricht: »Ich habe die Generationsorgane, insofern sie mit Lebens- und Ernährungsweise der Tiere in wenigst naher Beziehung stehen, immer als solche betrachtet, welche die klarsten Andeutungen über die wahren Verwandtschaften derselben zu liefern vermögen. Wir sind am wenigsten der Gefahr ausgesetzt, in Modifikationen dieser Organe einen bloßen adaptiven für einen wesentlichen Charakter zu nehmen.« So ist es auch mit den Pflanzen. Wie merkwürdig ist es nicht, dass die Vegetationsorgane, von welchen ihre Ernährung und ihr Leben überhaupt abhängig ist, so wenig zu bedeuten haben, während die Reproduktionswerkzeuge und deren Erzeugnis, der Same und Embryo, von oberster Bedeutung sind. So haben wir früher bei Erörterung gewisser morphologischer Verschiedenheiten, welche von keiner physiologischen Bedeutung sind, gesehen, dass sie oft für die Klassifikation von höchstem Werte sind. Dies hängt von der Beständigkeit ab, mit welcher sie in vielen verwandten Gruppen. auftreten: und diese Beständigkeit hängt wiederum hauptsächlich davon ab, dass etwaige geringe Strukturabweichungen in solchen Teilen von der natürlichen Zuchtwahl, welche nur auf nützliche Charaktere wirkt, nicht erhalten und angehäuft worden sind.

Dass die bloße physiologische Wichtigkeit eines Organes seine Bedeutung für die Klassifikation nicht bestimme, ergibt sich fast schon aus der Tatsache allein, dass der klassifikatorische Wert eines Organes in verwandten Gruppen, wo man ihm doch eine gleiche physiologische Bedeutung zuschreiben darf, oft weit verschieden ist. Kein Naturforscher kann sich mit einer Gruppe näher beschäftigt haben, ohne dass ihm diese Tatsache aufgefallen wäre, was auch in den Schriften fast aller Autoren vollkommen anerkannt wird. Es wird genügen, wenn ich ROBERT BROWN als den höchsten Gewährsmann zitiere, welcher bei Erwähnung gewisser Organe bei den Proteazeen sagt: ihre generische Wichtigkeit »ist so wie die aller ihrer Teile nicht allein in dieser, sondern nach meiner Erfahrung in allen natürlichen Familien sehr ungleich und scheint mir in einigen Fällen ganz verloren zu gehen.« Ebenso sagt er in einem andern Werke: die Genera der Konnaraceae »unterscheiden sich durch die Ein- oder Mehrzahl ihrer Ovarien, durch Anwesenheit oder Mangel des Eiweißes und durch die schuppige oder klappenartige Aestivation. Ein jedes einzelne dieser Merkmale ist oft von mehr als generischer Wichtigkeit; hier aber erscheinen alle zusammen genommen unzureichend, um nur die Gattung Cnestis von Konnarus zu unterscheiden.« Ich will noch ein Beispiel von den Insekten anführen, wo in der einen großen Abteilung der Hymenopteren nach WESTWOOD's Beobachtung die Fühler von sehr beständiger Bildung sind, während sie in einer andern Abteilung sehr abändern und die Abweichungen von ganz untergeordnetem Werte für die Klassifikation sind; und doch wird Niemand behaupten wollen, dass die Fühler in diesen zwei Gruppen derselben Ordnung von ungleichem physiologischen Werte seien. So ließen sich noch Beispiele beliebiger Zahl von der veränderlichen Wichtigkeit desselben wesentlichen Organes für die Klassifikation innerhalb derselben Gruppe von Organismen anführen.

Es wird ferner Niemand behaupten, rudimentäre oder verkümmerte Organe wären von hoher physiologischer Wichtigkeit oder von vitaler Bedeutung, und doch besitzen ohne Zweifel sich in diesem Zustande findende Organe häufig für die Klassifikation einen großen Wert. So wird Niemand bestreiten, dass die Zahnrudimente im Oberkiefer junger Wiederkäuer so wie gewisse Knochenrudimente in deren Füssen sehr nützlich sind, um die nahe Verwandtschaft der Wiederkäuer mit den Dickhäutern zu beweisen. Und so bestand auch ROBERT BROWN streng auf der hohen Bedeutung, welche die Stellung der verkümmerten Blumen der Gräser für ihre Klassifikation haben.

