2. Objekt und Außenwelt
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SCHAARSCHMID bemerkt: »Nicht das Vorstellen und Denken, sondern die Tatsache des Wollens und seiner Erfolge zwingt uns, den Bewußtseinsraum zu transzendieren. Denn sofern ich mich als Willenskraft aus dem Willen heraus kenne, muß ich dem, auf was ich wirke, also zunächst dem eigenen Körper, Wirklichkeit beimessen, da er meiner Anstrengung nicht bloß weicht, sondern auch oft widersteht. Das, was meinem Willen widersteht, kann nicht bloße Erscheinung des Bewußtseinsraumes sein.« »Nicht der Umstand, daß wir bei spontanen Bewegungen, die wir ausführen, Empfindungen haben, verschafft uns die Überzeugung einer fremden Realität, sondern das Bewußtsein der relativen Hemmung, welches unsere Anstrengung erfährt« (Philos. Monatsh. Bd. 14, S. 387 ff.). DILTHEY betont, für das bloße Vorstellen bleibe die Außenwelt immer nur Phänomen, »dagegen in unserem ganzen wollend - fühlend vorstellenden Wesen ist uns mit unserem Selbst zugleich und so sicher als dieses äußere Wirklichkeit... gegeben. sonach als Leben, nicht als bloßes Vorstellen. Wir wissen von dieser Außenwelt nicht kraft eines Schlusses von Wirkungen auf Ursachen oder eines diesem Schluß entsprechenden Vorganges, vielmehr sind diese Vorstellungen von Wirkung und Ursache selber nur Abstraktionen aus dem Leben unseres Willens« (Einleit. in d. Geisteswiss. I, S. XVIII). Der Glaube an die Außenwelt ist zu erklären »nicht aus einem Denkzusammenhang, sondern aus einem in Trieb, Wille und Gefühl gegebenen Zusammenhang des Lebens, der dann durch Prozesse, die den Denkvorgängen äquivalent sind, vermittelt ist« (Urspr. uns. Glaub. an d. Realit. d. Außenw. S. 982). »Aus dem Eigenleben, aus den Trieben, Gefühlen, Volitionen, welche sich bilden und deren Außenseite nur unser Körper ist, scheint mir nun innerhalb unserer Wahrnehmungen die Unterscheidung von Selbst und Objekt, von Innen und Außen zu entspringen« (l. c. S. 983). Indem zu unseren Bewegungsimpulsen die Erfahrung des Widerstandes hinzutritt, entsteht zuerst eine unwillkürliche Unterscheidung des Eigenlebens und eines von ihm Unabhängigen (l. c. S. 983). Indem trotz des erlebten Widerstandes der Willensimpuls fortwährt, wird ein »Willens- und Gefühlszustand des Erleidens, des Bestimmtwerdens erfahren« (l. c. S. 989). Diese Hemmung der Willensintention ist im Widerstandsbewußtsein enthalten und schießt erst die »kernhafte lebendige Realität des von uns Unabhängigen« auf (l. c. S. 991). »Nach unserer inneren Erfahrung ist uns Hemmung oder Förderung überall Kraftäußerung. Und wie wir unser Selbst als wirkendes Ganzes erfahren, tritt zu allererst für uns aus dem Spiel der Kraftäußerungen verständlich die Willenseinheit der andern Person hervor« (l. c. S. 1000). Die Verdichtung der Objektivität der Außenwelt findet nun so statt, daß analog der vorangehenden Setzung anderer Ichs aus dem Sinnenchaos Einzelobjekte ausgeschieden werden, indem »die durch ein Empfindungsaggregat regelmäßig vermittelten Wirkungen auf uns einer in diesem Aggregat sitzenden willenartigen Kraft zugeschrieben werden, welche in diesen Eigenschaften wirksam ist« (l. c. S. 1002). »Sofern ein Empfindungsverband die Struktur eines Willenszusammenhanges nicht besitzt, aber die permanente Ursache eines Systems von Wirkungen ist, nennen wir ihn Objekt. Und die Objekte erweisen in den vom Willen unabhängigen Gleichförmigkeiten des Wirkens oder den Gesetzen ihre selbständige Wirklichkeit« (l. c. S. 1020), wodurch der Phänomenalismus (s. d.) aufgehoben wird. HÖFFDING erörtert das »Experimentieren« des Kindes mit den Objekten. »An den Punkten, wo die Bewegung auf Widerstand stößt, namentlich, wenn der Widerstand Schmerz verursacht, fängt das Nicht-Ich an« (Psychol.2, S. 6 f.) »Der Drang nach Bewegung, der sich so früh in den bewußten Wesen regt, führt diese unwillkürlich zum Eingreifen in die Natur. Sie erfahren jedoch bald, daß ihre Bewegungen nicht ungehindert vorgehen können. An gewissen Punkten stoßen sie auf Widerstand, und in der Empfindung des Widerstandes erscheint dem