1. Objekt und Vorstellung (Bewußtsein)

 

K. LASSWITZ bestimmt die Objekte »nicht als eine Ordnung fertiger Dinge..., sondern als Bestimmungen, wodurch Dinge gesetzmäßig vorgestellt werden müssen« (Wirkl. S. 81). »Geht man davon aus, daß es objektive Ordnungen gibt, welche unser Denken bestimmen, so nennt man das Gesetz oder die Einheit des Seienden den ›Gegenstand‹« (l. c. S. 82). Nach H. COHEN ist Sinnesobjekt die »methodisch konstruierte Erscheinung« (Kants Theor. d. Erfahr.2, S. 170). Das Denken konstruiert das Objekt wissenschaftlich. Es ist zu betonen, »daß die Welt der Dinge auf dem Grunde des Denkens beruht. daß die Dinge nicht schlechthin als solche gegeben sind, wie sie auf unsere Sinne einzudringen scheinen. daß vielmehr die Grundgestalten unseres denkenden Bewußtseins zugleich die Bausteine sind, mit denen wir die sogenannten Dinge in und aus letzten angeblichen Stoffteilchen zusammensetzen, und die Normen, mit denen wir die Gesetze und Zusammenhänge jener entwerfen und als Gegenstände wissenschaftlicher Erfahrung beglaubigen«. »Das ist das Bestimmende der Idee im Idealismus: keine Dinge anders als in und aus Gedanken.« In der Wissenschaft allein sind Dinge, Objekte (als solche) gegeben (Princ. d. Infin. S. 125 ff.). Die Realität (s. d.) der Dinge liegt im Infinitesimalen (l. c. S. 144). NATORP erklärt: »Der Tatbestand ist: es gibt 1) im Bewußtsein isoliert bleibende, 2) verbundene, in gesetzmäßigen Zusammenhange gefügte, ›Etwas‹. Die letzteren, und zwar unmittelbar sie selbst, so wie sie uns bewußt sind, der Baum z.B., den ich sehe - und wie ich ihn sehe, durchaus kein von diesem verschiedener, ›transzendenter‹ Baum, bedeutet und ist das ›Wirkliche‹. Das besagt nur, daß wir, zufolge des dieses ›Etwas‹ auszeichnenden Charakters der Gesetzmäßigkeit, auf sie und mit ihnen rechnen können, ohne uns zu verrechnen, auch uns mit andern darüber verständigen.« Objekte sind die »Konstanten der Erkenntnis« (Arch. f. system. Philos. III, 197). Der Kritizismus (s. d.) betont, daß der Gegenstand der Erkenntnis nur ein x, »daß er stets Problem, nie Datum ist«. »Der Gegenstand ist nicht gegeben, sondern vielmehr aufgegeben. aller Begriff vom Gegenstand der unserer Erkenntnis gelten soll, muß erst sich aufbauen aus den Grundfaktoren der Erkenntnis selbst, bis zurück zu den schlechthin fundamentalen.« (Platos Ideenlehre S. 367). E. KÖNIG erklärt, daß die Objekte, »obwohl sie nicht unmittelbar im wahrnehmenden Bewußtsein vorhanden sind, dem denkenden Bewußtsein angehören, welches, insofern es die objektive Gültigkeit der Kategorien anerkennt, auch zur Ergänzung des Wahrgenommenen durch ein jeweilig nicht Wahrgenommenes genötigt ist« (Entwickl. d. Kausalprobl. II, 383). »Das, was dem transzendentalen Bewußtsein immanent ist, und das ist das Gegebene nach Inhalt und Form, ist für das empirische Denken transSubjektiv, ist ihm als ein Fremdes gegeben, ist ihm objektiv, denn es ist von ihm selbst unabhängig« (l. c. S. 393). - Nach LIPPS ist die Außenwelt eine der das Ich umgebenden Zonen, bildet ursprünglich mit dem Ich eine Einheit (Grundtatsach. d. Seelenleb. S. 441 ff., 408). Die Wechselbedingtheit von Subjekt und Objekt betont FR. SCHULTZE (Philos. d. Naturwiss. II, 225, 228). Die empirische Welt ist »der Inbegriff aller unserer Vorstellungen« (l. c. II, 220. s. unten). A. RIEHL unterscheidet das »Sein der Objekte« von ihrem »Objektsein« (Philos. Kritizism. II 2, 130). Wissenschaftlich wird das Objekt durch den Begriff vertreten (l. c. S. 65. s. unten). - STEINTHAL bemerkt: »Wenn wir... sagen: ›ein Objekt begreifen oder auffassen, ein Ding anschauen‹, so ist das nicht so zu denken, als wäre das Objekt, das Ding in seiner Bestimmtheit fertig, stände vor uns und nähme unsere Handlung des Auffassens und Anschauens passiv auf. sondern die Form jener Wortverbindungen hat dieselbe Bedeutung, wie wenn wir sagen: ›einen Brief schreiben, ein Haus bauen‹.