Dagegen ließen sich zahlreiche Beispiele von Merkmalen anführen, die von Organen hergenommen sind, welche als von sehr unbedeutender physiologischer Wichtigkeit angesehen werden müssen, welche aber allgemein für sehr nützlich zur Bestimmung ganzer Gruppen gelten. So ist z.B. der Umstand, ob eine offene Kommunication zwischen der Nasenhöhle und der Mundhöhle vorhanden ist, nach R. OWEN der einzige unbedingte Unterschied zwischen Reptilien und Fischen, und ebenso wichtig ist die Einbiegung des Unterkieferwinkels bei den Beuteltieren, die verschiedene Zusammenfaltungsweise der Flügel bei den Insekten, die bloße Farbe bei gewissen Algen, die Behaarung gewisser Blütenteile bei den Gräsern, die Art der Hautbedeckung, wie Haar- oder Federkleid bei den Wirbeltierklassen. Hätte der Ornithorhynchus ein Federstatt ein Haargewand, so würde dieser äußere unwesentlich erscheinende Charakter vielleicht von manchen Naturforschern als ein wichtiges Hülfsmittel zur Bestimmung des Verwandtschaftsgrades dieses sonderbaren Geschöpfes den Vögeln gegenüber angesehen worden sein.

Die Wichtigkeit an sich gleichgültiger Charaktere für die Klassifikation hängt hauptsächlich von ihrer Korrelation zu manchen anderen mehr oder weniger wichtigen Merkmalen ab. In der Tat ist der Wert miteinander verbundener Charaktere in der Naturgeschichte sehr augenscheinlich. Daher kann sich, wie oft bemerkt worden ist, eine Art in mehreren einzelnen Charakteren von hoher physiologischer Wichtigkeit und fast allgemeinem Übergewicht weit von ihren Verwandten entfernen und uns doch nicht in Zweifel darüber lassen, wohin sie gehört. Daher hat sich ferner oft genug eine bloß auf ein einziges Merkmal, wenn gleich von höchster Bedeutung, gegründete Klassifikation als mangelhaft erwiesen; denn kein Teil der Organisation ist unabänderlich beständig. Die Wichtigkeit einer Verkettung von Charakteren, wenn auch keiner davon wesentlich ist, erklärt nach meiner Meinung allein den Ausspruch LINNÉ'S, dass die Charaktere nicht das Genus machen, sondern dieses die Charaktere gibt; denn dieser Ausspruch scheint auf eine Würdigung vieler untergeordneter ähnlicher Punkte gegründet zu sein, welche zu gering sind, um definiert werden zu können. Gewisse zu den Malpighiazeen gehörige Pflanzen bringen vollkommene und verkümmerte Blüten zugleich hervor; die letzten verlieren nach A. DE JUSSIEU's Bemerkung »die Mehrzahl der Art-, Gattungs-, Familien- und selbst Klassencharaktere und spotten mithin unserer Klassifikation.« Als aber Aspicarpa mehrere Jahre lang in Frankreich nur verkümmerte Blüten lieferte, welche in einer Anzahl der wichtigsten Punkte der Organisation so wunderbar von dem eigentlichen Typus der Ordnung abweichen, da erkannte doch RICHARD scharfsinnig genug, wie JUSSIEU bemerkt, dass diese Gattung unter den Malpighiazeen zurückbehalten werden müsse. Dieser Fall scheint mir den Geist wohl zu bezeichnen, in welchem unsere Klassifikationen gegründet sind.

