Körper bedeutet 1) geometrisch: das dreidimensionale Raumgebilde; 2) physikalisch: ein begrenztes Stück Materie (s. d.), einen einheitlichen Komplex von räumlich geordneten Qualitäten (naiver Körperbegriff), von Widerständen, Energien, Kräften (naturwissenschaftlicher Körperbegriff). Ein Wesen ist ein Körper, ist körperlich, hat Körperlichkeit (nur und erst), insofern es durch seine (Widerstands-) Kräfte (s. d.) einen Raumteil erfüllt, setzt. Körperlichkeit bedeutet schon die (dynamische) Beziehung eines Wesens (einer Wesens-Vielheit) auf andere, zuletzt auch auf das erkennende Subjekt, auf dessen Empfindungen und Anschauungsformen. Die Körperlichkeit ist die Objektität (s. d.), die (objektive) Erscheinung »transcendenter Faktoren« (s. d.), die Seinsweise der Dinge vom Standpunkte der äußeren Erfahrung (s. d.), der begrifflichen Betrachtungsweise der Naturwissenschaft. Die Undurchdringlichkeit (s. d.) ist das Constituens der Körper als Körper. Die letzten Teile, in die sich die Körper denkend zerfällen lassen, heißen Atome (s. d.). Der Körper wird dem Geiste (s. d.) gegenübergestellt, von der Seele wird er als Leib (s. d.) unterschieden.
Der Körperbegriff ist, historisch, teils ein mechanistischer, teils ein dynamischer oder ein energetischer. Dem Realismus (s. d.) gelten die Körper als Dinge an sich oder als Erscheinungen von solchen, dem Idealismus als bloße Vorstellungs- (Empfindungs-) Komplexe, gesetzmäßige Zusammenhänge (vgl. Ding, Objekt). Der Materialismus (s. d.) hält alles Wirkliche für körperlich. Über die Elemente (s. d.) und Qualitäten (s. d.) der Körper bei den älteren griechischen Philosophen u.s.w. vgl. die betreffenden Termini. - ARISTOTELES definiert: sôma men gar esti to pantê echon diastasin (Phys. III 5, 204 b 20); sôma de to pantê diaireton (De coel. I 1, 268a 7). Die Körper (physika sômata) sind Substanzen (Met. VII 2, 1028 b 10). Alle Naturwesen sind Körper, haben solche oder sind archai von solchen, die Körper haben (De coel. I, 1). Nach den Stoikern ist alles Wirkende körperlich (pan gar to poioun sôma esti, Diog. L. VII 1, 56). Körper ist das Dreidimensionale (to trichê diastaton, l.c. 135). Es gibt nur Körper und das Leere (so schon DEMOKRIT): »Zeno - nullo modo arbitrabatur quidquam effici posse ab ea (natura), quae expers esset corporis« (CICERO, Acad. I, 39). Auch die Seele (s. d.) ist ein Körper (vgl. SENECA, EP. 106, 3). Nach EPIKUR ist der Körper to trichê diastaton meta antitypias (Widerstandskraft) (Sext. Empir. adv. Math. I, 21). Alles ist körperlich: to pan esti sôma; die Körper bestehen aus Atomen, als synkriseis solcher (Diog. L. X, 39 f.). Die Existenz der Körper wird uns durch die Wahrnehmung gewährleistet (l.c. X, 39). Nach PLOTIN sind die Körper Erscheinungen, Emanationen (s. d.) intelligibler, nicht sinnlicher Wesenheiten.
Nach GREGOR VON NYSSA bestehen die Körper aus Nicht-Sinnlichem: ouden eph' heautou tôn peri to sôma theôroumenôn sôma estin, ou schêma, ou chrôma, ou baros, ou diastêma, ou pêlikotês, ouk allo ti tôn en poiotêti theôroumenôn ouden, alla toutôn hekaston logos estin (De an. et resurr. p. 240). Nach JOH. SCOTUS ERIUGENA sind die Körper aus »Form« und »Materie«, aus Unkörperlichem, Intelligiblem zusammengesetzt (De divis. nat. I, 44; I, 50 I, 54; I, 59; I, 62). Der Körper besteht im Zusammensein seiner Akzidenzen (l.c. I, 62; vgl. I, 60, 61). »Ex... qualitatibus copulatis corpora sensibilia conficiuntur« (l.c. III, 32). - Die Scholastiker erblicken das Wesen des Körpers, die Körperlichkeit (»corporeïtas«) in der »forma substantialis corporis« und in der »forma accidentalis«, d.h. der Dreidimensionalität (THOMAS, Contr. gent. IV, 81). - Nach GOCLEN ist der Körper »subiectum triplicis dimensionis«. Es gibt: »corpus sensibile« (physicum, artificiosum) und »corpus intelligibile« (mathematicum, metaphysicum). »In politicis corpus interdum pro persona accipitur« (Lex. philos. p. 481).
