Rechtsphilosophie - Neuzeit

Die Volkssouveränität, auch dem Herrscher gegenüber lehren die »Monarchomachen« LANGUET (Jun. Brutus), HOTOMANUS (Monarchomach.), BUCHANAN (De iure regni), auch BELLARMIN, MARIANA u. a. Auch JOH. ALTHUSIUS. Der Staat ist »universalis publica consociatio, qua civitates et provinciae plures ad ius regni habendum, constituendum, exercendum et defendendum se obligant«. Die Volksgemeinschaft ist Träger der »maiestas«. Die Beamten sind »magistri« des Volkes. Der »summus magister«, der Herrscher, ist auch an die Gesetze gebunden, die durch Ephoren überwacht werden (Polit.). Für die Volksfreiheit plädiert JOHN MILTON (Defensio pro populo anglico). Gegen die Verteidigung des Absolutismus (besonders durch Filmer) wendet sich LOCKE. Der Naturzustand ist »a state of perfect freedom to order their actions and dispose of their possessions and persons, as they think fit, within the bounds of he law of nature« (WW. V, B. II, ch. 2, § 4). Nicht Willkür, sondern Natur- und Vernunftgesetz herrschen hier (l. c. § 5 ff.). Naturzustand ist nicht Kriegszustand (l. c. ch. 3, § 19). Zur Erreichung größerer Sicherheit und Zuträglichkeit ernennen die Menschen einen Richter und Herrscher. Zweck des Staates ist die Erhaltung der persönlichen Freiheit, des Lebens, Eigentums u.s.w. (l. c. II, ch. 8 ff.). Das Volk hat Souveränität, es übt durch eine Corporation (Parlament) die gesetzgebende Gewalt aus, denn die Freiheit der Natur wird im Staate nicht aufgegeben (l. c. II, ch. 11). Die Teilung der Gewalten (powers) bedingt die Unterscheidung der legislativen, executiven, föderativen Gewalt (l. c. ch. 12, § 134 ff.). Das öffentliche Wohl ist höchstes Gesetz. Religiöse Toleranz wird gefordert, Staat und Kirche sind verschiedene Dinge (Letter for toleration). Den Konstitutionalismus betont auch ALGERNON SIDNEY (Discourses concern. government, 1698). Der Herrscher kann von der Volksgemeinschaft zur Rechenschaft gezogen werden (l. c. I, 2). Tyrannen dürfen hingerichtet werden (l. c. I, 3 ff.). Die gemischte Verfassung ist die beste (l. c. II, 30). - Den Konstitutionalismus stellt als Verfassungsmuster auf MONTESQUIEU (Esprit des lois XI, 5). Politische Freiheit gedeiht am besten in einer konstitutionellen Monarchie (l. c. XI, 4). Die Teilung der Gewalten wie bei Locke (l. c. XI, 6). Gesetze sind, allgemein, »les rapports nécessaires qui dérivent de la nature des choses« (l. c. I, 1). Die Naturgesetze »dérivent uniquement de la constitution de notre être« (l. c. I, 2). Die Rechtsgesetze sind vom geographischen Milieu abhängig (s. Soziologie). Die bessere Verfassung ist jene, »dont la disposition particulière se rapporte mieux a la disposition du peuple, pour lequel il est établi« (l. c. I, 3).

Eine Reihe von Philosophen betont den selbständigen sozialen Trieb des Menschen als Quelle der Sozietät und Gesetzlichkeit. So CUMBERLAND, der die verpflichtende Kraft der Gesetze der Natur lehrt (De legib. natur.). Diese verlangen die Förderung des allgemeinen Wohles (l. c. C. 1 ff.). Dieses ist auch im Staate höchstes Gesetz (ib.). Das Gesetz der Natur ist »propositio a natura rerum ex voluntate primae causae menti satis aperte oblata vel impressa, quae actionem agentis rationalis possibilem communi bono maxime deservientem indicat et integram singulorum felicitatem exinde solum obtineri posse« (l. c. 5, § 1). Grundgesetz der Natur ist, »quaerendum esse commune rationalium bonum« (l. c. C. 5, § 57). Hier sind ferner aufzuzählen: SHAFTESBURY, CLARKE, WOLLASTON, BUTLER, HUTCHESON, HUME (kein Staatsvertrag. allgemeines Wohl = Staatsprinzip, Inquir. conc. the prine. of morals), SMITH, PALEY, FERGUSON u. andere Ethiker (s. Ethik, Sittlichkeit).