Individuum etwas Fremdes, etwas, das es selbst nicht ist - was es sonst auch sein möge« (l. c. S. 282 f.). »Gegenstand« ist der Widerstand, das, was uns entgegensteht (l. c. S. 283). Der Objektivismus steht am Anfang des Bewußtseins. »Wir beginnen damit, daß wir jeder Vorstellung, die sich gebildet hat. unmittelbar trauen. Der Zweifel entsteht erst, wenn mehrere verschiedene Vorstellungen zusammenstoßen und sich gegenseitig unvereinbar erweisen. Eine derartige Unvereinbarkeit widerstreitet aber der Identität mit sich selbst, die das Bewußtsein überall zu behaupten sucht. Deswegen lernen wir in gewissem Sinne die Wirklichkeit durch Denken, nicht durch sinnliches Wahrnehmen kennen, indem wir nur dasjenige als wirklich anerkennen, das wir bei unserem Denken und Handeln behaupten können, ohne mit uns selbst in Widerspruch zu geraten. Nur für denkende Wesen kann Wirklichkeit existieren« (l. c. S. 285). »Die Gebilde der Erkenntnis existieren für uns nur durch eine Reihe von Empfindungen, die von Tätigkeiten des Denkens bearbeitet sind. das Objekt ist also nur erkannt, so wie es für uns existiert« (l. c. S. 300). »Wir empfinden also eigentlich nicht die Dinge« (ib.). »Mit einem unmittelbaren sanguinischen Glauben an die Wirklichkeit fangen wir alle an. Wir unterscheiden von Anfang an nicht zwischen den Dingen, wie diese an sich sind, und wie sie sich uns darstellen.« »Das praktische Bewußtsein huldigt dem Objektivismus.« Aber auch die Einsicht in die Subjektivität des Erkennens verhindert nicht die Nötigung, transzendente Objekte gemäß dem Kausalgesetze anzunehmen, da eine absolute Aktivität des Bewußtseins nicht besteht (l. c. S. 302 f.). Die Beschränkung des Bewußtseins als Grundlage des Außenweltsglaubens betont C. GÖRING (Syst. d. krit. Philos. I, 51). Auch RIEHL. »Das ursprüngliche, empfindende und fühlende Bewußtsein kennt weder ein Selbst noch ein Objekt, es verhält sich in Bezug auf diesen Gegensatz noch indifferent« (Philos. Kritizism. II 1, 69). Objektives und Subjektives scheiden sich erst aus der Empfindung aus. »Die Qualitäten rechnen wir zur Außenwelt, die Gefühle zur Innenwelt. Wir wissen direct nicht das Mindeste von einer Subjektivität der Qualitäten. wir fassen sie unmittelbar nicht als Wirkungen auf, die wir erst auf äußere Ursachen zu beziehen hätten, sondern sie sind uns so, wie wir sie haben, Bestandteile der Außenwelt. Ebensowenig vermögen wir umgekehrt den Gefühlen eine objektive Bedeutung zu geben. Denn die ganze Unterscheidung vom Subjekt und Objekt der Vorstellung ist ursprünglich nur die Trennung der beiden Seiten der Empfindung, während die Form der Vorstellung für beide ein und dieselbe ist. Diese Unterscheidung erfolgt notwendig für beide Momente der Empfindung zugleich« (l. c. S. 67). Das Sein der Empfindung schließt die Mitexistenz des non-ego ein: »sentio, ergo sum et est« (ib.. vgl. II 2, 129 f.). »Das bestimmte Verhalten der aktiven Gefühle unseres Körpers im Vergleich mit den passiven in der Empfindung fremder Dinge, die Verschmelzung der Gefühle mit einer bestimmten Empfindungsgruppe, eben unseres Körpers, die Konstanz endlich dieser Gruppe, verglichen mit den variablen Gruppen anderer Empfindungen, sind die Grundlagen zum Objektbewußtsein« (l. c. II 1, 70). »Wir erfahren durch den Zwang, womit uns die Mannigfaltigkeit der Empfindungen bestimmt, daß das Bewußtsein durch eine Wirklichkeit begrenzt wird, die es nicht selber ist«(l. c. II 1, 72). »Die Empfindung ist nichts anderes als dies unmittelbare Wissen der Wechselwirkung zweier Faktoren, aus deren einem sich die objektive, deren anderem die subjektive Erfahrung gestaltet. Wir bedürfen also, um von der Empfindung zum Objekte zu kommen, gar keines Schlusses. die Empfindung ist ein Teil des Objektes, die gegebene räumlich (und zeitlich) abgegrenzte Mehrheit von Empfindungen das Objekt der Wahrnehmung. Das Objekt ist folglich in der Wahrnehmung nicht minder enthalten, als es das Subjekt ist« (l. c. II 1, 196). »Durch die Empfindung von Widerstand werden wir zugleich mit dem Gefühle unserer eigenen körperlichen Existenz des