Glück (Glückseligkeit) ist (Subjektiv) der Zustand der Willensbefriedigung, der dem Grundwillen der Persönlichkeit angemessene Lebenszustand. Objektiv bedeutet »Glück« so viel wie Geschick, gutes Schicksal, günstige Außenbedingungen des Handelns. Je nach der Art des Grundwillens der Menschen ist deren Begriff von Glück ein verschiedener. Bald wird das Glück in den Besitz und Genuß von äußeren Glücksgütern (Reichtum u.s.w.), bald in die geistige Vervollkommnung, bald in die Maximisation der Lust, bald in die Minimisation der Unlust, in die Bedürfnislosigkeit, bald in die Sittlichkeit (Tugend), bald sogar in das Leiden für das Ideal, in das Martyrium, in die Askese u. dgl. gesetzt. Die Erhebung der Glückseligkeit zum ethischen Hauptprinzip heißt Eudämonismus (s. d.). Nach THALES ist glücklich der leiblich und geistig Tüchtige (ho to men sôma hygiês, tên de tychên euporos, tên de psychên eupaideutos (Diog. L. I 1, 37). DEMOKRIT setzt die Glückseligkeit in den Seelenfrieden, in die ruhige Heiterkeit des Gemütes (euthymia, euestô). 'Eudaimoniê ouk en boskêmasin oikeei, oude en chrysô. psychê oikêtêrion daimonos. tên d' eudaimonian kai euthymian kai euesta kai harmonian symmetrian te kai ataraxian kalei. synistasthai d' autên ek tou diorismou kai tês diariseôs tôn hêdonôn (Stob. Ecl. II 6, 76); ariston anthrôpô ton bion diagein hôs pleista euthymêthenti kai elachista aniêthenti (Stob., Floril. V, 24). Nach KALLIKLES besteht das Glück in der Befriedigung der Begierden (Plat., Gorg. 483 E, 491 E). Noch mehr als SOKRATES (Xenoph., Memorab. I, 6, 10) legen die Cyniker Wert auf die Bedürfnislosigkeit (s. d.). Die Kyrenaiker setzen die Glückseligkeit in die Lust. ARISTIPP erklärt die Glückseligkeit als Summe von Lustzuständen eudaimonian de to ek tôn merikôn hêdonôn systêma, hais synarithmountai kai hai parôchêkyiai kai hai mellousai Diog. L. II 8, 87). THEODORUS setzt das Glück in die Freude chara l.c. II 8, 9S). HEGELAS leugnet die Möglichkeit des Glückes, ist Pessimist (tên eudaimonian holôs adynaton einai. to men gar sôma pollôn anapeplêsthai pathêmatôn, tên de psychên sympathein tô sômati kai tarattesthai, tên de tychên polla tôn kat' elpida kôlyein, Diog. L., II S, 94). Höchstes Gut ist daher nur to mê epiponôs zên mêde lyperôs das leidlose Leben. Nach PLATO besteht die Glückseligkeit im Besitz des Guten, Schönen (eudaimonas - tous tagatha kai kala kektêmenous Sympos. 202 C; vgl. 240 E; Gorg. 508 B, 470 D). Der Staat fördert die Glückseligkeit aller (Republ. IV, 420 B). Höchste Glückseligkeit liegt in der Verähnlichung mit Gott. SPEUSIPPUS bestimmt die Glückseligkeit als hexis teleia en tois kata phosin echousin (Clem. Alex., Strom. II, 418d). Nach XENOKRATES besteht die Glückseligkeit im Besitze der uns gemäßen Tugend (oikeias aretês, Clem. Alex., Strom. II, 419a). ARISTOTELES erklärt, das Ziel alles Handelns sei die eudaimonia. Diese liegt im vernünftigen Verhalten, im vernunftgemäßen, tugendhaften Leben (hê eudaimonia psychês energeia tis kat' aretên teleian, Eth. Nic. I 13, 1102 a 5). Im reinen Erkennen besteht die höchste Glückseligkeit (l.c. X, 7); daher ist Gott der Seligste (l.c. X S, 1178b 21). Lust ist der Glückseligkeit beigemischt (dei hêdonên paramemichthai tê eudaimonia, l.c. X 7, 1177a 23), sie vollendet die naturgemäße Seelentätigkeit (teleioi de tên energeian hê hêdonê ouch hôs hê hexis enyparchousa, all' hôs epigignomenon ti telos, L G. X, 4). An die höchste Tugend knüpft sich die nächste Glückseligkeit (l.c. X 7, 1117a 12 squ.). Äußere Güter sind Mittel zur Ausübung der Tugend, daher dienen sie auch der Glückseligkeit (l.c. VII 14, 1153b 17; X 8, 1178a 