2. Objekt und Außenwelt

 

Auf ein ursprüngliches, apriorisches, unbewußtes, nicht-begriffliches, konkret setzendes Kausalurteil führt das Außenweltsbewußtsein SCHOPENHAUER zurück. »Empirisch... ist jede Anschauung, welche von Sinnesempfindung ausgeht: Diese Empfindung bezieht der Verstand, mittelst seiner alleinigen Funktion (Erkenntnis a priori des Kausalitätsgesetzes), auf ihre Ursachen, welche eben dadurch Raum und Zeit (Formen der reinen Anschauung) sich darstellt als Gegenstand der Erfahrung, materielles Objekt, im Raum durch alle Zeit beharrend, dennoch aber auch als solches immer noch Vorstellung bleibt, wie eben Raum und Zeit selbst« (W. a. W. u. V. I. Bd., S. 443). »Zur Anschauung, d. i. zum Erkennen eines Objekts, kommt es allererst dadurch, daß der Verstand jeden Eindruck, den der Leib erhält, auf eine Ursache bezieht, diese im a priori angeschauten Raum dahin versetzt, von wo die Wirkung ausgeht, und so die Ursache als wirkend, als wirklich, d. i. als eine Vorstellung derselben Art und Klasse, wie der Leib ist, anerkennt« (Üb. d. Sehen u. d. Farb. C. 1, § 1). »Dieser Übergang von der Wirkung auf die Ursache ist aber ein unmittelbarer, lebendiger, notwendiger: denn er ist eine Erkenntnis des reinen Verstandes: nicht ist er ein Vernunftschluß, nicht eine Combination von Begriffen und Urteilen, nach logischen Gesetzen« (ib.. Welt als W. u. V. I. Bd., § 4. II. Bd., C. 22. Vierf. Wurz. C. 4, § 21). »Unsere empirische Anschauung ist sofort objektiv, eben weil sie vom Kausalnexus ausgeht. Ihr Gegenstand sind unmittelbar die Dinge, nicht von diesen verschiedene Vorstellungen. Die einzelnen Dinge werden als solche angeschaut im Verstande und durch die Sinne: der einseitige Eindruck auf diese wird dabei sofort durch die Einbildungskraft ergänzt« (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 2). Nach MAINLÄNDER sucht der Verstand zur Sinnesempfindung die Ursache (Philos. d. Erlös. S. 5). Nach HELMHOLTZ liegen dem Objektbewußtsein unbewußte Schlüsse (s. d.) zugrunde. Direct nehmen wir nur unsere Nervenerregungen wahr, niemals die äußeren Objekte. »Wir können niemals aus der Welt unserer Empfindung zu der Vorstellung von einer Außenwelt kommen, als durch einen Schluß von der wechselnden Empfindung auf äußere Objekte als die Ursache dieses Wechsels. Demgemäß müssen wir das Gesetz der Kausalität als ein aller Erfahrung vorausgehendes Gesetz unseres Denkens anerkennen« (Physiol. Opt. S. 430, 453. Tats. d. Wahrn. S. 27. Vortr. u. Red. I4, 115 f.). Nach AD. FICK konstruiert der Verstand durch einen Schluß das Objekt. Die objektive Welt ist so das »Gespinst unseres eigenen Intellekts«. Der Zwang der Wahrnehmung veranlaßt uns, auf Objekte als Ursachen der Empfindungen zu schließen (Welt als Vorstell. S. 5 ff., 11 ff., 15 ff.). GEORGE leitet das Gegenstandsbewußtsein aus einem auf Grund der Widerstandsempfindung gefällten Schlusse ab (Lehrb. d. Psychol. S. 235 ff.). Die Objekte sind ursprünglich »Ortspunkte«, die dem Ich gegenüberstehen (l. c. S. 239). Nach O. LIEBMANN entsteht uns die Welt der Objekte erst durch »Translocation« der Empfindungen in den Raum und durch unbewußte Beziehung derselben auf eine Ursache (Üb. d. objekt. Anbl. S. 1 ff., 10 ff., 62, 70 ff., 80 ff., 113 ff.). - E. ZELLER erklärt: »Das Bild der Dinge als solches