Offenbarung

Offenbarung (revelatio, manifestatio): Enthüllung des Wesens und des Willens Gottes, Verkündigung der göttlichen Gebote durch (von Gott) inspirierte Geister. Die natürliche Offenbarung ist das Wirken Gottes in der Natur und im menschlichen Geiste. JUSTINUS unterscheidet eine Offenbarung Gottes in seinen Geschöpfen, in der Vernunft des Menschen, durch Auserwählte (Moses, Propheten), durch Christus (Apol. II, 8). TERTULLIAN spricht von der Offenbarung Gottes in der Welt (Adv. Marc. I, 13. 18). Nach SCOTUS ERIUGENA u. a. ist die Welt eine Theophanie (s. d.). Nach DURAND VON ST. POURÇAIN (In sentent. theol.) offenbart sich Gott durch die Creatur, durch die Heilige Schrift, durch das Leben. - Nach CAMPANELLA offenbart sich Gott dem äußern und dem innern Sinne (De nat. rer. I, 1). Nach SPINOZA kann Gott sich dem Menschen nicht durch Worte oder andere äußere Zeichen offenbaren, nur durch sein Wesen und durch den Geist des Menschen kann er sich kundtun (De deo II, 24). Nach BERKELEY offenbart sich Gott (s. d.) auch in der Natur. LESSING erklärt: »Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist und noch geschieht.« Wie die Erziehung, so gibt auch die Offenbarung »dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und gibt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher«. Gott hielt eine bestimmte Ordnung ein, er offenbart sich erst durch Moses, dann durch Christus, endlich wird er sich durch die Vernunft selbst offenbaren (Erzieh. d. Menschengeschl.). Auch KRUG erblickt den Zweck der Offenbarung in der »Erziehung des Menschengeschlechts« (Handb. d. Philos. II, 384). J. G. FICHTE anerkennt auf kritischem Wege die Möglichkeit einer Offenbarung (Vers. ein. Krit. aller Offenbar. § 15). Offenbarung ist »eine Wahrnehmung, die von Gott gemäß dem Begriffe irgend einer dadurch zu gebenden Belehrung..., als Zwecke derselben in uns bewirkt wird« (l. c. § 5). Der Ursprung des Offenbarungsbegriffes liegt in der praktischen Vernunft (l. c. § 6). Sollen Wesen, deren Natur gegen das Sittengesetz teilweise widerstreitet, die Moralität nicht ganz verlieren, so müssen auf dem Wege der Sinne moralische Antriebe an sie herangebracht werden. Da aber die Wesen nicht fähig sind, die Idee vom Willen des Heiligsten als Sittengesetze anders als durch einen Gesetzgeber vernünftiger Wesen zu empfangen, so mußte Gott sich »durch eine besondere, ausdrücklich dazu und für sie bestimmte Erscheinung in der Sinnenwelt ihnen als Gesetzgeber ankündigen. Da Gott durch das Moralgesetz bestimmt ist, die höchstmögliche Moralität in allen vernünftigen Wesen durch alle moralischen Mittel zu befördern, so läßt sich erwarten, daß er, wenn dergleichen Wesen wirklich vorhanden sein sollten, sich dieses Mittels bedienen werde, wenn es physisch möglich ist« (l. c. § 7 ff). SCHLEIERMACHER erklärt: »Jede ursprüngliche und neue Mitteilung des Weltalls und seines innersten Lebens an den Menschen ist eine Offenbarung« (Üb. d. Relig. II, 127). SCHELLING und HEGEL sehen in der Geschichte eine Offenbarung des Absoluten (s. Soziologie). Daß das Absolute sich in der Welt offenbare, lehrt auch CHALYBAEUS (Wissenschaftsl. S. 313 f.) u. a. Nach DE BONALD ist die Offenbarung die Quelle der sittlichen Kultur (Oeuvres 1817/19). Den Offenbarungsgedanken erörtert GIOBERTI (Della filosofia della rivelazione 1856), der in der inneren Offenbarung die höchste Erkenntnis erblickt (s. Ontologismus). So auch MAMIANI (Filos. d. revelaz. p. 49 ff.). Für die Offenbarung erklärt sieh PLANCK (Testam. ein. Deutschen S. 377 ff.). LOTZE betrachtet die Offenbarung als göttliche Einwirkung auf das Gefühl (Mikrok. III2, 549). Ähnlich FR. SCHULTZE (Philos. d. Naturwiss. II, 405). A. DORNER erklärt: »Das Christentum ist Offenbarungsreligion. Aber das Charakteristische ist, daß diese Offenbarung in ihrem Kern nicht mehr einen supernaturalen Charakter trägt, als wäre sie etwas dem Menschen Fremdes, sondern daß ihr Inhalt der Natur des Menschen entspricht, daß diese Mitteilung Gottes keine bloß äußere ist, sondern daß ihr Inhalt dem Menschen selbst innerlich zuteil wird und in Wahrheit gar nichts ist als die Erfahrung der wahren Gottesgemeinschaft, die ethisch bestimmt ist. Gott offenbart sich hier nicht einmal in einer gegebenen historischen Form, sondern er offenbart sich allen« (Gr. d. Religionsphilos. S. 114). »Die Taten Gottes sind immer gesta Dei per hominem« (l. c. S. 144. vgl. HARNACK, Wesen d. Christent.). Vgl. ROUSSEAU, Emile. NIETHAMMER, Vers. ein. Begründ. d. vernünft. Offenbarungsglaubens 1798. KÖPPEN, Üb. Offenbar. 1797. C. L. NITZSCH, De revelatione religion. 1808. SABATIER, Religionsphilos. S. 25. Vgl. Religion.


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