Einteilung
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Nach den bisherigen Vorausschickungen ist es nun Zeit, an die Betrachtung unseres Gegenstandes selber heranzugehen. Die Einleitung aber, in welcher wir uns noch befinden, kann in dieser Beziehung nichts weiteres leisten, als daß sie eine Übersicht über den gesamten Verlauf unserer nachfolgenden wissenschaftlichen Betrachtungen für die Vorstellung hinzeichnet. Doch da wir von der Kunst als aus der absoluten Idee selber hervorgehend gesprochen, ja als ihren Zweck die sinnliche Darstellung des Absoluten selber angegeben haben, so werden wir bei dieser Übersicht schon so verfahren müssen, daß es sich im allgemeinen wenigstens zeigt, wie die besonderen Teile aus dem Begriffe des Kunstschönen überhaupt als Darstellung des Absoluten ihren Ursprung nehmen. Deshalb müssen wir auch von diesem Begriffe im allgemeinsten eine Vorstellung zu erwecken suchen.
Es ist bereits gesagt, daß der Inhalt der Kunst die Idee, ihre Form die sinnliche bildliche Gestaltung sei. Beide Seiten nun hat die Kunst zu freier versöhnter Totalität zu vermitteln. Die erste Bestimmung, die hierin liegt, ist die Forderung, daß der Inhalt, der zur Kunstdarstellung kommen soll, in sich selbst dieser Darstellung sich fähig zeige. Denn sonst erhalten wir nur eine schlechte Verbindung, indem ein für sich der Bildlichkeit und äußeren Erscheinung ungefügiger Inhalt diese Form annehmen, ein für sich selbst prosaischer Stoff in der seiner Natur entgegengesetzten Form gerade die ihm angemessene Erscheinungsweise finden soll.
Die zweite Forderung, welche aus dieser ersten sich herleitet, erheischt von dem Inhalt der Kunst, daß er kein Abstraktum in sich selber sei, und zwar nicht nur im Sinne des Sinnlichen als des Konkreten, im Gegensatze alles Geistigen und Gedachten als des in sich Einfachen und Abstrakten. Denn alles Wahrhaftige des Geistes sowohl als der Natur ist in sich konkret und hat der Allgemeinheit unerachtet dennoch Subjektivität und Besonderheit in sich. Sagen wir z. B. von Gott, er sei der einfach Eine, das höchste Wesen als solches, so haben wir damit nur eine tote Abstraktion des unvernünftigen Verstandes ausgesprochen. Solch ein Gott, wie er selbst nicht in seiner konkreten Wahrheit gefaßt ist, wird auch für die Kunst, besonders für die bildende, keinen Inhalt abgeben. Die Juden und Türken haben deshalb ihren Gott, der nicht einmal nur solche Verstandesabstraktion ist, nicht durch die Kunst in der positiven Weise darstellen können wie die Christen. Denn im Christentume ist Gott in seiner Wahrheit und deshalb als in sich durchaus konkret, als Person, als Subjekt und in näherer Bestimmtheit als Geist vorgestellt. Was er als Geist ist, expliziert sich für die religiöse Auffassung als Dreiheit der Personen, die für sich zugleich als Eine ist. Hier ist Wesenheit, Allgemeinheit und Besonderung sowie deren versöhnte Einheit, und solche Einheit erst ist das Konkrete. Wie nun ein Inhalt, um überhaupt wahr zu sein, so konkreter Art sein muß, fordert auch die Kunst die gleiche Konkretion, weil das nur abstrakt Allgemeine in sich selbst nicht die Bestimmung hat, zur Besonderung und Erscheinung und zur Einheit mit sich in derselben fortzuschreiten.
Soll nun einem wahrhaften und deshalb konkreten Inhalt eine sinnliche Form und Gestaltung entsprechen, so muß diese drittens gleichfalls ein individuelles in sich vollständig Konkretes und Einzelnes sein. Daß das Konkrete den beiden Seiten der Kunst, dem Inhalte wie der Darstellung, zukommt, ist gerade der Punkt, in welchem beide zusammenfallen und einander entsprechen können, wie die Naturgestalt des menschlichen Körpers z. B. solch ein sinnlich Konkretes ist, das den in sich konkreten Geist darzustellen und ihm sich gemäß zu zeigen vermag. Deshalb ist denn auch die Vorstellung zu entfernen, als ob es eine bloße Zufälligkeit sei, daß für solche wahre Gestalt eine wirkliche Erscheinung der Außenwelt genommen wird. Denn die Kunst ergreift diese Form weder, weil sich dieselbe so vorfindet, noch weil es keine andere gibt, sondern in dem konkreten Inhalte liegt selber das Moment auch äußerer und wirklicher, ja selbst sinnlicher Erscheinung. Dafür ist denn aber dieses sinnlich Konkrete, in welchem ein seinem Wesen nach geistiger Gehalt sich ausprägt, auch wesentlich für das Innere; das Äußerliche der Gestalt, wodurch der Inhalt anschaubar und vorstellbar wird, hat den Zweck, nur für unser Gemüt und Geist dazusein. Aus diesem Grund allein sind Inhalt und Kunstgestalt ineinandergebildet. Das nur sinnlich Konkrete, die äußere Natur als solche, hat diesen Zweck nicht zu ihrem einzigen Ursprung. Das bunte, farbenreiche Gefieder der Vögel glänzt auch ungesehen, ihr Gesang verklingt ungehört; die Fackeldistel, die nur eine Nacht blüht, verwelkt, ohne bewundert zu werden, in den Wildnissen der südlichen Wälder, und diese Wälder, Verschlingungen selber der schönsten und üppigsten Vegetationen, mit den wohlriechendsten, gewürzreichsten Düften, verderben und verfallen ebenso ungenossen. Das Kunstwerk aber ist nicht so unbefangen für sich, sondern es ist wesentlich eine Frage, eine Anrede an die widerklingende Brust, ein Ruf an die Gemüter und Geister.
