2. Objekt und Außenwelt

 

S. HANSEN meint: »Wahrscheinlich ist es, daß das Kind (das primitive Bewußtsein) anfangs Eindrücke empfängt, die sich ihm weder als objektive noch als subjektive darstellen. weil seine Existenz aber von dem Inhalte dieser gegebenen Eindrücke oder Vorstellungen abhängig ist (eine der ersten Vorstellungen wird ja du Mutter sein), so behandelt es instinktiv diesen Inhalt als einen objektiven, bevor es ihn als objektiven erkennt, und erst dadurch entsteht allmählich die Erkenntnis« (Das Probl. d. Außenwelt, Vierteljahrsschr f. wiss. Philos. 15. Bd., S. 35). Wir nehmen die in Vorstellungen gegebenen Gegenstände wahr (l. c. S. 37). »Das allgemeine Bewußtsein sondert wirklich zwischen Empfindung und Gegenstand, wenngleich es sie auch vermengt. Solange die Sinnesempfindung oder die Wahrnehmung stattfindet, wird nicht zwischen dieser und dem Gegenstande gesondert. das Bild... wird für den Gegenstand selbst angenommen. Nach der Wahrnehmung wird angenommen, daß ein Gegenstand, entsprechend dem Normalbilde, besteht« (l. c. S. 44). Das »objektive Gepräge« der Wahrnehmungsinhalte führt, bei Anerkennung der allgemeinen Gültigkeit des Satzes vom Grunde, zum Realismus als Hypothese (l. c. S. 48 ff.). R. SEYDEL bestreitet den Wahrnehmungsinhalt und Objekt identifizierenden »naiven Realismus«. »Es gibt allerdings wahrscheinlich einen frühesten Punkt der Bewußtseinsrichtung in Tier und Kind, wo einfach nur eine praktische Reaktion auf Empfindungszustände stattfindet, ohne Vorhandensein irgend welcher unbewußter oder halbbewußter Ansicht, was diese Zustände seien oder nicht seien. dies nennt jedoch niemand naiven Realismus. Aber schon gewisse praktische Reaktionsweisen des Tieres machen den Eindruck, als setzten sie eine Unterscheidung des Dings von der Empfindung voraus. Daß diese Unterscheidung vorliegt, wird immer zweifelloser, je weiter wir die Bewußtseinsscala bis zur eigentlichen Reflexion verfolgen. Niemals werden die Empfindungen der von uns Zeitsinne genannten Sinne, d.h. aller ohne das Gesicht, selbst für Dinge, nicht einmal für dingliche Eigenschaften in wirklicher Gleichsetzung dieser mit dem Empfundenen gehalten. - Was als dingliche Eigenschaft dem Empfundenen, das sie uns offenbart, entspreche, wird hier überhaupt gar nicht beurteilt. Dagegen wird allerdings dauernd die Farbe und Gestalt der taghellen Oberfläche für dingliche Eigenschaft in gewisser Gleichsetzung mit der Empfindung gehalten und alles Körperliche, auch das ungesehene, als irgendwie gefärbt vorgestellt, aber doch mit fortwährend aufgeregter Ungewißheit, ob die Gleichheit des gesehenen Bildes mit dem ›wirklichen Aussehen‹ eine völlige sei« (Der sog. naive Real., Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. Bd. 15, S. 18, 22, 25, 29, 31 f.). - Nach A. SPIR gehört zum Wesen der Vorstellung eine Beziehung auf Gegenstände (Denk. u. Wirkl. I, 185). Im Ich ist ursprünglich ein »Fremdes«, dessen wir uns als solchen bewußt sind (l. c. S. 52). Die Widerstandsempfindung verstärkt nur das Gegenstandsbewußtsein. Die äußeren Objekte sind »Verbindungen von Tast-, Gesichts- und anderen Eindrücken mit Widerstandsgefühlen« (l. c. S. 64). Vermöge eines in uns liegenden apriorischen Gesetzes sind wir genötigt, den Gegenstand als Identisches, als Substanz zu denken (l. c. II, 56 ff., 197). - Nach J. WOLFF wird das Objekt nicht erschlossen, sondern ursprünglich wahrgenommen. Das Objekt der Wahrnehmung deutet auf ein Ding außer uns hin, dessen selbständige Existenz höchste Wahrscheinlichkeit hat (Das Bewußts. u. sein Objekt S. 315 ff.). Nach R. WEINMANN ist uns zunächst nur unsere Bewußtseinswelt gegeben, »aber sie kann nie und nimmer anders begriffen werden denn als... Spiegelung einer objektiven, von uns unabhängig existierenden und insofern als transzendent zu bezeichnenden Außenwelt« (Zeitschr. f. Psychol. XVII, 215 ff.). Die Vorstellungen sind Zeichen für ein Ding (l. c. S. 222). So auch KROMAN (Unsere Naturerk. S. 376). Nach GUTBERLET nötigt uns ein angeborener Trieb, die objektivierten Sinnesqualitäten auf äußere Dinge als deren Träger und Ursachen zu beziehen (Log. u. Erk.2, S. 187). SCHELLWIEN erklärt: »Für den gesunden Menschenverstand besteht kein Zweifel, daß er in dem Objekt nicht einen subjektiven Eindruck, sondern die Sache selbst, die Ursache des Eindrucks erkennt, und daß das Objekt ist, wie ich es erkenne, auch wenn ich es nicht erkenne« (Wille u. Erk. S. 114). Nach A. DÖRING ist »naiver Realismus« die Annahme, Voraussetzung, daß ein Korrelat des Wahrnehmungsbildes existiert (Philos. Monatsh. 