Gefühl. Zustand, in welchem das Ich seiner selbst unmittelbar bewußt wird

Das Gefühl wird ferner als eigenartiger, subjektiver Zustand, in welchem das Ich seiner selbst unmittelbar bewußt wird, bestimmt. TETENS unterscheidet das Gefühl von der Sinnesempfindung. »Das Vermögen zu fühlen« = »Gefühl« (Phil. Vers. I, 169). Gefühl ist etwas, »wovon ich weiter nichts weiß, als daß es eine Veränderung in mir selbst sei, und es nicht... auf äußere Gegenstände beziehe« (S. 215). Das Gefühl gehört zu den einfachen Zuständen der Seele (l.c. S. 166) Auch MENDELSSOHN (Briefe üb. d. Empfind.) und SULZER (Verm. ph. Sch. I, 227) trennen Gefühls- (Empfindungs-) und Vorstellungsvermögen. PLATNER definiert Gefühl als »Bewußtwerden des eigenen gegenwärtigen Zustandes« (N. Anthr. S. 245). KANT betont ausdrücklich, das Gefühl sei ein vom Erkennen verschiedener eigener Bewußtseinszustand. »Dasjenige Objektive aber an jeder Vorstellung, was gar keine Erkenntnis werden kann, ist die mit ihr verbundene Lust oder Unlust, denn durch sie erkenne ich nichts an dem Gegenstande der Vorstellung, obgleich sie wohl die Wirkung einer Erkenntnis sein kann« (Kr. d. Urt. Einl. VII). Gefühl ist »das, was Jederzeit bloß subjektiv bleiben muß« (I, § 3). Das Gefühl geht auf die »Beförderung oder Hemmung der Lebenskräfte« (S. 137). »Vergnügen ist das Gefühl der Beförderung; Schmerz das eines Hindernis des Lebens« (Anthr. II, § 58). Nach CHR. E. SCHMID kann das Gefühl, »ohne für sich selbst eine Vorstellung zu sein, doch ein Merkmal einer Vorstellung von seinem eigenen Zustande abgeben« (Emp. Ps. S. 263). Nach G. E. SCHULZE wird das Fühlen »als unmittelbare Erkenntnis des Daseins gewisser Dinge« dem Vorstellen entgegengesetzt (Ps. Anthr.2, § 171). »Alle Gefühle sind insofern Selbstgefühle, als sie sich immer bloß auf das fühlende Subjekt und dessen eigenen Lebenszustand beziehen« (§ 172). Zu unterscheiden sind Lust, Unlust, gemischte, dunkle Gefühle (§ 177). Nach BOUTERWEK ist das Gefühl der »Zustand unsrer selbst, der aller Wahrnehmung... zum Grunde liegt« (Ästh. I, 27). Es gibt »physische« und »geistige« Gefühle (l.c. S. 30). Über sinnliche Gefühle handelt BIUNDE (Empir. Psychol. II, § 200 ff.). Nach J. H. ABICHT ist das Gefühl eine »eigene Gattung der Modifikation des Bewußtseins« (Met. d. Vergn. S. 50). FICHTE definiert das Gefühl als die »bloß unmittelbare Beziehung des Objektiven im Ich auf das subjektive desselben, des Seins desselben auf sein Bewußtsein« (Syst. d. Sitt. S. 44). »Das Gefühl ist lediglich Subjektiv« (Gr. d. g. W. S. 280). DESTUTT DE TRACY: »Dans nos sensations internes il faut comprendre toutes les impressions ou manière d'être que l'on appelle communément sentimens ou affections de l'âme« (El. d'idéol. III, ch. 3, p. 204). SCHLEIERMACHER bestimmt das Gefühl als das »unmittelbare Selbstbewußtsein« (D. christl. Glauben I, § 8), als die »relative Identität des Denkens und Wollens« (Dial. S. 151). Nach FRIES ist Gefühl »die unmittelbare Tätigkeit der Urteilskraft« (N. Krit. I, 407; Syst. d. Log. S. 353). Nach HEGEL ist das Gefühl das »dumpfe Weben« des Geistes, »in sich, worin er sich stoffartig ist und den ganzen Stoff seines Wissens hat« (Encykl. § 446; Phän. S. 308), es ist die »Diremtion des Lebendigen in sich« (Log. III, 2, 57). Nach K. ROSENKRANZ ist das Fühlen »der unmittelbare Geist« (Psychol.3, S. 331). Lust und Unlust gehören zum »praktischen« Gefühl (l.c. S. 418). Lust ist das Selbstgefühl, das durch Befriedigung des Bedürfnisses entsteht (l.c. S. 421). HILLEBRAND erklärt das Gefühl als »die bewußte Unmittelbarkeit des Subjektiv- individuellen Bestimmtseins«. Es bezeichnet den »psychischen Selbstzustand« (Phil. d. Geist. I, 188 ff.). Es gibt