Die soziale, historische, ethnische, wirtschaftliche Grundlage des Rechtes wird bald mehr empiristisch, bald mehr spekulativ berücksichtigt. Als Produkt, Reflex der Wirtschaft bestimmt die Rechtsverhältnisse der Marxismus (s. Soziologie). Verschiedene Momente betonen: WELCKER (Die letzten Gründe von Staat, Recht und Strafe, 1813), WARNKÖNIG (Rechtsphilos., 1839), F. A. SCHILLING (Lehrb. d. Naturrechts 1859/63), D. DE GLINKA (Philos. du droit 1842), HELFFERICH (Die Kategorien des Rechts, 1863), W. ARNOLD (Kultur- und Rechtsleben, 1865), R. STAMMLER (s. unten) u. a. - Nach L. KNAPP ist die Rechtsphilosophie »die Darlegung der philosophischen Erkenntnis des Rechts«, »die Erkenntnis der Rechtsphantasmen«, der Irrtümer bezüglich des Rechtes (Syst. d. Rechtsphilos. S. 41 f., 215). Das Recht ist »die gewaltsame Unterwerfung unter das vorgestellte Gattungsinteresse« (l. c. S. 193 ff.). Nach JELLINEK ist das objektive Recht »die Summe der Erhaltungsbedingungen der Gesellschaft«, das subjektive Recht ist das »ethische Minimum« (Die social.- eth. Bedeut. d. Rechts, S. 42). Den Standpunkt des sozialen Utilitarismus vertritt IHERING. »Recht ist das System der durch Zwang gesicherten sozialen Zwecke« (Zweck im Recht I, 240). Das Recht ist durch den Staat bedingt (l. c. S. 241). »Staat ist die Gesellschaft selber als Inhaberin der organisierten Zwangsgewalt« (l. c. S. 240). Das Recht ist »disziplinierte Gewalt« (l. c. S. 252). Grundidee des Staates ist »Sicherung der gemeinsamen Interessen aller, d. i. der Gesellschaft gegen ein sie bedrohendes Particularinteresse« (l. c. S. 292). Der Staat ist »die Organisation des sozialen Zwanges« (l. c. S. 307). »Recht ist der Inbegriff der in einem Staate geltenden Zwangsnormen« (l. c. S. 318). »Endzweck des Staates wie des Rechts ist die Herstellung und Sicherung der Lebensbedingungen der Gesellschaft« (l. c. S. 417). Es gibt kein Naturrecht (l. c. II, 109 ff.. so auch, mit Vorbehalt, F. BRENTANO, Vom Urspr. sittl. Erk. S. 6. vgl. S. 100). Den soziologischen Standpunkt vertreten SPENCER (Sociol.), GUMPLOWICZ, RATZENHOFER u. a. (s. Soziologie). - Recht und Moral sind nach V. KIRCHMANN verschieden (Grundbegr. d. Rechts u. d. Moral S. 104 ff.). Das Recht hat sein Wesen »in einer Verbindung der Lust mit dem Sittlichen« (l. c. S. 107). Die »durch den Hinzutritt des Sittlichen geschützte Macht« ist das erste Recht (l. c. S. 108). Es hat seinen Ursprung in dem Gebot der Autoritäten (l. c. S. 109). Es kann auch ohne Zwang, durch Achtung bestehen (l. c. S. 110). Das Recht hat »kein eigentümliches Prinzip. es ist nur eine Verbindung der beiden Prinzipe der Lust und des Sittlichen« (l. c. S. 112. vgl. S. 136 ff.). Der Staat ist nicht die Quelle des Rechts (l. c. S. 146). Vorzugsweise haben die Kriege zur Staatenbildung geführt (l. c. S. 147). »Erst die Verteidigung gegen äußere Feinde oder die Eroberungszüge haben Volk und Fürst zusammengebracht und zu den Anfängen des Staats geführt« (ib.). Die Autoritäten sind stets über dem Recht (l. c. S. 149 ff.), das liegt auch im Begriff der Souveränität (l. c. S. 154). Nach E. DÜHRING ist der Staat als geordnetes Zwangsmittel gegen den falschen Zwang entstanden (Wirklichkeitsphilos. S. 407). Das Strafrecht ist »eine öffentlich organisierte Rache« (l. c. S. 130). Die Machttheorie vertritt GUMPLOWICZ (Sociol. Essays. Gr. d. Sociol.).