244. Nach der Lehre der Stoiker ist die Glückseligkeit eine Folge des naturgemäßen, tugendhaften Lebens; sie besteht in der geistigen Freiheit und Ruhe (telos de phasin einai to eudaimonein, hou heneka panta prattetai, auto de prattetai men oudenos de heneka. touto d' hyparchein en tô kat' aretên zên, en tô homologoumenôs zên, eti, tautou ontos, en tô kata physin zên, Stob. Ecl. II 6, 13S). CICERO erklärt: »Congruere naturae, cumque ea convenienter vivere - ita fit semper vita beata sapienti« (Tusc. disp. V, 28, 82). Die Epikureer setzen die Glückseligkeit in die Lust (s. d.), besonders in die geistige. Nach PLOTIN besteht die wahre Glückseligkeit im vollkommenen Leben (Enn. I, 4, 3), in der Selbstgenügsamkeit des Geistes (l.c. 4, 4), in der Richtung der Seele zum Göttlichen (l.c. I, 4, 8). BOËTHIUS definiert: »Beatitudo est status omnium bonorum aggregatione perfectus.«
Die Scholastik setzt die Glückseligkeit in das tugendhafte Leben, in die geistige Betätigung. Nach JOHANN VON SALISBURY ist die Glückseligkeit »virtutis praemium« (Polyer. VII, 8). ALBERTUS MAGNUS erklärt: »Felicitas est actus vel operatio secundum propriam et connaturalem virtutem non impedita in eo, cuius est talis virtus« (Sum. th. I, 69, 1). Nach THOMAS wird das Endziel des Handelns »felicitas sive beatitudo« genannt (Contr. gent. III, 25). »Essentia beatitudinis in actu intellectus consistit« (Sum. th. II, 3, 4; III, 50, 4). Die Glückseligkeit ist »bonum perfectum intellectualis naturae«.
Auch SPINOZA setzt die Glückseligkeit in das vernünftige, tugendhafte Leben, in die intellektuelle Betätigung. »In vita... utile est, intellectum seu rationem, quantum possumus perficere, et in hoc uno summa hominis felicitas seu beatitudo consistit; quippe beatitudo nihil aliud est, quam ipsa animi accquiescentia, quae ex Dei intuitiva cognitione oritur« (Eth. IV, append. IV). »Clare intelligimus, qua in re salus nostra seu beatitudo seu libertas consisti, nempe in constanti et aeterno erga Deum amore, sive in amore Dei erga homines« (l.c. V, prop. XXXVI, schol.). »Beatitudo non est virtutis praemium, sed ipsa virtus; nec eadem gaudemus, quia libidines coërcemus, sed contra quia eadem gaudemus, ideo libidines coërcere possumus« (l.c. prop. XLII; vgl. de Deo II, 9). Nach LEIBNIZ besteht die Glückseligkeit im tugendhaften Leben und in der Liebe zu Gott (Theod. Préf. § 5). Glück ist beständige Freude (Gerh. VII, 86; vgl. Nouv. Ess. II, ch. 21, § 42). Nach LOCKE ist Glück das äußerste Maß der Lust (Ess. II, ch. 21, § 42). FERGUSON bemerkt: »Wenn eine Seele, die wohlwollend, weise und beherzt ist, die höchsten Vergnügungen und das wenigste Leiden hat, so ist diese allein für glücklich zu halten« (Grunds. d. Moralphilos. S. 138 ff.). Nach HOLBACH ist das Glück »une façon d'etre dont nous souhaitons la durée, ou dans laquelle nous voulons persévérer« (Syst. de la nat. I, ch. 9, § 135). CHR. WOLF erklärt: »Qui summum bonum consequitur, felix est« (Philos. pract. I, § 395). »Sine virtute nemo felix esse potest nec felicitas a virtute seiungi« (l.c. § 400). PLATNER definiert die Glückseligkeit als »Zustand angenehmer Empfindungen«, als »die Mehrheit angenehmer Zustände in der Totalität des Lebens« (Phil. Aphor. II, § 28). Nach EBERHARD versteht jedermann unter Glückseligkeit »einen Zustand, worin er wahres Vergnügen ununterbrochen genießt« (Sittenlehre d. Vern. 1786, S. 3). LAPLACE und BERNOULLI unterscheiden »fortune morale« (inneres, subjektiv gefühltes) und »fortune physique« (objektives Glück); ersteres wächst nach Art des Weberschen Gesetzes (s. d.). Gegen das im 18. Jahrhundert florierende Streben nach Glückseligkeit