Objekt (obiectum, antikeimenon, »Gegenwurf«, das Gegen-Stehende): Gegenstand, Sache, Ding (s. d.). Zu unterscheiden sind zunächst Objekte des Handelns, Wollens und Objekte des Erkennens (Denkens, Wahrnehmens). Im allgemeinsten Sinne ist Objekt oder Gegenstand das Korrelat zur subjektiven Tätigkeit, das, worauf sich diese »richtet«, das vom Tun und Wollen in Angriff Genommene, zu Bearbeitende, zu Realisierende. Das (praktische) Objekt ist »Objekt« durch eine Willens-Setzung, Willens-Position.
Der Wille, das Tun, schafft sich, wählt sich strebend, bestimmend, zwecksetzend, sein Objekt, macht einen (an sich noch indifferenten) »Stoff« zum Gegenstande, zum konkreten, bestimmten Willensinhalt, Willensziel. Da nun das Denken (Erkennen) selbst eine (Willens-)Tätigkeit ist, so ist das Erkenntnis- oder Denkobjekt zunächst ebenfalls nichts anderes als dasjenige, worauf sich das Erkennen, der Erkenntniswille die auffassend-verarbeitende Geistestätigkeit richtet, indem sie einen (an sich noch unbestimmten) »Stoff« zum bestimmten Gegenstand der Aufmerksamkeit erhebt und ihn intellektuell formt, gestaltet. »Objekt« ist in jedem Falle, im praktischen wie im theoretischen, ein Reflexionsbegriff (s. d.), entstehend aus dem bewußten Beachten der (ursprünglich angelegten, zugleich immer mehr hervortretenden) Scheidung der Gesamterfahrung in zwei Faktoren, Momente, Seiten. Das Perzipierende, Apperzipierende als solches ist Subjekt (s. d.), das Percipierte, Apperzipierte Objekt, im und mit dem (wenn auch nicht durch den) Akt des Erkennens: kein Objekt (als Objekt) ohne Subjekt - aber auch kein Subjekt (keine subjektive Tätigkeit) ohne Objekt. - Der Begriff des Objektes ist aber damit noch nicht erschöpft. Erkenntnisobjekt im weitesten Sinne ist alles aus dem Flusse der Erlebnisse durch die Aufmerksamkeit Herausgehobene, es wird zum Objekte mehr oder weniger willkürlich gemacht. Es gibt aber auch eine Objekt- Setzung ohne, ja wider Willen, und die allgemeinste, konstanteste Art derselben ist die Setzung der Objekte der Außenwelt.
Von Anfang an fühlt sich das Ich, das Erlebende, in seinem Sein und Tun »von außen« (d.h. nicht durch sich selbst bestimmt) »affiziert«, modifiziert, es fühlt sich wahrnehmend in seinem Tun, Wirken, Wollen gehemmt, es erfährt einen konstanten Widerstand. Dieser Widerstand wird psychologisch in Komplexen von Wahrnehmungsinhalten, später in gesetzmäßigen Zusammenhängen von Erfahrungsinhalten überhaupt lokalisiert. Instinktiv-assoziativ deutet das Ich den erlittenen Widerstand als Wirkung eines aktiven »Wider-Stehens«, indem die Ähnlichkeit der Ding-Komplexe mit seinem eigenen Leib-Komplexe (dem direkten Objekt) es veranlaßt, die eigene »Innerlichkeit«, Subjektivität, Aktivität in das Wahrgenommene hineinzulegen (s. Introjektion). So sind die Objekte der Außenwelt mehr als Vorstellungen, auch mehr als Vorstellungszusammenhänge, d.h. sie bedeuten, vertreten »transzendente Faktoren« (s. d.), die, ursprünglich dem eigenen Willen des Ich analog gedacht, später, im Fortgange der wissenschaftlichen Entwicklung, zu abstrakten, qualitativ unbestimmt gelassenen »Kräften« (s. d.) werden. Die