HOBBES unterscheidet natürliche und künstliche Körper; zu den letzteren gehört der Staat (»corpus politicum«). Ein natürlicher Körper ist »quicquid non dependens a nostra cogitatione cum spatii parte coincidit vel coëxtenditur« (De corp. C. 8, 1). Zwei Accidentien eignen den Körpern, »magnitudo, motus« (Leviath. I, 9). DESCARTES definiert den Körper mathematisch-quantitativ als erfüllten Raum (Princ. philos. I, 11). »Quod agentes, percipiemus naturam materiae sive corporis in universum spectati, non consistere in eo, quod sit res dura, vel ponderosa, vel colorata, vel aliquo modo sensus efficiens; sed tantum in eo, quod sit res extensa in longum, latum et profundum« (l.c. I, 4). »Substantia, quae est subiectum immediatum extensionis localis et accidentium, quae extensionem praesupponunt..., vocatur corpus« (Append. ad Medit. rationes, def. VII). Der Körper ist eine Art der Substanzen (s. d.). Nicht die Sinne erkennen den Körper als solchen, sondern das Denken, das Urteil (»sola mente«, »sola iudicandi facultate«, »solo intellectu«) (Medit. II). Die Quantität ist dasjenige, was der Geist klar und deutlich an den Körpern erkennt; daher muß sie das den Körper Konstituierende sein (Medit. V). Die Körper sind vom Geist klar und deutlich unterschieden; Gott kann nicht täuschen (s. Wahrhaftigkeit); wir haben den Hang (propensionem) zum Glauben an die Existenz von Körpern; also muß es welche geben (Medit. VI). Aber sie existieren an sich nur so, wie sie das mathematische Erkennen bestimmt (ib.). Körper und Geist sind fundamental verschieden, vor allem in Bezug auf die Teilbarkeit (ib.). Die Körper haben keine inneren Kräfte (s. d.), sie werden von außen bewegt. SPINOZA definiert: »Per corpus intelligimus quamcumque quantitatem, longam, latum et profundam, certa aliqua figura terminatam« (Eth. I, prop. XV, schol.). »Corpora res singulares sunt, quae ratione motus et quietis ab invicem distinguuntur« (l.c. II, lem. III, dem.). Die Körper sind »modi extensionis«, Modifikationen der unendlichen Ausdehnung, die eines der Attribute (s. d.) der göttlichen Substanz ist: »Per corpus intelligo modum, qui Dei essentiam, quatenus ut res extensa consideratur, certo et determinato modo exprimit« (l.c. II, def. I; vgl. III, prop. II, schol.). Nach LOCKE ist ein Körper eine dichte (solide), ausgedehnte, gestaltete Substanz (Ess. III, ch. 10, § 15).
Einen dynamischen und zugleich phänomenalistischen Körperbegriff hat LEIBNIZ. Die Körper sind Aggregate von einfachen Substanzen, Monaden (s. d.). Der Körper selbst ist keine Substanz, sondern ein »substantiatum«, ein »semiens«, »phaenomenon bene fundatum« (objektives Phänomen) (Erdm. p. 269, 440, 445, 693, 719). Die Sinnesqualitäten sind nur Erscheinungen, das Wirkliche an den Körpern ist die Kraft (s. d.) zu wirken und zu leiden (l.c. p. 445). Die »antitypia« (s. d.) constituiert die Körper. CHR. WOLF erklärt: »Corpora sunt substantiarum simplicium aggregata« (Cosmol. § 176). Nach CRUSIUS ist ein Körper »eine ausgedehnte Substanz, welche aus trennbaren materialen Teilen zusammengesetzt ist« (Vernunftwahrh. § 368). Nach FEDER sind die Körper »Phaenomena«, zwar außer unserem Kopf vorhanden, aber uns nur nach einem sehr vermengten Scheine bekannt, der uns die Grundbeschaffenheiten verbirgt (»phaenomena substantiata«) (Log. u. Met. S. 309). Die Bewegung der Körper ist gleichfalls ein Phänomen (l.c. S. 309 f.).
Einen idealistisch - positivistischen Körperbegriff prägt BERKELEY. Wir brauchen keine Körper außer unserem Geiste anzunehmen, weil wir auch ohne solche unsere Objektvorstellungen haben können (Princ. XVIII). Körper außer uns wären durchaus nutzlos (l.c. XIX). Es kann nichts sein, was nicht percipiert wird. Die »Körper« sind in Wahrheit nichts als assoziativ verknüpfte, gesetzmäßig (durch Gott) verbundene Vorstellungen (vgl. Objekt). Nach HUME ist der Körperbegriff nichts als eine vom Geiste geschaffene Verbindung (»collection formed by the mind«) von Vorstellungen sinnlicher Qualitäten, die in constanter Weise ein Objekt zusammensetzen (Treat. IV, sct. 3). Nach CONDILLAC ist ein Körper für uns »une collection de qualités que vous touchez, voyez etc., quand l'objet est présent; quand l'objet est absent, c'est le souvenir des qualités que vous avez touchées, vues etc.« (Trait. d. sens., Extr. rais. p. 50).