wendet sich der »Rigorismus« (s. d.) von KANT. »Glückseligkeit ist das Losungswort aller Welt. Aber sie findet sich nirgends in der Natur, die der Glückseligkeit und der Zufriedenheit mit dem vorhandenen Zustande nie empfänglich ist. Nur die Würdigkeit, glücklich zu sein, ist das, was der Mensch erreichen kann« (WW. VIII, 643). Glückseligkeit darf kein Motiv des Handelns sein, soll dieses als sittlich (s. d.) gewertet werden. Doch ist Glückseligkeit ein Bestandteil des höchsten Gutes (s. d.), die notwendige Folge der Sittlichkeit, wenn nicht in der Erscheinungswelt, so doch im Transcendenten (Kr. d. prakt. Vern. I. T., 2. B., 2. Optst.). Glückseligkeit ist »der Zustand eines vernünftigen Wesens in der Welt, dem es, im Ganzen seiner Existenz, alles nach Wunsch und Willen geht, und beruhet also auf der Übereinstimmung der Natur zu seinem ganzen Zwecke, imgleichen zum wesentlichen Bestimmungsgrunde seines Willens« (ib.). »Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen (sowohl extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive, dem Grade, als auch protensive, der Dauer nach)« (Krit. d. r. Vern. S. 611). Glückseligkeit ist nicht der Naturzweck an einem vernünftigen Wesen (Grundl. zur Met. d. Sitt. 1. Abschn.; vgl. Kr. d. Urt. § 87). Nach J. G. FICHTE macht das glückselig, was gut ist. »Ohne Sittlichkeit ist keine Glückseligkeit möglich« (Bestimm. d. Gelehrt. 1. Vorles.). Nach K. ROSENKRANZ resultiert die Glückseligkeit aus der Selbstbeschränkung des Ich, aus der Zusammenfassung der Strebungen zur Einheit (Syst. d. Wiss. S. 433). Nach HILLEBRAND besteht Glückseligkeit da, wo die Persönlichkeit in Übereinstimmung mit sich selbst lebt (Philos. d. Geist. II, 110). SCHOPENHAUER bemerkt pessimistisch: »Alle Befriedigung, oder was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und wesentlich. immer nur negativ und durchaus nie positiv« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 58). Lust ist nur Freisein von Unlust (Parerg. II, § 150). Nach CZOLBE ist das Glück jedes Wesens durch dessen möglichste Vollkommenheit bedingt. Das Glück ist der Endzweck der Welt (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. VI, S. 3, 12). Nach E. ZELLER ist Glückseligkeit der »Zustand eines empfindenden Wesens..., in dem alle seine Interessen, jedes nach dem Verhältnis seines Wertes, ihre dauernde Befriedigung finden« (Begr. u. Begründ. d. sittl. Gesetze S. 23). Auch E. DÜHRING erblickt in der Glückseligkeit den Weltzweck, so auch (teilweise) FECHNER. Nach WUNDT ist die Glückseligkeit ein subjektiver Nebenerfolg der Sittlichkeit, ein Mittel, aber nicht das Ziel des ethischen Handelns (Eth.9, S. 503). Nach UNOLD ist Glück »ein Optativ, kein Imperativ«, es kann nicht der Zweck des sittlichen Handelns sein (Gr. d. Eth. S. 289 ff.). EHRENFELS stellt ein »Gesetz von der relativen Glücksforderung« auf. »Die angenehmeren Vorstellungen erhalten einen Kraftzuschuß im Kampf um die Enge des Bewußtseins.« Die Höhe dieses Zuschusses ist nicht proportional der Höhe des Glückszustandes, sondern »dem Unterschiede im Glückszustand, welcher sich an die betreffenden Vorstellungen knüpfen würde« (Syst. d. Werttheor. I, 190 ff.). Alle Akte des Begehrens sind in ihren Zielen und in ihrer Stärke »von der relativen Glücksforderung bedingt, welche sie gemäß den Gefühlsdispositionen des betreffenden Individuums bei ihrem Eintritte ins Bewußtsein und während ihrer Dauer in demselben mit sich bringen« (l.c. I, 41). Nach H. SCHWARZ besteht das Glück in der »möglichsten Sättigung aller Werthaltungen, zumal der höheren« (Psychol. d. Will. S. 157). Vgl. Optimismus, Tugend, Eudämonismus.