Unfruchtbarkeit durch nahe Inzucht vermehrt und durch Domestikation vermindert


Wenden wir uns jetzt zu den Ergebnissen, welche sich durch die Versuche des dritten der erfahrensten Bastardzüchter, W. HERBERT, herausgestellt haben. Er versichert ebenso ausdrücklich, dass manche Bastarde vollkommen fruchtbar sind, so fruchtbar wie die reinen Stammarten für sich, wie KÖLREUTER und GÄRTNER Einen gewissen Grad von Sterilität bei Kreuzung verschiedener Spezies miteinander für ein allgemeines Naturgesetz erklären. Seine Versuche bezogen sich auf einige von denselben Arten, welche auch zu den Experimenten GÄRTNER's gedient haben. Die Verschiedenheit der Ergebnisse, zu welchen beide gelangt sind, lässt sich, wie ich glaube, zum Teil aus HERBERT's großer Erfahrung in der Blumenzucht und zum Teil davon ableiten, dass er Warmhäuser zu seiner Verfügung hatte. Von seinen vielen wichtigen Ergebnissen will ich hier nur ein einziges beispielsweise hervorheben, dass nämlich »jedes Eichen in einer Samenkapsel von Crinum capense, welches mit Crinum revolutum befruchtet worden war, auch eine Pflanze lieferte, was ich (sagte er) bei natürlicher Befruchtung nie wahrgenommen habe.« Wir haben mithin hier den Fall vollkommener und selbst mehr als gewöhnlich vollkommener Fruchtbarkeit bei der ersten Kreuzung zweier verschiedener Arten.

Dieser Fall von Crinum führt mich zu der Erwähnung einer ganz eigentümlichen Tatsache, dass es nämlich bei gewissen Arten von Lobelia, Verbascum und Passiflora individuelle Pflanzen gibt welche mit dem Pollen einer verschiedenen andern Art, aber nicht mit dem ihrer eigenen befruchtet werden können, trotzdem dieser Pollen durch Befruchtung anderer Pflanzen oder Arten als vollkommen gesund nachgewiesen werden kann. Bei der Gattung Hippeastrum, bei Corydalis, wie Professor HILDEBRAND gezeigt hat, bei verschiedenen Orchideen, wie SCOTT und FRITZ MÜLLER gezeigt haben, finden sich alle Individuen in diesem merkwürdigen Zustande. Es können daher bei einigen Arten gewisse abnorme Individuen und bei anderen Spezies alle Individuen wirklich viel leichter verbastardiert, als durch den Pollen derselben individuellen Pflanze befruchtet werden!

Um ein Beispiel anzuführen: eine Zwiebel von Hippeastrum aulicum brachte vier Blumen; drei davon wurden von HERBERT mit ihrem eigenen Pollen und die vierte hierauf mit dem Pollen einer komplizierten aus drei anderen verschiedenen Arten gezüchteten Bastardform befruchtet; das Resultat war, »dass die Ovarien der drei ersten Blüten bald zu wachsen aufhörten und nach einigen Tagen gänzlich eingingen, während das Ovarium der mit dem Bastardpollen befruchteten Blüte rasch zunahm und reife und gute Samen lieferte, welche kräftig gediehen.« HERBERT wiederholte ähnliche Versuche mehrere Jahre hindurch und immer mit demselben Resultate. Diese Fälle dienen dazu zu zeigen, von was für geringen und geheimnisvollen Ursachen die größere oder geringere Fruchtbarkeit der Arten zuweilen abhängt.