KANT verbindet den dynamischen mit dem phänomenalistischen Körperbegriff. Ein Körper ist, physisch, »eine Materie zwischen bestimmten Grenzen« (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 85). Zweifellos existieren Körper »als Erscheinungen des äußeren Sinnes außer meinen Gedanken« (Prolegom. § 49). D.h. empirisch, im Raum (s. d.) haben die Körper objektive Realität. Aber sie sind, als Körper, nicht Dinge an sich (s. d.), sondern nur »Erscheinungen äußerer Sinne« (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 9), kategorial verarbeitete Erfahrungsinhalte. Als solche lassen sie sich auf Kräfte (s. d.) zurückführen.
Nach DESTUTT DE TRACY sind die Körper »ces êtres auxquels nous attribuons d'être la cause de nos sensations« (Elem. d'idéolog. I, ch. 7, p. 115). Nach ROSMINI-SERBATI ist ein Körper »una sostanza fornita di estensione, che produce in noi un sentimento piacevole o doloroso« (Nuovo saggio II, p. 366). CZOLBE betont: »Die aus Atomen zusammengefügten Körper sind allerdings objektiv nicht, wie sie uns subjektiv als Sinneswahrnehmungen, d.h. als aus Empfindungen zusammengesetzte Bilder erscheinen; aber wir erkennen ihre wirkliche Beschaffenheit durch hypothetische Schlüsse aus diesen Wahrnehmungen, wir erkennen sie als vielfach bewegte Atomcomplexe« (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 107). Nach R. HAMERLING bestehen die Körper aus verschieden verdichtetem Äther (Atomist. d. Will. II, 86).
Als Erscheinung faßt die Körper SCHOPENHAUER auf. Körper ist eine »geformte und spezifisch bestimmte Materie« (Parerg. II, § 75). Die raum-zeitlichen Bestimmungen der Körper sind rein Subjektiv, betreffen nicht das Ding an sich, welches Wille (s. d.) ist. Kraft und Materie machen den empirisch realen Körper aus (ib.). Nach HERBART ist jeder Körper all sich ein »Aggregat einfacher Wesen«, ein Zusammen von »Realen« (s. d.) (Psychol. als Wiss. II, § 153; Met.). Nach LOTZE liegen den Körpern einfache geistige Wesen zugrunde. Die Körper als solche sind »Komplexe von sinnlichen Eigenschaften, die sich in bestimmten Raumvolumen zeigen und ihren Ort im Raume wechseln« (Gr. d. Met. S. 69). Als objektive Erscheinungen von an sich geistigen Kräften betrachten die Körper FECHNER, E. V. HARTMANN, WUNDT, L. BUSSE, RENOUVIER u. a. - Nach OSTWALD sind die Körper Energienkomplexe. Idealistisch erklärt K. LASSWITZ, ein Körper sei »nichts anderes als eine gesetzliche Bestimmung, daß sich gewisse Veränderungen im Raume vollziehen müssen, die wir als Wechselwirkung mit andern Körpern bezeichnen« (Wirklichk. S. 95). Nach SCHUPPE sind die Körper »Objekte des Denkens und sind sonst nichts«, Komplexe von Bewußtseinsinhalten (Log. S. 139). Nach P. RÉE sind die Körper »draußen localisierte Tast- und Farbenempfindungen« (Philos. S. 108). Nach CLIFFORD sind die Körper Komplexe von Empfindungen (s. d.) bezw. von »mind stuff« (s. d.). Nach E. MACH sind die Körper »Komplexe von Empindungen«, »Gedankensymbole für Elementenkomplexe (Empfindungskomplexe)«. Nicht die Körper erzeugen Empfindungen, sondern Empfindungskomplexe bilden die Körper (Analys. d. Empfind.4, S. 2 ff., S. 23). Der Körper »besteht in der Erfüllung gewisser Gleichungen, welche zwischen den sinnlichen Elementen statthaben« (Princ. d. Wärmel. S. 423). Ähnlich H. CORNELIUS (Einleit. in d. Philos. S. 259 ff.). Auch R. AVENARIUS ist hier anzuführen. Nach M. VERWORN zeigen die Tatsachen, »daß das, was uns als Körperwelt erscheint, in Wirklichkeit unsere eigene Empfindung oder Vorstellung, unsere eigene Psyche ist« (Allgem. Physiol.2, S. 37). Vgl. Ding, Objekt, Materie, Idealismus, Qualitäten, Seele.