Rhythmus

Rhythmus (rhythmos, Fließen) ist in einer Fortbewegung (einer materiellen oder einer Tonbewegung) die regelmäßige Wiederkehr bestimmter, gleichartiger Momente, Phasen, Zustände. Jede so gegliederte Strecke ist rhythmisch gegliedert. Ein Teil unserer Bewegungen (Herz-, Atembewegungen, Gang) ist rhythmisch. Schon deshalb die Lust am Rhythmus, besonders aber noch wegen der erleichterten Zusammenfassung einer Vielheit von Eindrücken in die Bewußtseinseinheit, die durch den Rhythmus ermöglicht ist. Das Rhythmisieren der Tätigkeiten (direkt oder durch begleitende Bewegungen oder Tonverbindungen) erleichtert die Arbeit. Wichtig ist der Rhythmus für die Ausbildung der Zeitvorstellung (s. d.), ferner für die Ästhetik (Musik, Poesie, Tanz).

E. DÜHRING meint: »Das Dasein ist sogar in seinen letzten unorganischen, ja rein mechanischen Regungen in einem weiteren Sinne des Wortes rhythmisch« (Wert d. Lebens3, S. 8,2 ff.). Über den Rhythmus schreiben K. PH. MORITZ (Deutsche Prosodie, S,. 23 f.), A. W. V. SCHLEGEL (WW. VII, 136 ff.. Milderung der Affekte durch den Rhythmus), HERBART (WW. VII, 291 H.) R. ZIMMERMANN (Ästhet. B. 196, 223 Ü.), LOTZE (Gesch. d. Ästhet. S. 487 ff.. Vorles. üb. Asthet. S. 26), FECHNER (Vorschule d. Ästhet. I, 162 ff.), A. HORWICZ (Psychol. Anal. II 2, 137 ff.), E. MACH, welcher von »Rhythmusempfindungen« spricht (Unt. üb. d. Zeitsinn d. Ohres 1865, S. 133 f.) u. a. Nach EBBINGHAUS ist das Wesen des Rhythmus »eine Gliederung zeitlich aufeinander folgender Empfindungen durch Zusammentreten mehrerer von ihnen zu einheitlichen Gruppen« (Gr. d. Psychol. 1, 484). Nach H. V. STEIN erleichtert das Rhythmische die Arbeitstätigkeit, verleibt ihr Schönheit (Vorles. S. 37). K. BÜCHER betont die Tendenz der Arbeit, sich rhythmisch zu gestalten (Arbeit u. Rhythmus2, S. 27). Der begleitende Ton-Rhythmus erleichtert die Arbeit (l. c. S. 29). BO wird die Arbeit zu einer Quelle künstlerischer Tätigkeit (l. c. S. 305 ff.). Die rhythmische Körperbewegung hat zur Entstehung der Poesie geführt (l. c. S. 306). Der Rhythmus bedingt den sparsamsten Kräfteverbrauch. ist ein ökonomisches Entwicklungsprinzip (l. c. S. 358). WUNDT bringt den Rhythmus zur ordnenden Kraft des Bewußtseins in Beziehung, welche Zeitvorstellungen zu einem leichter überschaubaren Ganzen vereinigt (Grdz. d. phys. Psychol. II4, S. 87 ff., 288 ff.). Eine Ergänzung und Weiterbildung erfährt die Theorie bei E. MEUMANN (Philos. Stud. X, 249 ff., 393 ff., XI. vgl. VIII - IX). K. LANGE erklärt: »Der Ursprung des Rhythmus ist... in dem Bau und der Bewegung des menschlichen Körpers zu suchen« (Wes. d. Kunst I, 261). Die rhythmische Bewegung führt langsamer zur Ermüdung (l. O. S. 262). Zur Kunstform ist der Rhythmus erst durch seine Verbindung mit dem Tanze geworden (l. c. S. 264). Nach P. SOURIAU (La suggest. dans l'art, 1893) und R. GROOS (Spiele d. Mensch. S. 28 ff.) übt der Rhythmus eine Suggestion, eine Art Ekstase aus, wodurch er die Phantasie entfesselt (NIETZSCHE S »Rausch« als Vorbedingung des Kunstgenusses). Nach H. V. STEIN ist der Rhythmus die Einheitlichkeit in der Folge gleichmäßiger Zeitabschnitte (Vorles. S. 11). Vgl. ARISTOTELES, Poët. 4. Polit. VIII, 5 squ.. WUNDT, Grdz. d. physiol. Psychol. II4. M. ETTLINGER, Zur Grundleg. einer Ästhet. des Rhythmus, Zeitschr. f. Psychol. 22. Bd., S. 161 ff.



Friedrich Kirchner, Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe


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