Einzelwissenschaft als solche muß danach streben, den Objekten immer mehr den Charakter konstanter, vom Subjekt unabhängiger gesetzmäßiger Zusammenhänge von wirklichen und (noch) möglichen Erfahrungsinhalten zu geben und die transzendenten Faktoren, das nichtwahrgenommene Innensein der Objekte, das nicht selbst objektiv, zum Objekt wird, sondern auf naiv-ursprünglicher Stufe »introjiziert«, auf philosophisch-wissenschaftlicher denkend gesetzt, postuliert wird, der Metaphysik überlassen. Die Naturwissenschaft (s. d.) hat es nur mit den abstrakt-begrifflichen, erfahrungsmäßig-positiven Bestimmtheiten der Objekte, nicht mit der absoluten Wirklichkeit zu tun. Die Setzung transzendenter Faktoren ist erkenntniskritisch berechtigt, weil sie 1) logisch nicht (auch vom Idealismus nicht) zu umgehen ist, 2) weil die Annahme fremder Ichs, Subjekte sie schon einschließt und fordert, 3) weil nur durch sie die Tatsache der Erfahrung überhaupt begreiflich wird. Die Überzeugung von der unabhängigen Existenz der Objekte bedeutet in erster Linie die Unabhängigkeit der gesetzmäßigen Zusammenhänge der Erfahrungsinhalte vom Willen, von der Willkür des Ich, und dazu noch den Glauben an die Selbständigkeit, an das In-sich-sein, Für-sich-sein der den objektiven Inhalten introjizierten Faktoren (der Ich-Analoga, Gegen-Ichs). Bestärkt wird diese Überzeugung durch die Erkenntnis, daß die Mitmenschen so wie wir über das Vorkommen und Bestehen der Objekte urteilen, sie auch in unserer Abwesenheit wahrnehmen, setzen müssen, u. dgl. (sozialer Faktor des Außenweltbewußtseins). - Ursprünglich unterscheiden wir nicht zwischen Objekt und Vorstellung, das Vorgestellte gilt als Objekt, als »Gegebenes«. Später wird auf die Tatsache des Vorstellens, Wahrnehmens geachtet, die Vorstellung (s. d.) gilt nun als Vertreter, Zeichen des Objektes, das immer über das momentan Empfundene, Wahrgenommene hinausreicht, zugleich als Zeichen, Wirkung transzendenter Faktoren.
Bezüglich des Terminus »obiectum« ist zu bemerken, daß bei den Scholastikern das intentionale (s. d.) Objekt den vorgestellten, gedachten, gemeinten, Gegenstand bedeutet, während später unter »obiectum« vorzugsweise das Ding außer der Erkenntnis, das Reale, das An-sich (»subiectum« der Scholastiker) verstanden wird (s. Objektiv).-
AUGUSTINUS hat »rem illam obiectam sensui« (De trinit. XI, 2). THOMAS versteht unter Objekt einer Tätigkeit die »materia circa quam«, das »oppositum, subiectum« (Sum. th. I, 1, 7c). Es gibt »obiectum formale« und »materiale« (l. c. I. II, 60, 10 b 2). »Obiectum voluntatis« ist das Gute (l. c. I, 48, 5). - Bei ECKHART heißt Objekt »Widerwurf«, bei J. BÖHME »Gegenwurf«. MELANCHTHON nennt »lux et color« die »propria obiecta« des Gesichtssinnes (De an. p. 159a). Nach GOCLEN ist »obiectum«, »quod se obicit et praesentat potentiae operanti vel circa quod operatio versatur, vel in quod fertur potentia quocunque modo« (Lex. philos. p. 270). MICRAELIUS erklärt: »Obiectum est subiectum, circa quod aliquid versatur.