Gut

SOKRATES, setzt das agathon, das Gute, gleich dem kalon (Schönen) und ôphelimon, chrêsimon (Nützlichen) (XENOPHON, Memor. IV, 6, 8 f.). Die Kyrenaiker werten die Lust als gut, die Kyniker die Bedürfnislosigkeit, Leidlosigkeit und (zur Erreichung dieser) das kat' aretên zên, die Tugend (Diog. L. VI 9, 104). EUKLID VON MEGARA erklärt: das Eine, Seiende ist das Gute, dieses ist unwandelbar. Das Gute ist also Weltprinzip: houtos hen to agathon apephaineto pollois kaloumenon, hote men gar phronêsin, hote de theon kai allote noun kai ta loipa, ta de antikeiyena tô agathô anêrei, mê einai phaskôn (Diog. L. II, 106). Das Gute sei nur das, »quod esset unum et simile et idem semper« (CICERO, Acad. II, 42). PLATO betrachtet die Idee des Guten als megiston mathêma, als höchsten Erkenntnisgegenstand (Rep. VI, 505 A ff.). Die Idee des Guten ist der Grund, das Prinzip alles Schönen und Wahren, d.h. die Norm, das Ethische gleichsam liegt schon dem Ästhetischen und Logischen zugrunde (touto toinyn to tên alêtheian parechon tois gignôskomenois kai tô gignôskonti tên dynamin apodidon tên agathou idean phathi einai, aitian epistêmês ousan kai alêtheias (Rep. 508 E). Ja, das Gute ist der Grund des Seins, indem das Sein besser ist als das Nichts (Phäd. 97 C). So überragt denn die Idee des Guten (das Gute an sich) die Seinsidee: kai tois gignôskomenois toinyn mê monon to gignôskesthai phanai hypo tou agathou pareinai, alla kai to einai te kai tên ousian hyp' ekeinou autois proseinai, ouk ousias ontos tou agathou, all' eti epekeiya tês ousias presbeia kai dynauei hyperechontos (Rep. 509 B). Die Idee des Guten ist eins mit der göttlichen Vernunft (Phileb. 22), sie ist der Demiurg (Tim. 28 ff.). Anfangs identificiert Plato das Gute mit dem Nützlichen(Protag. 333D, 353C), später gibt er eine Gütertafel, auf welcher Harmonie, Schönheit, Vernunft (Wahrheit), reine Lustgefühle als Wertobjekte erscheinen (Phileb. 65 f.). ARISTOTELES gründet die Ethik auf den Begriff des höchste Gutes (to pantôn akrotaton tôn praktôn agathôn, Eth. Nic. I, 2). Gut ist hou pant' ephietai (Eth. Nic. I 1, 1094 a 3). Es gibt ein agathon haplôs (»bonum simpliciter, per se« der Scholastiker), agathon tini, heterou heneka, di' allo (»bonum cui, secundum quid, per accidens«) (l.c. I 1, 1094 a 18; I 4, 1096 b 13; Top. III 1, 116 b 8), phainomenon agathon und kat' alêtheian agathon (scheinbares und wahres Gut), kyriôs agathon (l.c. III 6, 1113 a 16; III 7, 1114 b 7; VI 13, 1144 b 7). Das Gute besteht beim Menschen in der Eudämonie, und diese wiederum beruht auf der naturgemäßen (oikeion) Tätigkeit, in der vernünftigsittlichen Energieentfaltung der Seele (en tô ergô dokei tagathon einai kai to en, Eth. Nic. I 6, 1097 b 27; to anthrôpinon agathon psychês energeia ginetai kat' aretên, ei de pleious hai aretai, kata tên aristên kai teleiotatên. eti d' en biô teleiô, 1 c. I 6, 1098 a 16 squ.). Die Güte kommt primär den Einzeldingen zu; sie besteht allgemein in der Verwirklichung des Naturzwecks (des Gattungsbegriffes) derselben. Alles Wirkliche ist gut an sich (vgl. E. ARLETH, Die metaphys. Grundlag. d. Aristotel. Eth. S. 39, 51). - Äußerer Güter bedarf man, um an der Ausübung der Tugend nicht gehindert zu werden (dio prosdeitai ho eudaimôn tôn en sômati agathôn kai tôn ektos kai tês tychês, hopôs mê empodizêtai tauta, l.c. VII 14, 1153 b 17 squ.). Aber sie sind nur Mittel, nicht Zweck (l.c. I 9, 1099 a 34). Aristoteles unterscheidet: Güter der Seele, des Leibes, äußere Güter; ferner: unmittelbare und mittelbare Güter (Eth. Nic. I 8, 1098 b 12; Polit. VII 1, 1323 a 24; Eth. Nic. I 4, 1096 b 13 squ.; VII 10, 1151 a 35 squ.; Rhetor. I 6, 1362 a 17 squ.). Ein Gut ist um so wertvoller, je beständiger es ist und je mehreren es zuteil wird. Seelische Güter sind denen des Körpers vorzuziehen (Top. III 1, 116 a 13; Eth. Nic. I 1, 1094 b 7; I 8, 1098 b 12 squ.; Polit. VII 1, 1323 b 16; De partib. animal. I 5, 645 b 19; vgl. ARLETH. l.c. S. 65 ff.). Die Stoiker werten als gut das Nützliche im Sinne des Natur- und Vernunftgemäßen (agathon de koinôs men to hou ti ophelos... allôs d' houtôs idiôs horizontai to agathon, to teleion kata physin logikou hôs logikou, Diog. L. VII 1, 94). Es gibt geistige (innere) und äußere Güter; wahre Güter sind nur die Tugenden, das übrige ist adiaphora (s d.): tôn agathôn ta men einai peri psychên, ta d' ektos, ta d' oute peri psychên out' ektos. ta men peri psychên aretas kai tas kata tautas praxeis. ta d' ektos to te spouthaian echein patrida kai spoudaion philon kai tên toutôn eudaimonian (Diog. L. VII 1, 95); eti tôn agathôn ta men einai telika, ta de poiêtika, ta de telika kai poiêtika (l.c. VII 1, 96); agatha men oun tas t' aretas, phronêsin, dikaiosynên, andoeian, sôphrôsynên kai ta loipa (l.c. VII 1, 102, Stob. Ecl. II 6, 202); legousi de monon to kalon agathon einai... einai de touto aretên kai to metechon aretês, hô estin ison to pan agathon kalon einai kai to isodynamein tô kalô to agathon, hopôr ison esti toutô ... dokei de panta ta agatha isa einai (Diog. L. VII 1, 101); agatha men ta toiauta, phronêsin, dikaiosynên, sôphrosynên, andreian kai ho estin aretê ê metechon aretês (Stob. Ecl. II 6, 90). Nach MARC AUREL ist das für jeden Teil der Natur gut, was mit dem großen Ganzen übereinstimmt, was zur Erhaltung des Weltplanes dient (In se ips. II, 3). Höchstes Gut des Menschen ist die autarkeia,, die Selbstgenügsamkeit (l.c. III, 6). EPIKUR betrachtet die Lust als solche als ein Gut (Diog. L. X, 129, 141). Die Lust ist agathon prôton kai syngenikon (l.c. X, 129). Der Akademiker KRANTOR nennt als Güter: Tugend, Gesundheit, Reichtum, Lust (Sext. Empir. adv. Math. XI, 51 squ.). PLOTIN bestimmt das »Gute an sich« als Überseiendes, Göttliches, als Grund aller Tätigkeit, als Ziel alles Strebens, als Aseïtät (s. d.) und Quelle alles Lebens (Enn. I, 7, 1; I, 8, 2). Durch Teilhaben an dem Urguten sind die Dinge gut (l.c. I, 7, 2). Die Seele gelangt durch Tugend (s. d.) zum Guten (l.c. I, 7, 3). Naturgemäße Tätigkeit ist für die Seele das Gute (l.c. I, 7, 1).