ÜBERWEG erklärt: »Die Sphäre der freien Selbstbestimmung, welche dem einzelnen oder auch der kleineren Gemeinschaft innerhalb der umfassenden Gemeinschaft nach allgemeingültigen Bestimmungen oder Gesetzen zusteht, ist das Recht des einzelnen oder der kleineren Gemeinschaft. die Gesamtheit dieser Bestimmungen ist das innerhalb der umfassenderen Gemeinschaft geltende ›Recht‹ im kollektiven Sinne diese Wortes« (Welt- u. Lebensansch. S. 434). Der Staat ist »die umfassendste Gemeinschaft unter einem Oberhaupt, die auf Erreichung sittlicher Zwecke mittels der Form der Rechtsordnung abzielt« (l. c. S. 435). Nach RÜMELIN ist das Rechtsgefühl eine Gestalt des Ordnungstriebes. es »äußert: sich als Entrüstung und Empörung des Gemüts und ist von dem unmittelbaren Drang nach einer einschreitenden Handlung begleitet« (Red. u. Aufsätze I, 72). Das Recht ist »eine gesellschaftliche Lebensordnung, durch welche die Idee des Guten zur äußeren Macht gestaltet wird, um nach allgemeinen, für das Gleiche gleichen Normen der menschlichen Handlungen die Grundlage für die Erfüllung der menschlichen Lebenszwecke sicherzustellen« (l. c. I, 76). Es stammt aus dem »Ordnungstrieb« (l. c. S. 80. vgl. II. 349). Die Strafe dient der Selbstbehauptung des Staates, der Verwirklichung des Rechts, »den Zustand der Gesellschaft zu verhüten, der eintreten müßte, wenn es keine Strafe gäbe« (l. c. II, 190). TÖNNIES bemerkt: »Alles, was dem Sinne eines gemeinschaftlichen Verhältnisses gemäß, was in ihm und für es einen Sinn hat, das ist sein Recht, d. i. es wird als der eigentliche und wesentliche Wille der mehreren Verbundenen geachtet« (Gem. u. Gesellsch. S. 23). Das natürliche Recht bestimmt er als »eine Ordnung des Zusammenlebens, welche jedem Willen sein Gebiet oder seine Funktion zuweiset, einen Inbegriff von Pflichten und Gerechtsamen« (ib.). Das Recht ist ein Erzeugnis des denkenden Geistes (l. c. S. 236), ein Produkt des Zusammenlebens (ib.). Nach DILTHEY ist das Recht »ein auf das Rechtsbewußtsein als eine beständig wirkende psychologische Tatsache gegründeter Zweckzusammenhang« (Einl. in d. Geisteswiss. I, 68). Das Rechtsbewußtsein ist ein Willenstatbestand (l. c. S. 69). Recht und soziale Organisation sind Korrelate (ib.). Das Recht hat den Gesamtwillen, d.h. den einheitlichen Willen der Gesamtheit und seine Herrschaft über einen abgegrenzten Teil der Sachen zur Voraussetzung (ib.). Es ist »eine Funktion der äußern Organisation der Gesellschaft. Es hat in dem Gesamtwillen innerhalb dieser Organisation seinen Sitz. Es mißt die Machtsphären der Individuen im Zusammenhang mit der Aufgabe ab, welche sie innerhalb dieser äußern Organisation gemäß ihrer Stellung in ihr haben« (l. c. S. 97). Das Recht ist ein Zweckzusammenhang. Es wird nicht gemacht, sondern gefunden (ib.). LIPPS erklärt: »Geltendes Recht ist ein in allgemeine Sätze gefaßter oder faßbarer Wille, der gegenüber einem Umkreis von Individuen praktische Anerkennung fordert und gegebenenfalls zu erzwingen die Absicht und die Macht besitzt« (Eth. Grundfr. S. 227). Der Staat schafft die Bedingungen für die Entfaltung der freien sittlichen Persönlichkeit (l. c. S. 229). Die Strafe dient der Besserung des Verbrechers (l. c. S. 290). sie ist der Wille, die schlechte Gesinnung zu negieren, soll die Negation oder Verleugnung des Rechtsbewußtseins im Verbrecher wieder aufheben und damit zugleich die Verletzung desselben in denen, die von dem Verbrechen wissen (l. c. S. 294).