« Durch die Tätigkeit des Anschauens ersteht uns erst das Objekt als solches (Zeitschr. f. Völkerpsychol. 1876, IX). GLOGAU betont: »Niemals und nirgends haben wir es direct mit ›Dingen‹ zu tun, mit für sich seienden Elementen... Ein solcher transzendentaler Schein ist das Geschöpf eines unbewußten natürlichen Dogmatismus... Sondern für uns ist die menschliche (oder tierische) Wahrnehmung allein das Gegebene« (Abr. d. philos. Grundwiss. I, 24 f.). Das Objekt ist »die Projection des Subjektes in die Ebene des Daseins«. Das Gemeinte ist »allemal reicher als das, was jedesmal wirklich erfaßt wird« (l. c. S. 230. so auch schon G. THIELE, Gr. d. Log. u. Met. S. 12 f.. Philos. d. Selbstbewußts. 1895). »Das Objekt will das in vollendeter Formung bedeuten, was in dem Subjekte vielfach als unvollendete unklare Gärung sich darstellt« (Abr. d. philos. Grundw. I, 231). Das objektive Verhalten des Geistes ist früher als der bewußte Gegensatz von Subjekt und Objekt. Wir nehmen alles das als ein Objektives, Gegebenes hin, dessen Erzeugung wir uns nicht ausdrücklich als unserer Tat bewußt sind (l. c. II, 23). Nach A. SPIR nehmen wir unsere Empfindungen selbst als räumliche Objekte wahr. Objekte sind nicht Ursachen der Empfindungen, sondern Vorstellungsweisen derselben (Denk. u. Wirkl. I, 113 f., 169. II, 66. s. unten). - STOUT erklärt das Objektbewußtsein aus einer »Construction« der lückenhaften Wahrnehmungsinhalte zu vorstellungsmäßig verknüpften, gleichförmig beharrenden Komplexen (Mind 1890, p. 21 ff.). - Nach EBBINGHAUS sind die Dinge der Außenwelt Vorstellungsobjekte in einem Bewußtsein. »Die Gegenstände der sogen. Außenwelt bestehen... lediglich in gewissen Combinationen und Beziehungen derselben Elemente (Empfindungen, Anschauungen), die in andern Beziehungen den Inhalt der Seele ausmachen helfen« (Gr. d. Psychol. I, 46). Zwischen Geist und Materie besteht keine Disparität (ib.). Ähnlich lehrt VERWORN (S. Psychomonismus). Nach H. CORNELIUS sind die Objekte konstante Zusammenhänge von Erfahrungsinhalten im Gegensatze zur ephemeren Existenz der Bewußtseinsinhalte als solcher (Psychol. S. 115 f.). »Nicht ein bloßes Zusammen von Wahrnehmungen, wie der Sensualismus meinte, sondern ein Zusammenhang von Wahrnehmungen ist im Gegenstande insofern gegeben, als wir ja die sämtlichen Erscheinungen, die der Gegenstand unseren Sinnen darbietet und durch deren Gesamtheit er als eben dieser Gegenstand charakterisiert ist, niemals gleichzeitig wahrnehmen können« (Einl. in d. Philos. S. 257 f.). Das Ding (s. d.) ist ein gesetzmäßiger Zusammenhang von Wahrnehmungen (l. c. S. 262, 270). Das objektiv Seiende setzt sich aus den (in anderer Hinsicht) subjektiven Daten zusammen (l. c. S.271). »Außenwelt« ist nur »der einfachste zusammenfassende Ausdruck für die Gesamtheit unserer sinnlichen Wahrnehmungen« (l. c. S. 309 f.). Nach TH. LÖWY sind die Objekte nur Reihen von Sinnesinhalten (Die Vorstell. d. Dinges S. 241 ff.).