Nach AUGUSTINUS ist alles Sein an sich gut (Conf. VII, 12): »Quidquid est, bonum est« (De ver. relig. 21; »Omne ens inquantum ens est, est bonum«, THOMAS, Sum. th. I, 5, 3). Unter dem höchsten Gut (»summum bonum, bonum per ipsam«, ANSELM, Monol. 1) verstehen die Scholastiker Gott (s. d.). Nach ALBERTUS MAGNUS ist das Gute das, »quod ultimam sui perfectionem ademptum est« (Ad Eth. Nic. I, 2, 1). Nach THOMAS ist gut (Subjektiv), »quod omnia appetunt« (Sum. th. I, 5, 1 c). Gut ist etwas, »inquantum est appetibile et terminus motus appetitus« (l.c. I, 5, 6 c); »uniuscuiusque rei est bonum, quod convenit ei secundum suam formam« (l.c. II, 18, 5 c). In das »Naturgemäße« setzt auch DUNS SCOTUS das Gute: »Actus tunc bonus est naturaliter, quando habet omnia convenientia, quantum ad ista, quae nata sunt convenire sibi naturaliter, et concurrere ad esse eius naturale« (In 1. sent. 2, d. 40). SUAREZ erklärt: »Bonitas dicit perfectionem rei connotando convenientiam seu denominationem consurgentem ex coëxistentia plurium« (Met. disp. 10, 1). - L. VIVES: »Bonum. est simpliciter, quod prodest simpliciter; bonum cuique, quod ei prodest« (De an. III, p. 145 f.). Vgl. CAMPANELLA, Dial. I, 4.


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