1890, S. 385 ff., gegen E. v. HARTMANN, welcher als naiven Realismus die Ansicht ausgibt, das Wahrgenommene sei das Objekt selbst und an diesem so, wie es wahrgenommen wird. s. unten). - UPHUES unterscheidet vom »Zustandsbewußtsein« der Gefühle u.s.w. das »Gegenstandsbewußtsein«, welches in einer eigenartigen (abbildenden, vertretenden) Beziehung des Bewußtseins zum Gegenstande außer diesem besteht (Psychol. d. Erk. I, 145). Nach der »Bildertheorie« stellt die Vorstellung den Gegenstand dar, wie er unvorgestellt existiert. Das Gegenstandsbewußtsein oder »Bewußtsein der Transcendenz« besteht in einer »Vergegenwärtigung« des Gegenstandes (l. c. I, 145 ff., 174 ff.. Üb. d. Erinner. S. 13 f.). Die Vorstellungen sind nicht die Objekte, werden nicht zu solchen, sondern die Gegenstände treten nur in der Hülle von Empfindungsinhalten auf (Psychol. d. Erk. I, 56, 221). Das Gegenstandsbewußtsein entsteht durch eine »natürliche Abstraktion« seitens der Aufmerksamkeit, die den Inhalt der Vorstellung aus dem Bewußtsein heraus isoliert und zum Repräsentanten des Gegenstandes macht (l. c. S. 147). Später betont Uphues, die Vorstellungen erhielten eine Beziehung aufs Transzendente erst durch Wortvorstellungen (Namen) im Urteil (Neue Bahnen H. 10, 1896, 529. vgl. Monatshefte d. Comeniusgesellsch. 1895, S. 97 ff.). Vorstellungen vertreten Gegenstände, weil »in ihnen ein Wissen um ein von diesem Wissen und natürlich auch von den Vorstellungen verschiedenes, von beiden unabhängiges Etwas... ruhend und gebunden enthalten ist, das wir jederzeit wieder lebendig machen und auffrischen können« (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 21. Bd., S. 470). »Wir können die Vorstellungen, weil sie uns Gegenstände vertreten, als Gegenstandsbewußtsein bezeichnen, aber wie sie selbst nur wegen des mit ihnen verbundenen, in Urteilen bestehenden Wissens um Gegenstände Vertreter von Gegenständen sind, so hat das Gegenstandsbewußtsein eigentlich auch nur in diesem Wissen, also in letzter Instanz in Urteilen, nicht in Vorstellungen, seine Stelle« (l. c. S. 470 f.). Im Urteile kommt »die Beziehung der den Gegenstand vertretenden Vorstellungen auf den Gegenstand zum Ausdruck«. »Da diese Vorstellungen mit den die Stelle des Prädikats einnehmenden Vorstellungen übereinstimmen, so werden mittelbar mit den ersteren auch diese letzteren auf den Gegenstand bezogen... Gerade in dieser Beziehung... besteht das eigentlich Charakteristische des Urteils, das ›Meinen von etwas‹, das Dafürhalten. Und in diesem Meinen, Dafürhalten des Urteils haben wir das eigentliche Gegenstandsbewußtsein... zu suchen« (l. c. S. 472). Inwiefern die Dinge adäquat erkannt werden, bleibt dahingestellt (früher [in Wahrn. u. Empfind. S. 9, 14, 284 ff.] nimmt Uphues eine unmittelbare Erfassung des Objekts an). (Über SCHWARZ, THIELE s. oben.) Nach E. KOCH ist das »Bewußtsein der Wirklichkeit« weder ein Wahrnehmungsdatum noch ein Reflexionsprodukt noch eine eigene Bewußtseinsart (Das Bewußts. d. Transcend. S. 18 ff.). »Wir haben es nur mit dem Etwas, dem psychologischen Etwas des Bewußtseins der Wirklichkeit zu tun. wenn wir das vergleichen mit dem Etwas einer Wort-Wahrnehmung oder - Vorstellung, so nimmt es die Stellung ›Wirklichkeit‹, das Etwas der Wort-Wahrnehmung oder - Vorstellung die eines ›Ausdrucks‹, einer ›Bezeichnung‹ der Wirklichkeit ein« (l. c. S. 79). »Einmal geht alles in ›einfachen‹ Vorstellungen vor sich, ohne ein Bewußtsein der Transcendenz der ›Vorgänge‹ und des ›Etwas‹. oder aber es geht im Bewußtsein der Wirklichkeit vor sich, verbunden mit dem der Transcendenz des ›Etwas‹ und der ›Vorgänge‹« (l. c. S. 82, 100 ff.). - Mit Uphues vgl. man ULRICI, nach welchem das Vorgestellte »immanent gegenständlich« ist (Leib u. Seele S. 317). »Die Seele unterscheidet das Objekt von sich und macht es sich dadurch vorstellig.« »Erst mit der Unterscheidung des Gegenstandes nicht nur von der Empfindung, sondern auch vom empfindenden Subjekt, womit die Empfindung gleichsam von ihm abgelöst und damit implicite die Beziehung des Gegenstandes zum Subjekt aufgehoben wird, erst damit wird der Gegenstand als Gegenstand gefaßt, erst damit wird die Perzeption zur anschauenden Wahrnehmung, zur objektiven Vorstellung im engeren Sinne« (l. c. S. 353. vgl. Log. S. 83. vgl. LOTZE, Syst. d. Philos. I, 15). - Vgl. SIMON B. LAURIE, Met.2, 1889. AARS, Zur psychol. Analyse der Welt 1900 (Der Glaube an die Objekt-Existenz beruht auf Erwartung, auf einer »Projection« der Kausalität). -

 


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