In der Praxis bekümmern sich aber die Naturforscher nicht viel um den physiologischen Wert des Charakters, deren sie sich zur Definition einer Gruppe oder bei Einordnung einer Spezies bedienen. Wenn sie einen nahezu einförmigen und einer großen Anzahl von Formen gemeinsamen Charakter finden, der bei anderen nicht vorkommt, so benutzen sie ihn als sehr wertvoll; kömmt er bei einer geringern Anzahl vor, so ist er von geringerm Werte. Zu diesem Grundsatze haben sich einige Naturforscher offen als zu dem einzig richtigen bekannt, und keiner entschiedener als der vortreffliche Botaniker AUGUSTE ST.-HILAIRE. Wenn gewisse unbedeutende Charaktere immer in Kombination mit anderen erscheinen, mag auch ein bedingendes Band zwischen ihnen nicht zu entdecken sein, so wird ihnen besonderer Wert beigelegt. Da in den meisten Tiergruppen wesentliche Organe, wie die zur Bewegung des Blutes, zur Athmung, zur Fortpflanzung bestimmten, nahezu von gleicher Beschaffenheit sind, so werden sie bei deren Klassifikation für sehr wertvoll angesehen; wogegen wieder in anderen Tiergruppen alle diese wichtigsten Lebenswerkzeuge nur Charaktere von ganz untergeordnetem Werte darbieten. So hat FRITZ MÜLLER neuerdings bemerkt, dass in derselben Gruppe der Krustazeen Cypridina mit einem Herzen versehen ist, während es in zwei nahe verwandten Gattungen, Cypris und Cytherea, fehlt: eine Spezies von Cypridina hat entwickelte Kiemen, während andere Arten keine besitzen.

Wir können einsehen, warum vom Embryo entnommene Charaktere sich als von gleicher Wichtigkeit erweisen, wie die der erwachsenen Tiere; denn eine natürliche Klassifikation umfasst natürlich die Arten in allen ihren Lebensaltern. Doch liegt es nach der gewöhnlichen Anschauungsweise keineswegs auf der Hand, warum die Struktur des Embryos für diesen Zweck höher in Anschlag zu bringen wäre, als die des erwachsenen Tieres, welches doch nur allein vollen Anteil am Haushalte der Natur nimmt. Nun haben bedeutende Naturforscher, wie H.

MILNE-EDWARDS und L. AGASSIZ, scharf hervorgehoben, dass embryonale Charaktere von allen die wichtigsten für die Klassifikation sind, und diese Behauptung ist fast allgemein als richtig aufgenommen worden. Trotzdem ist ihre Bedeutung zuweilen übertrieben worden, da die adaptiven Charaktere der Larven nicht ausgeschlossen wurden, und FRITZ MÜLLER hat, um dies zu beweisen, die große Klasse der Krustazeen allein nach ihren embryologischen Verschiedenheiten angeordnet, wobei sich zeigte, dass eine solche Anordnung keine natürliche ist. Darüber kann aber kein Zweifel bestehen, dass von dem Embryo entnommene Merkmale allgemein nicht bloß bei Tieren, sondern auch bei Pflanzen von dem höchsten Werte sind. So sind bei den Blütenpflanzen deren zwei Hauptgruppen nur auf embryonale Verschiedenheiten gegründet, nämlich auf die Zahl und Stellung der Blätter des Embryos oder der Cotyledonen und auf die Entwicklungsweise der Plumula und Radicula. Wir werden sofort sehen, warum diese Charaktere bei der Klassifikation so wertvoll sind, weil nämlich das natürliche System in seiner Anordnung genealogisch ist.

Unsere Klassifikationen stehen offenbar häufig unter dem Einflusse der Idee verwandtschaftlicher Verkettungen. Es ist nichts leichter, als eine Anzahl allen Vögeln gemeinsamer Charaktere zu bezeichnen, aber hinsichtlich der Kruster ist eine solche Definition noch nicht möglich gewesen. Es gibt Kruster an den entgegengesetzten Enden der Reihe, welche kaum einen Charakter miteinander gemein haben; aber da die an den zwei Enden stehenden Arten offenbar mit anderen und diese wieder mit anderen Krustern u.s.w. verwandt sind, so ergibt sich ganz unzweideutig, dass sie alle zu dieser und zu keiner andern Klasse der Gliedertiere gehören.

