Stellung und Gruppierung auf der Bühne
§ 82
Die Bühne und der Saal, die Schauspieler und die Zuschauer machen erst ein Ganzes.
§ 83
Das Theater ist als ein figurloses Tableau anzusehen, worin der Schauspieler die Staffage macht.
§ 84
Man spiele daher niemals zu nahe an den Kulissen.
§ 85
Ebensowenig trete man ins Proszenium. Dies ist der größte Mißstand; denn die Figur tritt aus dem Raume heraus, innerhalb dessen sie mit dem Szenengemälde und den Mitspielenden ein Ganzes macht.
§ 86
Wer allein auf dem Theater steht, bedenke, daß auch er die Bühne zu staffieren berufen ist, und dieses um so mehr, als die Aufmerksamkeit ganz allein auf ihn gerichtet bleibt.
§ 87
Wie die Auguren mit ihrem Stab den Himmel in verschiedene Felder teilten, so kann der Schauspieler in seinen Gedanken das Theater in verschiedene Räume teilen, welche man zum Versuch auf dem Papier durch rhombische Flächen vorstellen kann. Der Theaterboden wird alsdann eine Art von Damenbrett; denn der Schauspieler kann sich vornehmen, welche Casen er betreten will; er kann sich solche auf dem Papier notieren und ist alsdann gewiß, daß er bei leidenschaftlichen Stellen nicht kunstlos hin und wider stürmt, sondern das Schöne zum Bedeutenden gesellet.
§ 88
Wer zu einem Monolog aus der hintern Kulisse auf das Theater tritt, tut wohl, wenn er sich in der Diagonale bewegt, so daß er an der entgegengesetzten Seite des Proszeniums anlangt; wie denn überhaupt die Diagonalbewegungen sehr reizend sind.
§ 89
Wer aus der letzten Kulisse hervorkommt zu einem andern, der schon auf dem Theater steht, gehe nicht parallel mit den Kulissen hervor, sondern ein wenig gegen den Souffleur zu.
§ 90
Alle diese technisch-grammatischen Vorschriften mache man sich eigen nach ihrem Sinne und übe sie stets aus, daß sie zur Gewohnheit werden. Das Steife muß verschwinden und die Regel nur die geheime Grundlinie des lebendigen Handelns werden.
§ 91
Hiebei versteht sich von selbst, daß diese Regeln vorzüglich alsdann beobachtet werden, wenn man edle, würdige Charaktere vorzustellen hat. Dagegen gibt es Charaktere, die dieser Würde entgegengesetzt sind, z.B. die bäurischen, tölpischen etc. Diese wird man nur desto besser ausdrücken, wenn man mit Kunst und Bewußtsein das Gegenteil vom Anständigen tut, jedoch dabei immer bedenkt, daß es eine nachahmende Erscheinung und keine platte Wirklichkeit sein soll.