Einteilung
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I. Was zunächst den ersten und zweiten Teil angeht, so ist, um das Nachfolgende verständlich zu machen, sogleich wieder daran zu erinnern, daß die Idee als das Kunstschöne nicht die Idee als solche ist, wie sie eine metaphysische Logik als das Absolute aufzufassen hat, sondern die Idee, insofern sie zur Wirklichkeit fortgestaltet und mit dieser Wirklichkeit in unmittelbar entsprechende Einheit getreten ist. Denn die Idee als solche ist zwar das an und für sich Wahre selbst, aber das Wahre erst seiner noch nicht objektivierten Allgemeinheit nach; die Idee als das Kunstschöne aber ist die Idee mit der näheren Bestimmung, wesentlich individuelle Wirklichkeit zu sein sowie eine individuelle Gestaltung der Wirklichkeit mit der Bestimmung, in sich wesentlich die Idee erscheinen zu lassen. Hiernach ist schon die Forderung ausgesprochen, daß die Idee und ihre Gestaltung als konkrete Wirklichkeit einander vollendet adäquat gemacht seien. So gefaßt, ist die Idee als ihrem Begriff gemäß gestaltete Wirklichkeit das Ideal. Die Aufgabe solchen Entsprechens nun könnte zunächst ganz formell in dem Sinne verstanden werden, daß die Idee diese oder jene Idee sein dürfte, wenn nur die wirkliche Gestalt, gleichgültig welche, gerade diese bestimmte Idee darstellte. Die geforderte Wahrheit des Ideals ist dann aber mit der bloßen Richtigkeit verwechselt, welche darin besteht, daß irgendeine Bedeutung auf gehörige Weise ausgedrückt und ihr Sinn deshalb in der Gestalt unmittelbar wiederzufinden sei. In diesem Sinne ist das Ideal nicht zu nehmen. Denn irgendein Inhalt kann dem Maßstabe seines Wesens nach ganz adäquat zur Darstellung kommen, ohne auf die Kunstschönheit des Ideals Anspruch machen zu dürfen. Ja, im Vergleich mit idealer Schönheit wird die Darstellung sogar mangelhaft erscheinen. In dieser Beziehung ist im voraus zu bemerken, was erst später erwiesen werden kann, daß die Mangelhaftigkeit des Kunstwerks nicht nur etwa stets als subjektive Ungeschicklichkeit anzusehen ist, sondern daß die Mangelhaftigkeit der Form auch von der Mangelhaftigkeit des Inhalts herrührt. Wie z. B. die Chinesen, Inder, Ägypter bei ihren Kunstgestalten, Götterbildern und Götzen formlos oder von schlechter, unwahrer Bestimmtheit der Form blieben und der wahren Schönheit sich nicht bemächtigen konnten, weil ihre mythologischen Vorstellungen, der Inhalt und Gedanke ihrer Kunstwerke noch in sich unbestimmt oder von schlechter Bestimmtheit, nicht aber der in sich selbst absolute Inhalt waren. Je vortrefflicher in diesem Sinne die Kunstwerke werden, von desto tieferer innerer Wahrheit ist auch ihr Inhalt und Gedanke. Und dabei ist dann nicht nur etwa an die größere oder geringere Geschicklichkeit zu denken, mit welcher die Naturgestalten, wie sie in der äußeren Wirklichkeit vorhanden sind, aufgefaßt und nachgebildet werden. Denn auf gewissen Stufen des Kunstbewußtseins und der Darstellung ist das Verlassen und Verzerren der Naturgebilde nicht unabsichtliche technische Übungslosigkeit und Ungeschicklichkeit, sondern absichtliches Verändern, welches vom Inhalt, der im Bewußtsein ist, ausgeht und von demselben gefordert wird. So gibt es von dieser Seite her unvollkommene Kunst, die in technischer und sonstiger Hinsicht in ihrer bestimmten Sphäre ganz vollendet sein kann, doch dem Begriff der Kunst selbst und dem Ideal gegenüber als mangelhaft erscheint. Nur in der höchsten Kunst ist die Idee und Darstellung in dem Sinne einander wahrhaft entsprechend, daß die Gestalt der Idee in sich selbst die an und für sich wahre Gestalt ist, weil der Inhalt der Idee, welchen sie ausdrückt, selber der wahrhaftige ist. Dazu gehört, wie schon angedeutet worden, daß die Idee in sich und durch sich selbst als konkrete Totalität bestimmt sei und dadurch an sich selbst das Prinzip und Maß ihrer Besonderung und Bestimmtheit der Erscheinung habe. Die christliche Phantasie z. B. wird Gott nur in menschlicher Gestalt und deren geistigem Ausdruck darstellen können, weil Gott selber hier vollständig in sich als Geist gewußt ist. Die Bestimmtheit ist gleichsam die Brücke zur Erscheinung. Wo diese Bestimmtheit nicht Totalität ist, die aus der Idee selbst herfließt, wo die Idee nicht als die sich selbst bestimmende und besondernde vorgestellt ist, bleibt sie abstrakt und hat die Bestimmtheit und somit das Prinzip für die besondere, ihr allein gemäße Erscheinungsweise nicht in sich selbst, sondern außerhalb ihrer. Deshalb hat denn die noch abstrakte Idee auch die Gestalt noch als nicht durch sie gesetzte, äußerliche. Die in sich konkrete Idee dagegen trägt das Prinzip ihrer Erscheinungsweise in sich selbst und ist dadurch ihr eigenes freies Gestalten. So bringt erst die wahrhaft konkrete Idee die wahre Gestalt hervor, und dieses Entsprechen beider ist das Ideal.
II. Weil nun aber die Idee in dieser Weise konkrete Einheit ist, so kann diese Einheit erst durch die Auseinanderbreitung und Wiedervermittlung der Besonderheiten der Idee ins Kunstbewußtsein treten, und durch diese Entwicklung erhält die Kunstschönheit eine Totalität besonderer Stufen und Formen. Nachdem wir also das Kunstschöne an und für sich betrachtet haben, müssen wir sehen, wie das ganze Schöne sich in seine besonderen Bestimmungen zersetzt. Dies gibt, als den zweiten Teil, die Lehre von den Kunstformen. Ihren Ursprung finden diese Formen in der unterschiedenen Art, die Idee als Inhalt zu erfassen, wodurch eine Unterschiedenheit der Gestaltung, in welcher sie erscheint, bedingt ist. Die Kunstformen sind deshalb nichts als die verschiedenen Verhältnisse von Inhalt und Gestalt, Verhältnisse, welche aus der Idee selbst hervorgehen und dadurch den wahren Einteilungsgrund dieser Sphäre geben. Denn die Einteilung muß immer in dem Begriffe liegen, dessen Besonderung und Einteilung sie ist.
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