Obschon die Kunstversinnlichung in dieser Beziehung nicht zufällig ist, so ist sie doch umgekehrt auch nicht die höchste Weise, das geistig Konkrete zu fassen. Die höhere Form, der Darstellung durch das sinnlich Konkrete gegenüber, ist das Denken, das zwar in relativem Sinne abstrakt, aber nicht einseitiges, sondern konkretes Denken sein muß, um wahrhaftig und vernünftig zu sein. Der Unterschied, inwieweit ein bestimmter Inhalt die sinnliche Kunstdarstellung zu seiner gemäßen Form hat oder seiner Natur nach wesentlich eine höhere, geistigere fordert, zeigt sich sogleich z. B. in der Vergleichung der griechischen Götter mit Gott, wie ihn die christliche Vorstellung auffaßt. Der griechische Gott ist nicht abstrakt, sondern individuell und steht der Naturgestalt zunächst; der christliche ist zwar auch konkrete Persönlichkeit, aber als reine Geistigkeit, und soll als Geist und im Geist gewußt werden. Sein Element des Daseins ist dadurch wesentlich das innere Wissen und nicht die äußere Naturgestalt, durch die er nur unvollkommen, nicht aber der ganzen Tiefe seines Begriffs nach, darstellbar sein wird.
Indem nun aber die Kunst die Aufgabe hat, die Idee für die unmittelbare Anschauung in sinnlicher Gestalt und nicht in Form des Denkens und der reinen Geistigkeit überhaupt darzustellen und dieses Darstellen seinen Wert und Würdigkeit in dem Entsprechen und der Einheit beider Seiten der Idee und ihrer Gestalt hat, so wird die Höhe und Vortrefflichkeit der Kunst in der ihrem Begriff gemäßen Realität von dem Grade der Innigkeit und Einigkeit abhängen, zu welcher Idee und Gestalt ineinandergearbeitet erscheinen.
In diesem Punkte der höheren Wahrheit als der Geistigkeit, welche sich die dem Begriff des Geistes gemäße Gestaltung errungen hat, liegt der Einteilungsgrund für die Wissenschaft der Kunst. Denn der Geist, ehe er zum wahren Begriffe seines absoluten Wesens gelangt, hat einen in diesem Begriffe selbst begründeten Verlauf von Stufen durchzugehen, und diesem Verlaufe des Inhalts, den er sich gibt, entspricht ein unmittelbar damit zusammenhängender Verlauf von Gestaltungen der Kunst, in deren Form der Geist als künstlerischer sich das Bewußtsein von sich selber gibt.
Dieser Verlauf innerhalb des Kunstgeistes hat selber wieder seiner eigenen Natur nach zwei Seiten. Erstens nämlich ist diese Entwicklung selbst eine geistige und allgemeine, indem die Stufenfolge bestimmter Weltanschauungen als des bestimmten, aber umfassenden Bewußtseins des Natürlichen, Menschlichen und Göttlichen sich künstlerisch gestaltet; zweitens hat diese innere Kunstentwicklung sich unmittelbare Existenz und sinnliches Dasein zu geben, und die bestimmten Weisen des sinnlichen Kunstdaseins sind selbst eine Totalität notwendiger Unterschiede der Kunst — die besonderen Künste. Die Kunstgestaltung und ihre Unterschiede sind zwar einerseits als geistige allgemeinerer Art und nicht an ein Material gebunden, und das sinnliche Dasein ist selbst mannigfach unterschieden; indem es aber an sich wie der Geist den Begriff zu seiner inneren Seele hat, so erhält dadurch andererseits ein bestimmtes sinnliches Material ein näheres Verhältnis und geheimes Zusammenstimmen mit den geistigen Unterschieden und Formen der Kunstgestaltung.
Vollständig jedoch teilt sich unsere Wissenschaft in drei Hauptglieder.
Erstens erhalten wir einen allgemeinen Teil. Er hat die allgemeine Idee des Kunstschönen als des Ideals sowie das nähere Verhältnis desselben zur Natur auf der einen, zur subjektiven Kunstproduktion auf der anderen Seite zu seinem Inhalt und Gegenstande.
Zweitens entwickelt sich aus dem Begriffe des Kunstschönen ein besonderer Teil, insofern sich die wesentlichen Unterschiede, welche dieser Begriff in sich enthält, zu einem Stufengange besonderer Gestaltungsformen entfalten.
Drittens ergibt sich ein letzter Teil, welcher die Vereinzelung des Kunstschönen zu betrachten hat, indem die Kunst zur sinnlichen Realisation ihrer Gebilde fortschreitet und zu einem System der einzelnen Künste und deren Gattungen und Arten sich abrundet.
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