Daseins anderer Körper inne« (l. c. II 1, 203). »Zugleich mit dem Gefühle unseres Strebens erlangen wir die Empfindung der Grenzen welche diesem Streben nicht durch Selbstbeschränkung, folglich von außen her gesetzt werden« (l. c. 112, 155). Die Kontinuität der Objekte wird nicht erfahren. »Der Gedanke der kontinuierlichen Existenz der Objekte entsteht durch die Übertragung unseres Ichbewußtseins auf die Außendinge« (l. c. II 1, 154). Seine volle Überzeugung erhält dieser Gedanke durch den Denkverkehr mit den Mitmenschen (l. c. S. 155). So ist die Wahrnehmung der Außenwelt in letzter Instanz ein »soziales Produkt« (l. c. II 2, 151. so auch BALDWIN. Das soziale u. sittl. Leben S. 454. J. ROYCE meint sogar, der Glaube an die Außenwelt folge erst auf das soziale Bewußtsein, Philos. Review III, p. 513 ff.). »Stets entwickeln wir durch Verschmelzung und Zusammenfassung der Wahrnehmungen die Vorstellung des Gegenstandes, und diese Vorstellung selbst ist nicht mehr rein anschaulicher Natur. Sie ist nach der richtigen Bezeichnung von Helmholtz ein Begriff, denn sie umfaßt alle möglichen einzelnen Wahrnehmungen, die das Objekt in uns hervorrufen kann.« Ein Begriff vertritt für unser Bewußtsein die Stelle des Gegenstandes (Zur Einführ. in die Philos. S. 56. vgl. S. 103). W. OSTWALD bemerkt: »Solche Erlebnisse, über die wir unwillkürlich schalten können, schreibe ich meiner Innenwelt zu. solche, die von meinem Willen unmittelbar unabhängig sind, bringe ich unter den Begriff der Außenwelt.« Die Außenwelt ist »die Summe von Erlebnissen..., zu deren Entstehen die Sinnesapparate mitwirken« (Vorl. üb, d. Naturphilos.2, S. 66 ff.). Über JERUSALEM s. unten. Nach L. DILLES bedingt der Zwang der Empfindungen (der »aufgehobenen Momente« im Ich) die Setzung von Wesen außer dem Ich, deren Manifestationen die Sinnesobjekte, d.h. die gesetzmäßig verknüpften Empfindungskomplexe sind (Weg zur Met. S. 68 ff.). Vgl. RABIER, Psychol. p. 407 ff. Nach MANSEL beruht das Außenweltsbewußtsein auf der Erfahrung des Widerstandes gegenüber der willkürlichen Bewegung. Auch MAX MÜLLER berücksichtigt das Widerstandsbewußtsein (Das Denken im Lichte d. Sprache S. 268 ff.). H. SPENCER leitet die Annahme einer Realität außer uns aus elementaren Erlebnissen ab. Für die Sonderung von Wahrnehmungs- und Erinnerungsbildern ist besonders die Unabhängigkeit der Wahrnehmungsinhalte von uns maßgebend (Princ. of Psychol. § 450 ff.). Damit wird auch das Widerstandsbewußtsein zum allgemeinen Symbol selbständiger Existenz. Nicht die Impressionen sind das Fortdauernde, sondern das, was sie zusammenzuhalten scheint (l. c. S. 498). Die Qualitätenkomplexe stellen wir uns als Kraftzentren vor (l. c. S. 499), als die objektiven Faktoren der Wahrnehmung. A. BAIN gründet das Außenweltsbewußtsein auf den Muskel- als Kraftsinn. »It is in the exercise of force that we must look for the peculiar feeling of externality of objekts.« »The more intense the pressure, the more energetic the activity called forth by it. This mixed state, produced through reacting upon a sensation of touch by a muscular exertion, constitutes the sense of resistance, the feeling, that is the deepest foundation of our notion of externality« (Sens. and Intell.3, p. 376). »The sum total of all occasions for putting forth active energy, or for concerning this as possible to be put forth, is our external world« (l. c. p. 376 f.. vgl. Ment. and Mor. Sc. p. 13, 197 f.). BALDWIN erklärt den »belief in external reality« als »a feeling of the necessary character of sensations of resistance and of my ability to get such sensations again at any time« (Mind XVI, 392). Ein »Projectionsgefühl« konstituiert das Außenweltsbewußtsein, ein Realitätscoefficient (Handb. of Psychol. 2, C., 7, § 4 f.. Das soziale u. sittl. Leb. S. 455). Nach STOUT zwingt uns die Unterbrechung unserer Erfahrung, der Widerstand, den unsere Willenstätigkeit erleidet, zur Setzung eines Objekts (Mind XV, 22 ff.). Auf die Widerstandserfahrung recurriert auch J. WARD (Encycl. Brit. XX). -
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