Unternommene Schriften


Schon als Winckelmann zuerst in Dresden der Kunst und den Künstlern sich näherte und in diesem Fach als Anfänger erschien, war er als Literator ein gemachter Mann. Er übersah die Vorzeit sowie die Wissenschaften in manchem Sinne. Er fühlte und kannte das Altertum sowie das Würdige der Gegenwart, des Lebens und des Charakters, selbst in seinem tiefgedrückten Zustande. Er hatte sich einen Stil gebildet. In der neuen Schule, die er betrat, horchte er nicht nur als ein gelehriger, sondern als ein gelehrter Jünger seinen Meistern zu, er horchte ihnen ihre bestimmten Kenntnisse leicht ab und fing sogleich an, alles zu nutzen und zu verbrauchen.

Auf einem höhern Schauplatze als zu Dresden, in einem höhern Sinne, der sich ihm geöffnet hatte, blieb er derselbige. Was er von Mengs vernahm, was die Umgebung ihm zurief, bewahrte er nicht etwa lange bei sich, ließ den frischen Most nicht etwa gären und klar werden, sondern, wie man sagt, daß man durch Lehren lerne, so lernte er im Entwerfen und Schreiben. Wie manchen Titel hat er uns hinterlassen, wie manche Gegenstände benannt, über die ein Werk erfolgen sollte, und diesem Anfang glich seine ganze antiquarische Laufbahn. Wir finden ihn immer in Tätigkeit, mit dem Augenblick beschäftigt, ihn dergestalt ergreifend und festhaltend, als wenn der Augenblick vollständig und befriedigend sein könnte, und ebenso ließ er sich wieder vom nächsten Augenblicke belehren. Diese Ansicht dient zu Würdigung seiner Werke.

Daß sie so, wie sie daliegen, erst als Manuskript auf das Papier gekommen und sodann später im Druck für die Folgezeit fixiert worden, hing von unendlich mannigfaltigen kleinen Umständen ab. Nur einen Monat später, so hätten wir ein anderes Werk, richtiger an Gehalt, bestimmter in der Form, vielleicht etwas ganz anderes. Und eben darum bedauern wir höchlich seinen frühzeitigen Tod, weil er sich immer wieder umgeschrieben und immer sein ferneres und neustes Leben in seine Schriften eingearbeitet hätte.

Und so ist alles, was er uns hinterlassen, als ein Lebendiges für die Lebendigen, nicht für die im Buchstaben Toten geschrieben. Seine Werke, verbunden mit seinen Briefen, sind eine Lebensdarstellung, sind ein Leben selbst. Sie sehen, wie das Leben der meisten Menschen, nur einer Vorbereitung, nicht einem Werke gleich. Sie veranlassen zu Hoffnungen, zu Wünschen, zu Ahndungen; wie man daran bessern will, so sieht man, daß man sich selbst zu bessern hätte; wie man sie tadeln will, so sieht man, daß man demselbigen Tadel, vielleicht auf einer höhern Stufe der Erkenntnis, selbst ausgesetzt sein möchte: denn Beschränkung ist überall unser Los.


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