Nach J. BERGMANN ist die Körperwelt das Objekt des einen absoluten Bewußtseins, zugleich auch eine Einschränkung dieses Bewußtseins, für sich je ein bewußtes Wesen (Zeitschr. f. Philos. 110. Bd., S. 103 f.). Nach SCHUPPE bilden Subjekt und Objekt ein untrennbares Ganzes. Objekt, Inhalt des Ich ist alles, dessen man sich bewußt ist (Log. S. 18), und es ist nicht ohne Subjekt. »Kein Wissen von anderem ohne Wissen von sich, kein Wissen von sich ohne Wissen von anderem.« »Es gehört zu dem Sein selbst, daß es in sich die beiden Bestandteile, den Ich-Punkt und die Objektenwelt... in dieser Einheit zeigt, daß jedes von ihnen ohne das andere sofort in nichts verschwindet, eines mit dem andern gesetzt ist« (l. c. S. 21 f.). Die ganze objektive Welt ist Bewußtseinsinhalt, ist nicht durch das Ich, aber mit dem Ich gesetzt, gehört zum Ich überhaupt (l. c. S. 24 ff.). Zum Sein der Welt gehört die »absolute Gesetzlichkeit, nach welcher je nach Umständen und Bedingungen bestimmte Empfindungsinhalte bewußt werden« (l. c. S. 30). Die Objektivität des Wahrnehmbaren besteht in dessen Geknüpftsein an das »Gattungsmäßige« des Bewußtseins. der gemeinsame, in sich zusammenhängende Teil des Bewußtseins ist von den Individuen als solchen unabhängig (l. c. S. 32). Aber auch die speziell dem einzelnen Individuum gegebenen Inhalte »gehören zum subjektiven doch nur in betreff der Auswahl und der Grenzen, welche und wie viele von den ihrem Begriffe nach möglichen Wahrnehmungen wirklich. Inhalt eines Bewußtseins werden. von seiten ihrer Qualität gehören sie nicht zum Subjektiven, sondern zum objektiv Wirklichen« (l. c. S. 33). REHMKE nennt die dualistische Spaltung der Wirklichkeit in Welt und Ich ein »Trugbild der materialisierenden Einbildungskraft«. Außen- und Innenwelt sind in Wahrheit nur die beiden abstrakten Stücke einer Welt, welche die Seele in sich hat. Die Außenwelt ist ihrer Existenz nach unmittelbar gewiß, ist sie doch kein Transzendentes, sondern Bewußtseinswelt, wenn auch nicht bloße Vorstellung (Unsere Gewißh. von d. Außenwelt S. 16, 29, 43 f., 46, 48. Allgem. Psychol. S. 129). Gegenstand des Bewußtseins ist »alles, was als ›anderes‹ gegeben ist, d.h. für welches die Möglichkeit, auch abgesehen von diesem Augenblicksbewußtsein zu sein, nicht ausgeschlossen ist« (Allgem. Psychol. S. 148). Die Dinge gehören der Seele zu (l. c. S. 74 ff.). Nach TH. KERRL gehört die Außenwelt zum Ich (Lehre von d. Aufmerks. S. 22). Nach SCHUBERT-SOLDERN ist der Gegenstand nicht außerhalb der Denkbeziehungen, »er besteht nur aus Wahrnehmungs- und Vorstellungsbeziehungen, die in einem empirischen Subjekt zur Einheit verbunden sind... durch eine in ihnen selbst vorhandene einheitliche Denkbeziehung« (Gr. ein. Erk. S. 181). Der Gegenstand ist ein Teil des vorstellenden Ich (ib.). Nach A. VON LECLAIR ist alles Sein (s. d.) gedachtes Sein. Innerhalb der Welt der Bewußtseinsinhalte gibt es aber verschiedene Wirklichkeitsgrade (Beitr. zu ein. monist. Erk. S. 18 ff.). Nach M. KAUFFMANN ist die einzige Existenzweise der Objekte ihre »Gegenwart im Bewußtsein« (Fundam. d. Erk. S. 9). Objekt sein heißt Inhalt des Subjekts, der höchsten »Form«, sein (l. c. S. 47). Die Existenz der Objekte ist unmittelbar gewiß (l. c. S. 9). - Nach MÜNSTERBERG sind Vorstellung und Objekt ursprünglich eins. »Das Ich, das meinen Dingvorstellungen gegenübersteht, ist das stellungnehmende Subjekt, als das ich mich in jedem wirklichen Erlebnis weiß und betätige. Nur dadurch, daß ich in bezug auf meine Objekte Stellung nehme, weiß ich von mir als Subjekt, nur dadurch, daß ich die Stellung Objekten gegenüber wähle, haben jene Objekte für mich Wirklichkeit. Diese Acte der Stellungnahme seien als Selbststellungen von den Vorstellungsdingen unterschieden. in aller ursprünglichen Wirklichkeit erlebe ich Selbststellungen gegenüber Objekten« (Grdz. d. Psychol. I, S. 50). »Nicht vorgefundene Tatsachen und daraus abgeleitete Kausalgesetze sind die Wirklichkeit, sondern Zielsetzungen und Postulate stehen am Anfang« (l. c. S. 55). Idealistisch lehrt WALTER T. MARVIN (Die Gült. unserer Erk. d. objekt. Welt. Abh. zur Philos. XI, 1899). - Vgl. H. G. OPITZ, Grundr. einer Seinswissensch. I, 1897, ferner die Schriften von FERRIER, GREEN, FRASER, RENOUVIER (Essais I, II), LACHELIER u. a. -

 


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