« Das »obiectum« ist »per se« oder »per accidens«, »proprium«, »primarium«, »secundarium«, »materiale«, »formale« u.s.w. (Lex. philos. p. 729). - CAMPANELLA spricht von »obiecta externa«, »moveri et immutari ab obiectis« (Univ. philos. II, 2, 1. II, 5, 2). Bei HOBBES ist »obiectum« das Ding, welches Empfindungen in uns bewirkt (De corp. C. 25, 2), der Körper (l. e. C. 25, 10). »Causa sensionis est externum corpus sive obiectum« (Leviath. I, 1). Infolge des »conatus versus externa« erscheint das »phantasma« als »aliquid situm extra organum« (De corp. IV, C. 25, 2). DESCARTES hat: »In obiectis - hoc est in rebus, qualescumque demum illae sint, a quibus sensus nobis advenit« (Prinzip. philos. 70). »Perzeptiones... quod quasdam referamus ad obiecta externa, quae sensus nostros feriunt« (Pass. an. I, 22). »Sensationes, quas sie referimus ad obiecta, quae supponimus esse earum causas« (l. c. 23). BAYLE definiert: »L'objet est ce á quoi tendent les actes de quelques facultés« (Syst. de philos. p. 40). HERBERT VON CHERBURY definiert: »Obiectum id vocamus, a quo utcumque facultas aliqua analoga affici vel immutari potest« (De verit. p. 91). LEIBNIZ unterscheidet innere und äußere Objekte. Die Vorstellung ist »objet immédiat interne«, »cet objet est une expression de la nature ou des qualités des choses« (Nouv. Ess. I, ch.- 1). »Nos sens externes nous font connaître leurs objets particuliers, comme sont les couleurs, sons, odeurs« (Gerh. VI, 488. vgl. Erdm. p. 222). CHR. WOLF erklärt: »obiectum« als »ens, quod terminat actionem agentis, seu in quo actiones agentis terminantur: ut adeo actionis quasi limes sit« (Ontol. § 949, vgl. damit die FICHTEsche Bestimmung mit idealistischer Wendung). CRUSIUS bestimmt: »Wenn etwas vorhanden ist, worinnen durch die Aktion etwas hervorgebracht wird, so heißt dasselbe das Objekt.« Objekte sind ferner die »Originale« unserer Begriffe (Vernunftwahrh. § 65). - Weiteres s. unten.
Im folgenden werden zwei Probleme historisch vorgeführt. 1. Problem: Was sind, was nennen wir die »Objekte« des Erkennens, welche Beziehung besteht zwischen Vorstellung (Bewußtsein) und Objekt? Der Realismus (s. d.) hält die Objekte (als Dinge s. d.) für real, im Sinne der Transzendenz, der Verschiedenheit von der Vorstellung. der Idealismus (s. d.) sieht in den Objekten: a. Vorstellungen, b. Vorstellungskomplexe, c. gesetzmäßige Zusammenhänge, Synthesen von Erfahrungsinhalten ev. mit Hindeutung auf ein »An-sich«. Vorstellungen (s. d.) vertreten Objekte (Repräsentationstheorie) - Vorstellungen sind Objekte, werden zu solchen (Objektivationstheorie). 2. Problem: Worauf beruht das Außenweltsbewußtsein (s. d.), was ist der Grund unseres Glaubens an die Existenz von Objekten? Lösungen: a. Das Außenweltsbewußtsein beruht auf (direkter) Wahrnehmung (s. d.), b. auf (bewußtem oder unbewußtem) Schluß von der Wirkung auf die Ursache, c. auf instinktivem Glauben, d. auf ursprünglicher Korrelation von Subjekt und Objekt, e. auf einem (bewußten oder unbewußten) Urteil, f. auf einem besonderen Bewußtsein der »Repräsentation«, der »Transzendenz«. - Das Außenweltsbewußtsein ist ursprünglich - ist psychologisch (assoziativ) - ist logisch-transzendental. - Die Eigenschaften, das Wesen der Objekte anbelangend s. Qualitäten, Ding an sich.
Inhalt:
|
|