erhalten wir dadurch, daß wir eine Anzahl von Empfindungen unter der Form des räumlichen Zusammenseins, das Bild der Vorgänge dadurch, daß wir sie unter dir Form der zeitlichen Aufeinanderfolge verknüpfen, durch eine Tätigkeit der anschauenden Phantasie. Damit uns dagegen dieses Bild zu einem Gegenstand oder Vorgang außer uns werde, ist es nötig, über die bloße Anschauung hinauszugehen und dieselbe auf die Einwirkung eines von uns selbst verschiedenen Realen zurückzuführen, und dies ist ein Akt unseres Denkens. Denn nur unser Denken setzt uns in den Stand, die Unterscheidung zwischen uns selbst und anderen Dingen vorzunehmen, durch welche uns zugleich mit der Vorstellung des Subjektiven, d.h. zu uns selbst Gehörigen, auch die des Gegenständlichen, von uns selbst Verschiedenen, entsteht« (Üb. d. Gründe uns. Glaub. an d. Real. d. Außenwelt S. 245). Zu solcher Unterscheidung berechtigt uns die Konstanz und Wirkungsfähigkeit des Wahrgenommenen (l. c. S. 248 f.). Das Außenweltsbewußtsein besteht in einem unbewußten Schlusse, der sich aber mit der Wahrnehmung so innig verknüpft, daß wir die Dinge unmittelbar wahrzunehmen glauben (l. c. S. 252). »Wir finden diese Empfindungen und Wahrnehmungsbilder in uns vor, und die Natur unseres Denkens nötigt uns, nach ihrer Ursache zu fragen. Diese Ursache können wir aber nicht in uns selbst suchen, weil sich unsere Wahrnehmungen in ihrem Vorkommen wie in ihrem Inhalt als etwas darstellen, das von unserer eigenen Tätigkeit nicht abhängt« (l. c. S. 253). P. CARUS erklärt: »Das Organ unserer Erkenntnis ist der reine Verstand, welcher die wahrgenommenen Empfindungen gemäß dem Gesetz der Kausalität uns als Wirkungen auffassen lehrt. Indem wir so auf Ursachen schließen, welche diese Wirkungen hervorrufen, konstruiert unser Verstand eine Welt jenseit dieser Empfindungen. d.h. er projiziert die Vorstellungen, welche in uns erregt sind, außerhalb unseres Leibes. Diejenigen Gegenstände. welche der Verstand als selbständig dem Subjekt gegenüberstehende Ursachen dieser Vorstellungen hypostasiert, nennen wir Objekte. Sie erscheinen uns als coëxistierend, indem sie die Existenz des Subjektes begrenzen und umgeben« (Met. S. 13, 15, 24). Subjektivität und Objektivität sind »two abstracts made of one and the same thing« (Princ. of Philos. p. 17). Nach SIGWART liegt der Vorstellung des Dinges zunächst »die einheitliche Zusammenfassung einer im Raume abgegrenzten und dauernden Gestalt zugrunde, also eine räumliche und zeitliche Synthese« (Log. II2, 113). Die Unveränderlichkeit der Gestalt des Wahrgenommenen bestimmt uns zuerst, es als ein Ding zu betrachten (l. c. S. 117 ff.). Die Koëxistenz der Sensationen ist nicht eigentlich Gegenstand unmittelbarer Wahrnehmung. Im Begriff des Dinges ist eine Synthese gegeben, und diese geht auf eine ursprüngliche Funktion zurück, »vermöge der wir die Empfindungen verschiedener Sinne aufeinander beziehen, um sie zur Vorstellung eines räumlichen Objektes zu gestalten« (l. c. S. 124 ff.). »Es kann zu den sichersten Ergebnissen der Analyse unserer Erkenntnis gerechnet werden, daß jede Annahme einer außer uns existierenden Welt eine durch das Denken vermittelte, durch unbewußte Denkprozesse erst irgendwie abgeleitete ist« (l. c. I2, 7).

 


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