Auch die geographische Verbreitung ist oft, wenn gleich vielleicht nicht in völlig logischer Weise, zur Klassifikation mit benützt worden, zumal in sehr großen Gruppen nahe untereinander verwandter Formen. TEMMINCK besteht auf der Nützlichkeit und selbst Notwendigkeit dieses Verfahrens bei gewissen Vogelgruppen; wie sie denn auch von einigen Entomologen und Botanikern in Anwendung gezogen ist.

Was endlich den vergleichsweisen Wert der verschiedenen Artengruppen, wie Ordnungen und Unterordnungen, Familien und Unterfamilien, Gattungen u.s.w. betrifft, so scheinen sie wenigstens bis jetzt ganz willkürlich zu sein. Einige der besten Botaniker, wie BENTHAM u. A., haben ausdrücklich deren willkürlichen Wert betont. Man könnte bei den Pflanzen wie bei den Insekten Beispiele anführen von Artengruppen, die von geübten Naturforschern erst nur als Gattungen aufgestellt und dann allmählich zum Bang von Unterfamilien und Familien erhoben worden sind, und zwar nicht deshalb, weil durch spätere Forschungen neue wesentliche, zuerst übersehene Unterschiede in ihrer Organisation ausgemittelt worden wären, sondern nur in Folge späterer Entdeckung vieler verwandter Arten mit nur schwach abgestuften Unterschieden.

Alle voranstehenden Regeln, Behelfe und Schwierigkeiten der Klassifikation klären sich, wenn ich mich nicht sehr täusche, durch die Annahme auf, dass das natürliche System auf die Deszendenz mit fortwährender Abänderung sich gründet, dass diejenigen Charaktere, welche nach der Ansicht der Naturforscher eine echte Verwandtschaft zwischen zwei oder mehr Arten dartun, von einem gemeinsamen Ahnen ererbt sind, insofern eben alle echte Klassifikation eine genealogische ist: — dass gemeinsame Abstammung das unsichtbare Band ist, wonach alle Naturforscher unbewusster Weise gesucht haben, nicht aber ein unbekannter Schöpfungsplan, oder der Ausdruck für allgemeine Beziehungen, oder eine angemessene Methode, die Naturgegenstände nach den Graden ihrer Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit miteinander zu verbinden oder von einander zu trennen.