Erkenntnis-, Willens-, Bildungsgefühle (l.c. S. 190), leiblich und geistig bestimmte Gefühle, Actual- und Existentialgefühle, Personalgefühle (l.c. S. 191 f.). CHR. KRAUSE erklärt: »Gefühl ist Innesein der Wechselwirkungen des Wesentlichen mit dem Ich, und zwar in Beziehung zu dem Ich« (Log. S. 50). BENEKE sieht im Gefühl eine besondere Form des Bewußtseins, keinen selbständigen Akt (Pragm. Ps. I, S. 70). Es ist »das unmittelbare Bewußtsein, welches uns in Jedem Augenblicke unseres wachen Lebens von der Beschaffenheit unserer Tätigkeiten und Zustände innewohnt« (Lehrb. d. Psych. § 235; Log. I, 290 f.). Nach KIRCHMANN sind die Gefühle »Zustände der Seele, welche den Gegenstand der Selbstwahrnehmung bilden«, sie bilden die »seienden Zustände der Seele«, sie »spiegeln kein anderes, sie wollen nur sie selbst sein« (Kat. d. Ph. S. 23 f.). K. LASSWITZ bestimmt das Gefühl als »die Eigentümlichkeit am Bewußtseinsinhalt, wodurch er als einem bestimmten Individuum zugehörig, als ein Zustand des Ich erlebt wird« (Wirkl. S. 140), RITSCHL bemerkt: »Das Gefühl ist nun einmal die geistige Funktion, in welcher das Ich bei sich selbst ist« (Christl. Lehre III, 142). Nach RIEHL ist das Gefühl »die Rückwirkung der Tätigkeit des Bewußtseins auf dieses selbst« (Ph. Krit. II, l, S.:39). KÜLPE erblickt im Gefühl einen selbständigen Bewußtseinsvorgang, die »Reaktionsweise der Apperzeption auf die Empfindungen« (Gr. d. Ps. S. 236, 282). Nach REHMKE ist das Gefühl ein ursprünglicher Zustand des Bewußtseins (Allg. Psych. S. 149, 295 ff., 305, 314). Das Gefühl ist etwas Allgemeines, Abstraktes, nur »als Bestimmtheit eines Individuums Gegebens«, ein Zustand von Lust oder Unlust (Zur Lehre v. Gem. S. 5 ff.). Es gibt keinen an ein Besonderes gebundenen »Gefühlston« (l.c. S. 21; das Gefühl ist vom Gesamtinhalt des gegenständlichen Bewußtseins bestimmt, Allg. Psychol. S. 301; auch G. VILLA, Einl. in d. Psychol. S. 275), keine »gemischten« Gefühle (Lehre vom Gem. S. 28 f.), nur einen raschen Wechsel von Lust und Unlust (S. 36). Gefühlswert ist der »Anteil, welchen jedes Gegenständliche des Bewußtseinsaugenblicks an dieser ›besondern‹ Bedingung des einen Gefühls hat« (S. 40). Nach H. SCHWARZ erleben wir in den Gefühlen nur sie, nichts außerdem, das Gefühl ist ein reines Zustandsbewußtsein (Psychol. d. Will. S. 36). Es gibt viele Qualitäten des Gefühls (l.c. S. 134). Nach HUSSERL gibt es intentionale (s. d.) und nichtintentionale Gefühle (Log. Unters. II, 369 ff.). Nach H. CORNELIUS sind die Gefühle »Gestaltqualitäten« (s. d.), abhängig vom jeweiligen Gesamtbewußtseinsinhalt (Psychol. S. 74 ff.). Lust und Unlust sind Eigenschaften unserer Erlebnisse, nicht Teilinhalte des Bewußtseins (l.c. S. 362 f.). Teilinhalte als Bedingungen einer bestimmten Gefühlsbetonung sind »Gefühlsmomente« (l.c. S. 366 ff.).

Nach HORWICZ ist das Gefühl die psychische Elementarsfunktion, aus deren Komplikationen und Steigerung das übrige Bewußtsein hervorgeht (Ps. Anal. III 2, l, 3, 25, 28, 59). Auch TH. ZIEGLER betrachtet das Gefühl als einen primären, allem Bewußtsein zugrundeliegenden Zustand. Lust ist die psychische Seite »des Lebens, d.h. der Betätigung des Vermögens, jedem als neu, als Kontrast auftretenden Reiz, gegenüber durch Gewöhnung und Assimilation sich selbst zu behaupten«, Unlust entspricht dem Mangel an solcher Betätigung (S. 106). Gefühl ist also das psychische Zeichen für den Selbstbehauptungsakt des Menschen (ib.). Auch BARATT (Physical Ethies 1869) sieht im Gefühl die primäre psychische Tätigkeit. SCHUBERT-SOLDERN unterscheidet Schmerz- und Lustempfindungen und -Gefühle; erstere gehören zum Leibe, letztere zur Seele (Gr. e. Erk. S. 341).


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