Die praktischen Versuche der Blumenzüchter, wenn auch nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit ausgeführt, verdienen gleichfalls einige Beachtung. Es ist bekannt, in welch' verwickelter Weise die Arten von Pelargonium, Fuchsia, Calceolaria, Petunia, Rhododendron u. a. gekreuzt worden sind, und doch setzen viele dieser Bastarde reichlich Samen an. So versichert HERBERT, dass ein Bastard von Calceolaria integrifolia und C. plantaginea, zwei in ihrem allgemeinen Habitus sehr unähnlichen Arten, »sich selbst so vollkommen aus Samen verjüngte, als ob er einer natürlichen Spezies aus den Bergen Chiles angehört hätte.« Ich habe mir ziemliche Mühe gegeben, den Grad der Fruchtbarkeit bei einigen durch mehrseitige Kreuzung erzielten Rhododendron kennen zu lernen, und die Gewissheit erlangt, dass mehrere derselben vollkommen fruchtbar sind. Herr C. NOBLE z.B. berichtet mir, dass er zur Gewinnung von Propfreisern Stöcke eines Bastardes von Rhododendron ponticum und Bh. catawbiense erzieht, und dass dieser Bastard »so reichlichen Samen liefert, wie man sich nur denken kann«. Nähme bei richtiger Behandlung die Fruchtbarkeit der Bastarde in aufeinderfolgenden Generationen in der Weise ab, wie GÄRTNER versichert, so müsste diese Tatsache unseren Gärtnereibesitzern bekannt sein. Blumenzüchter erziehen große Beete voll der nämlichen Bastarde; und diese allein erfreuen sich einer richtigen Behandlung; denn hier allein können die verschiedenen Individuen einer nämlichen Bastardform durch die Tätigkeit der Insekten sich untereinander kreuzen, und der schädliche Einfluss zu enger Inzucht wird vermieden. Von der Wirkung der Insektentätigkeit kann jeder sich selbst überzeugen, wenn er die Blumen der sterileren Rhododendronbastarde, welche keinen Pollen bilden, untersucht; denn er wird ihre Narben ganz mit Blütenstaub bedeckt finden, der von anderen Blumen hergetragen worden ist.

Was die Tiere betrifft, so sind der genauen Versuche viel weniger mit ihnen veranstaltet worden. Wenn unsere systematischen Anordnungen Vertrauen verdienen, d.h. wenn die Gattungen der Tiere ebenso verschieden von einander sind wie die der Pflanzen, dann können wir behaupten, dass viel weiter auf der Stufenleiter der Natur auseinanderstehende Tiere noch gekreuzt werden können, als es bei den Pflanzen der Fall ist; dagegen sind die Bastarde, wie ich glaube, unfruchtbarer. Man darf jedoch nicht vergessen, dass, da sich nur wenige Tiere in der Gefangenschaft ordentlich fortpflanzen, nur wenig zuverlässige Versuche mit ihnen angestellt worden sind. So hat man z.B. den Canarienvogel mit neun anderen Finkenarten gekreuzt, da sich aber keine dieser neun Arten in der Gefangenschaft gut fortpflanzt, so haben wir kein Recht zu erwarten, dass die ersten Kreuzungen zwischen ihnen und dem Canarienvogel oder ihre Bastarde vollkommen fruchtbar sein sollten. Ebenso, was die Fruchtbarkeit der fruchtbareren Bastarde in aufeinanderfolgenden Generationen betrifft, so kenne ich kaum ein Beispiel, dass zwei Familien gleicher Bastarde gleichzeitig von verschiedenen Eltern erzogen worden wären, so dass die üblen Folgen allzustrenger Inzucht vermieden wurden; im Gegenteil hat man in jeder nachfolgenden Generation, die beständig wiederholten Mahnungen aller Züchter nicht beachtend, gewöhnlich Brüder und Schwestern miteinander gepaart. Und so ist es in diesem Falle durchaus nicht überraschend, dass die einmal vorhandene Sterilität der Bastarde mit jeder Generation zugenommen hat.