Doch ich muss meine Ansicht ausführlicher auseinandersetzen. Ich glaube, dass die Anordnung der Gruppen in jeder Klasse, ihre gegenseitige Nebenordnung und Unterordnung streng genealogisch sein muss, wenn sie natürlich sein soll, dass aber das Maß der Verschiedenheit zwischen den verschiedenen Gruppen oder Verzweigungen, obschon sie alle in gleicher Blutsverwandtschaft mit ihrem gemeinsamen Erzeuger stehen, sehr ungleich sein kann, indem dieselbe von den verschiedenen Graden erlittener Modifikation abhängig ist; und dies findet seinen Ausdruck darin, dass die Formen in verschiedene Gattungen, Familien, Sektionen und Ordnungen gruppiert werden. Der Leser wird meine Meinung am besten verstehen, wenn er sich nochmals nach dem Schema im vierten Kapitel umsehen will. Nehmen wir an, die Buchstaben A bis L stellen verwandte Genera vor, welche in der silurischen Zeit gelebt haben und selbst von einer noch frühern Form abstammen. Arten von dreien dieser Genera (A, F und I) haben sich in abgeänderten Nachkommen bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt, welche durch die fünfzehn Genera a14 bis z14 der obersten Horizontallinie ausgedrückt sind. Nun sind aber alle diese modifizierten Nachkommen einer einzelnen Art als in gleichem Grade blutsverwandt dargestellt; man könnte sie bildlich als Vettern im gleichen millionsten Grade bezeichnen; und doch sind sie weit und in ungleichem Grade von einander verschieden. Die von A herstammenden Formen, welche nun in 2 -3 Familien geschieden sind, bilden eine andere Ordnung als die von I entsprossenen, die auch in zwei Familien gespalten sind. Auch können die von A abgeleiteten jetzt lebenden Formen eben so wenig in eine Gattung mit ihrem Ahnen A, als die von I herkommenden in eine mit ihrem Erzeuger zusammengestellt werden. Die noch jetzt lebende Gattung F14 dagegen mag man als nur wenig modifiziert betrachten und demnach mit deren Stammgattung F vereinigen, wie es ja in der Tat noch jetzt einige organische Formen gibt, welche zu silurischen Gattungen gehören. So kommt es, dass das Maß oder der Wert der Verschiedenheiten zwischen denjenigen organischen Wesen, die alle in gleichem Grade miteinander blutsverwandt sind, doch so außerordentlich ungleich geworden ist. Demungeachtet aber bleibt ihre genealogische Anordnung vollkommen richtig nicht allein in der jetzigen, sondern auch in allen successiven Perioden der Deszendenz. Alle modifizierten Nachkommen von A haben etwas Gemeinsames von ihrem gemeinsamen Almen geerbt, wie die des I von dem ihrigen, und so wird es sich auch mit jedem untergeordneten Zweige der Nachkommenschaft in jeder der aufeinanderfolgenden Perioden verhalten. Sollten wir indessen annehmen, irgend welche Nachkommen von A oder I seien so bedeutend modifiziert worden, dass sie sämtliche Spuren ihrer Abkunft eingebüsst haben, so werden sie in einer natürlichen Klassifikation ihre Stellen gleichfalls vollständig verloren haben, wie dies bei einigen noch lebenden Formen wirklich der Fall zu sein scheint. Von allen Nachkommen der Gattung F ist der ganzen Deszendenz entlang angenommen worden, dass sie nur wenig modifiziert worden sind und daher gegenwärtig nur ein einzelnes Genus bilden. Aber dieses Genus wird, obschon sehr vereinzelt, doch seine eigene Zwischenstelle einnehmen. Die Darstellung der Gruppen, wie sie hier im Schema in einer ebenen Fläche gegeben wurde, ist viel zu einfach. Die Zweige sollten als nach allen Richtungen divergierend dargestellt sein. Hätte ich die Namen der Gruppen einfach in eine lineäre Reihe schreiben wollen, so würde die Darstellung noch viel weniger natürlich gewesen sein; und es ist anerkanntermaßen unmöglich, in einer Reihe auf einer Fläche die Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Wesen einer und derselben Gruppe darzustellen. So ist nach meiner Ansicht das Natursystem genealogisch in seiner Anordnung, wie ein Stammbaum, aber das Maß der Modifikationen, welche die verschiedenen Gruppen durchlaufen haben, muss durch Einteilung derselben in verschiedene sogenannte Gattungen, Unterfamilien, Familien, Sektionen, Ordnungen und Klassen ausgedrückt werden.

Es wird die Mühe lohnen, diese Ansicht von der Klassifikation durch einen Vergleich mit den Sprachen zu erläutern. Wenn wir einen vollständigen Stammbaum des Menschen besäßen, so würde eine genealogische Anordnung der Menschenrassen die beste Klassifikation aller jetzt auf der ganzen Erde gesprochenen Sprachen abgeben; und sollte man alle erloschenen Sprachen und alle mittleren und langsam abändernden Dialekte mit aufnehmen, so würde diese Anordnung, glaube ich, die einzig mögliche sein. Da könnte nun der Fall eintreten, dass irgend eine sehr alte Sprache nur wenig abgeändert und zur Bildung nur weniger neuen Sprachen geführt hätte, während andere (in Folge der Ausbreitung und spätern Isolierung und der Zivilisationsstufen einiger von gemeinsamem Stamm entsprossener Rassen) sich sehr verändert und die Entstehung vieler neuer Sprachen und Dialekte veranlasst hätten. Die Ungleichheit der Abstufungen in der Verschiedenheit der Sprachen eines Sprachstammes müsste durch Unterordnung von Gruppen unter andere ausgedrückt werden; aber die eigentliche oder selbst allein mögliche Anordnung würde nur genealogisch sein; und dies wäre streng naturgemäss, indem auf diese Weise alle lebenden wie erloschenen Sprachen je nach ihren Verwandtschaften miteinander verkettet und der Ursprung und der Entwicklungsgang einer jeden einzelnen nachgewiesen werden würde.


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