3. Die Ironie

 

 Insofern nun aber die Ironie ist zur Kunstform gemacht worden, blieb sie nicht dabei stehen, nur das eigene Leben und die besondere Individualität des ironischen Subjekts künstlerisch herauszugestalten, sondern außer dem Kunstwerk der eigenen Handlungen usf. sollte der Künstler auch äußere Kunstwerke als Produkte der Phantasie zustande bringen. Das Prinzip dieser Produktionen, die nur in der Poesie vornehmlich hervorgehen können, ist nun wiederum die Darstellung des Göttlichen als des Ironischen. Das Ironische aber als die geniale Individualität liegt in dem Sichvernichten des Herrlichen, Großen, Vortrefflichen, und so werden auch die objektiven Kunstgestalten nur das Prinzip der sich absoluten Subjektivität darzustellen haben, indem sie, was dem Menschen Wert und Würde hat, als Nichtiges in seinem Sichvernichten zeigen. Darin liegt denn, daß es nicht nur nicht ernst sei mit dem Rechten, Sittlichen, Wahrhaften, sondern daß an dem Hohen und Besten nichts ist, indem es sich in seiner Erscheinung in Individuen, Charakteren, Handlungen selbst widerlegt und vernichtet und so die Ironie über sich selbst ist. Diese Form, abstrakt genommen, streift nahe an das Prinzip des Komischen heran, doch muß das Komische in dieser Verwandtschaft wesentlich von dem Ironischen unterschieden werden. Denn das Komische muß darauf beschränkt sein, daß alles, was sich vernichtet, ein an sich selbst Nichtiges, eine falsche und widersprechende Erscheinung, eine Grille z. B., ein Eigensinn, eine besondere Kaprice gegen eine mächtige Leidenschaft oder auch ein vermeintlich haltbarer Grundsatz und feste Maxime sei. Ganz etwas anderes aber ist es, wenn nun in der Tat Sittliches und Wahrhaftes, ein in sich substantieller Inhalt überhaupt, in einem Individuum und durch dasselbe sich als Nichtiges dartut. Dann ist solch Individuum in seinem Charakter nichtig und verächtlich, und auch die Schwäche und Charakterlosigkeit ist zur Darstellung gebracht. Es kommt deshalb bei diesem Unterschiede des Ironischen und Komischen wesentlich auf den Gehalt dessen an, was zerstört wird. Das aber sind schlechte, untaugliche Subjekte, die nicht bei ihrem festen und gewichtigen Zwecke bleiben können, sondern ihn wieder aufgeben und in sich zerstören lassen. Solche Ironie der Charakterlosigkeit liebt die Ironie. Denn zum wahren Charakter gehört einerseits ein wesentlicher Gehalt der Zwecke, andererseits das Festhalten solchen Zwecks, so daß der Individualität ihr ganzes Dasein verloren wäre, wenn sie davon ablassen und ihn aufgeben müßte. Diese Festigkeit und Substantialität macht den Grundton des Charakters aus. Cato kann nur als Römer und Republikaner leben. Wird nun aber die Ironie zum Grundton der Darstellung genommen, so ist dadurch das Allerunkünstlerischste für das wahre Prinzip des Kunstwerks genommen. Denn teils kommen platte Figuren herein, teils gehalt- und haltungslose, indem das Substantielle sich in ihnen als das Nichtige erweist, teils treten endlich noch jene Sehnsüchtigkeiten und unaufgelösten Widersprüche des Gemüts hinzu. Solche Darstellungen können kein wahrhaftes Interesse erwecken. Deshalb denn auch von seiten der Ironie die steten Klagen über Mangel an tiefem Sinn, Kunstansicht und Genie im Publikum, das diese Höhe der Ironie nicht verstehe; d. h. dem Publikum gefalle diese Gemeinheit und das zum Teil Läppische, zum Teil Charakterlose nicht. Und es ist gut, daß diese gehaltlosen, sehnsüchtigen Naturen nicht gefallen; es ist ein Trost, daß diese Unredlichkeit und Heuchelei nicht zusagt und den Menschen dagegen ebensosehr nach vollen und wahrhaften Interessen verlangt als nach Charakteren, die ihrem gewichtigen Gehalte treu verbleiben.

 Als geschichtliche Bemerkung wäre noch beizufügen, daß vornehmlich Solger und Ludwig Tieck die Ironie als höchstes Prinzip der Kunst aufgenommen haben.

 Von Solger13), wie er es verdient, ausführlich zu sprechen ist hier der Ort nicht, und ich muß mich mit wenigen Andeutungen begnügen. Solger war nicht wie die übrigen mit oberflächlicher philosophischer Bildung zufrieden, sondern sein echt spekulatives innerstes Bedürfnis drängte ihn, in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische Moment der Idee, auf den Punkt, den ich »unendliche absolute Negativität« nenne, auf die Tätigkeit der Idee, sich als das Unendliche und Allgemeine zu negieren zur Endlichkeit und Besonderheit und diese Negation ebensosehr wieder aufzuheben und somit das Allgemeine und Unendliche im Endlichen und Besonderen wiederherzustellen. An dieser Negativität hielt Solger fest, und allerdings ist sie ein Moment in der spekulativen Idee, doch, als diese bloße dialektische Unruhe und Auflösung des Unendlichen wie des Endlichen gefaßt, auch nur ein Moment, nicht aber, wie Solger es will, die ganze Idee. Solgers Leben ist leider zu frühe abgebrochen, als daß er hätte zur konkreten Ausführung der philosophischen Idee kommen können. So ist er bei dieser Seite der Negativität, die mit dem ironischen Auflösen des Bestimmten wie des in sich Substantiellen Verwandtschaft hat und in welcher er auch das Prinzip der Kunsttätigkeit erblickte, stehengeblieben. Doch in der Wirklichkeit seines Lebens war er bei der Festigkeit, dem Ernst und der Tüchtigkeit seines Charakters weder selber in der oben geschilderten Weise ein ironischer Künstler, noch [war] sein tiefer Sinn für wahrhafte Kunstwerke, den das dauernde Studium der Kunst großgezogen hatte, in dieser Beziehung von ironischer Natur. Soviel zur Rechtfertigung Solgers, der es in Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst verdient, von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie unterschieden zu werden.

 Was Ludwig Tieck angeht, so stammt seine Bildung auch aus jener Periode her, deren Mittelpunkt eine Zeit hindurch Jena war. Tieck und andere von diesen vornehmen Leuten tun nun zwar ganz familiär mit solchen Ausdrücken, ohne jedoch zu sagen, was sie bedeuten. So fordert Tieck zwar stets Ironie; doch geht er nun selber an die Beurteilung großer Kunstwerke, so ist seine Anerkennung und Schilderung ihrer Größe freilich vortrefflich; wenn man aber glaubt, hier finde sich die beste Gelegenheit, zu zeigen, was die Ironie in solchem Werke wie z. B. Romeo und Julia sei, so ist man betrogen — von der Ironie kommt nichts mehr vor.

 


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