Obwohl ich kaum einen völlig wohlbeglaubigten Fall vollkommen fruchtbarer Tierbastarde kenne, so habe ich doch einige Ursache anzunehmen, dass die Bastarde von Cervulus vagmalis und C. Reevesii, und die von Phasianus colchicus und Ph. torquatus vollkommen fruchtbar sind. Mr. QUATREFAGES Gibt an, dass die Bastarde zweier Spinner (Bombyx cynthia und arrindia) sich in Paris als für acht Generationen unter sich fruchtbar herausgestellt hätten. Es ist neuerdings behauptet worden, dass zwei so verschiedene Arten, wie es Hasen und Kaninchen sind, wenn sie zur Begattung gebracht werden können, Nachkommen erzeugen, welche bei Kreuzung mit einer der beiden elterlichen Formen sehr fruchtbar seien. Die Bastarde der gemeinen und der Schwanengans (Anser cygnoides), zweier so verschiedenen Arten, dass man sie allgemein in verschiedene Gattungen zu stellen pflegt, haben hier zu Lande oft Nachkommen mit einer der reinen Stammarten und in einem Falle sogar unter sich geliefert. Dies gelang Herrn EYTON, der zwei Bastarde von gleichen Eltern, aber von verschiedenen Brüten erzog und dann von beiden zusammen nicht weniger als acht Nachkommen (Enkel der reinen Eltern) aus einem Neste erhielt. In Indien dagegen müssen diese durch Kreuzung gewonnenen Gänse weit fruchtbarer sein; denn zwei ausgezeichnet befähigte Beurteiler, nämlich BLYTH und HUTTON, haben mir versichert, dass dort in verschiedenen Landesgegenden ganze Herden dieser Bastardgans gehalten werden; und da diese des Nutzens wegen gehalten werden, wo die reinen Stammarten gar nicht existieren, so müssen sie notwendig in hohem Maße oder vollkommen fruchtbar sein.

Die verschiedenen Rassen unserer domestizierten Tiere sind, wenn sie untereinander gekreuzt werden, völlig fruchtbar; und doch sind sie in vielen Fällen von zwei oder mehr wilden Arten abgestammt. Aus dieser Tatsache müssen wir schließen, entweder dass die ursprünglichen Stammarten gleich anfangs ganz fruchtbare Bastarde geliefert haben, oder dass die im Zustande der Domestikation später erzogenen Bastarde ganz fruchtbar geworden seien. Diese letzte Alternative, welche zuerst von PALLAS Ausgesprochen wurde, erscheint als die bei weitem wahrscheinlichste, und kann allerdings kaum bezweifelt werden. Es ist z.B. beinahe gewiss, dass unsere Hunde von mehreren wilden Arten herrühren: und doch sind, vielleicht mit Ausnahme gewisser in Süd-Amerika gehaltener Haushunde, alle fruchtbar miteinander; aber die Analogie lässt mich sehr bezweifeln, ob die verschiedenen Stammarten derselben sich anfangs leicht miteinander gepaart und sogleich ganz fruchtbare Bastarde geliefert haben sollten. So habe ich ferner vor kurzem entscheidende Beweise dafür erhalten, dass die Bastarde vom Indischen Buckelochsen (dem Zebu) und dem gemeinen Rind unter sich vollkommen fruchtbar sind; und nach den Beobachtungen RÜTIMEYER's über ihre wichtigen osteologischen Verschiedenheiten, sowie nach den Angaben BLYTH's über die Verschiedenheiten beider in Gewohnheiten, Stimme, Konstitution u.s.f. müssen beide Formen als gute und distinkte Arten angesehen werden. Dieselben Bemerkungen können auf die zwei Hauptrassen des Schweines ausgedehnt werden. Wir müssen daher entweder den Glauben an die fast allgemeine Unfruchtbarkeit distinkter Spezies von Tieren bei ihrer Kreuzung aufgeben oder aber die Sterilität nicht als einen unzerstörbaren Charakter, sondern als einen solchen betrachten, welcher durch Domestikation beseitigt werden kann.

Überblicken wir endlich alle über die Kreuzung von Pflanzen- und Tierarten sicher ermittelten Tatsachen, so kann man schließen dass ein gewisser Grad von Unfruchtbarkeit sowohl bei der ersten Kreuzung als bei den daraus entspringenden Bastarden zwar eine äußerst gewöhnliche Erscheinung ist, dass er aber nach dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse nicht als unbedingt allgemein betrachtet werden kann.


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