Lokalzeichen

Lokalzeichen heißen (seit LOTZE) die mit den Empfindungen des Tast- und Gesichtssinnes verknüpften, von der Stelle der Erregung abhängigen raumsetzenden Bestimmtheiten.

In Weiterführung der Lehre E. H. WEBERS von den Empfindungskreisen (s. d.) versteht LOTZE unter Lokalzeichen »charakteristische Nebenbestimmungen neben dem Inhalte der Empfindung. dem Punkte ausschließlich entsprechend, in welchem der Reiz die empfängliche Fläche des Organismus trifft, und welche eine andere sein würde, wenn der gleiche Reiz eine andere Stelle des Organismus berührt hätte« (Mikrok. I, 332 ff.; Medic. Psychol. S. 296, 310, 321). »Jeder Farbeneindruck r, z.B. Rot, bringt auf allen Stellen der Netzhaut, die er trifft, dieselbe Empfindung der Röte hervor. Nebenbei aber bringt er an jeder dieser verschiedenen Stellen a, b, c einen gewissen Nebeneindruck a, b, g hervor, welcher unabhängig, ist von der Natur der gesehenen Farbe und bloß abhängig von der Natur der gereizten Stelle.« »Dies ist die Theorie von den Lokalzeichen. Ihr Grundgedanke besteht darin, daß alle räumlichen Verschiedenheiten und Beziehungen zwischen den Eindrücken auf der Netzhaut ersetzt werden müssen durch entsprechende unräumliche und bloß intensive Verhältnisse zwischen den in der Seele raumlos zusammenseienden Eindrücken, und daß hieraus rückwärts nicht eine neue wirkliche Auseinanderbreitung, sondern nur die Vorstellung einer solchen in uns entstehen muß« (Gr. d. Psychol. § 32 f.). Die Lokalzeichen der Netzhaut knüpfen sich an Reflexbewegungen (ib.). HELMHOLTZ bestimmt die Lokalzeichen als »Momente in der Empfindung, durch welche wir die Reizung einer Stelle von der aller übrigen unterscheiden, unabhängig von der Quantität und Qualität der Empfindung, über deren nähere Beschaffenheit wir jedoch, nichts wissen« (Physiol. Opt. S. 539, 797; Vortr. u. Red. I4, 332, 394). Tu. ZIEGLER betrachtet die Lokalzeichen als »gefühlsmäßige Nuancierungen« (Das Gef.2, S. 148). Eine Ergänzung der Lotzeschen Theorie findet sich bei R. GEIJER (Philos. Monatsh. 1885), auch bei HÖFFDING (Psychol.2, S. 275 f., vgl. Raum). Die Localzeichentheorie erneuert WUNDT. Jedem Punkte des Tastorgans kommt »eine eigentümliche qualitative Färbung der Tastempfindung zu..., die unabhängig von der Qualität des äußeren Eindrucks ist und wahrscheinlich von den von Punkt zu Punkt wechselnden und an zwei entfernten Stellen niemals völlig übereinstimmenden Struktureigentümlichkeiten der Haut herrührt« (Gr. d. Psychol.5, S. 127) Es gibt qualitative und intensive Lokalzeichen, deren Verschmelzung miteinander und den Gesichtsempfindungen die Raumvorstellung (s. d.) ergibt (Grdz. d. phys. Psychol. II4, 32, 222 ff.; Gr. d. Psychol. S. 154 ff., 161 ff.). Gegen die Lokalzeichentheorie erklärt sich u. a. VOLKMANN (Lehrb. d. Psychol. II4, 46). LIPPS ersetzt die Lotzeschen Lokalzeichen (Bewegungsempfindungen) durch andere. Gegen die Lotzesche Form derselben ist KÜLPE (Gr. d. Psychol. S. 384 ff.). Den einzelnen Netzhautelementen kommen Lokalzeichen zu, »gewisse Eigentümlichkeiten, vermöge deren sie bestimmte räumliche Angaben an sich heften«. Sie sind »nicht als bewußte Merkmale der einzelnen Gesichtseindrücke aufzufassen«, sondern es ist ihnen eine physiologische Bedeutung zuzuschreiben (l.c. S. 386). Vgl. Raumvorstellung.


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