Unter den Naturrechtslehrern nimmt eine der ersten Stellen PUFENDORF ein. Ein Gesetz ist ihm »norma rationalis actionum« (Elem. iurispr. univ. I, def. 13, § 9). Das natürliche Recht fließt aus der menschlichen Natur. Es ist das Gesetz, »quae cum rationali natura hominis ita congruit, ut humano generi honesta et pacifica societas citra eandem constare nequeat« (De off. hom. II, 1, 2, § 16). Es kann erkannt werden durch »rationis homini congenitae lumen« (ib.). Der (nur fictive) absolute Naturzustand ist in Wirklichkeit schon ein gemäßigter (l. c. II, 2, 1. De iure nat. VIII, 2, 1). Ein Krieg aller gegen alle bestand nicht (l. c. VIII, 2, 2). Aus Selbsterhaltungsgründen mußte der Mensch gesellig sein (l. c. VIII, 1 ff.). Gott hat den Menschen so geschaffen, daß er die Neigung zur Gesellschaft hat (De offic. hom. II, 1, 3). Die Unzuträglichkeiten des Naturzustandes führen, durch Vertrag, zum Staat (De iure nat. VIII, 7, 1 f.). Dieser ist »persona moralis composita« mit einem Willen (ib.). »Salus populi suprema lex« (De offic. II, 2, 11). Die Strafe dient der Abschreckung (l. c. II, 13). Die Unzuträglichkeit des Naturzustandes betont GASSENDI (Animadvers. in dec. libr. Diog. Laërt. 1649), der ebenfalls die Vertragstheorie aufstellt (Philos. Epic. III, 25 squ.). Naturrechtslehrer sind auch D. MEVIUS (Prodrom. iurisprud. gent. communis 1657) und S. RACHELIUS (De iure nat. et gent. 1676). Auf den göttlichen Willen führt das Recht zurück V. ALBERTI, welcher lehrt, »ius naturae pertinere ad reliquias imaginis divinae« (Compend. iur. natur. 1678, Praef., p. 10). »Ius naturale est dictatum rectae rationis... indicans, actui alicui ex eius convenientia aut disconvenientia cum ipsa natura rationali inesse moralem turpitudinem aut honestatem moralem, ac consequenter ab autore naturae deo talem actum aut vetari aut praecipi« (l. c. II, § 14). Ahnlich lehrt SECKENDORF, nach welchem das natürliche Recht ein Gebot der rechten Vernunft ist, welches sagt, was Gott vom Menschen verlange (Teutsche Reden 1691, I, § 5 ff.. vgl. JAC. THOMASIUS, Philos. pract. 1689). - Nach LEIBNIZ ist Recht eine moralische Macht (»quaedam potentia moralis«). Es gibt drei Grade des Naturrechts: »ius strictum, aequitas, pietas« (l. c. II, § 74). Ersteres ist das Recht des Krieges und des Friedens. Sein Gebot ist: »Neminem laedere« (l. c. § 74). Die Billigkeit (aequitas), »duorum pluriumve ratio vel propositio consistit in harmonia seu congruentia« (l. c. § 75). Ihr Gebot: »Suum cuique tribuere« (ib.). Das Gebot der »Pietät« ist: »Honeste virere« (l. c. § 76. Erdm. p. 118). Die Gesetzgebung dient dem Staatsnutzen, Staatsprinzip ist das Volkswohl (ib.. vgl. Deutsche Schriften I, S. 114 ff.). Die Gerechtigkeit gehört zu den ewigen Wahrheiten (Erdm. p. 670). Nach CHR. THOMASIUS ist eine Gesellschaft »unio plurium personarum ad certum finem« (Instit. iurispr. divin. III, 1, 1, § 91). Außer der Gesellschaft ist kein Recht: »In societate est ius« (l. c. § 101 squ.). Das Naturrecht ist das unmittelbar aus Gott entspringende Recht (III, 2, 2). »Lex... est voluntas legistatoris, et legum omnium fons est voluntas divina« (l. c. III, 1, 2, § 83). Das Naturrecht ist unveränderlich (l. c. § 98). Die Geselligkeit ist dem Menschen zu seinem Glücke von Gott eingepflanzt (l. c. III, 1, 4, § 55). Die Summe des Naturgesetzes ist: »Fac ea, quae necessario conveniunt cum vita hominis sociali, et, quae eidem repugnant, omitte« (l. c. § 64). Hauptzweck des Staates ist die Eudämonie (l. c. III, 3, 6, § 4), er ist »persona moralis composita, cuius voluntas ex plurium pactis implicita et unita, pro voluntate omnium habetur, ut singulorum viribus et facultatibus ad pacem et securitatem communem uti possit« (l. c. III, 3, 6, § 63). Die Fundamente der Lebensführung sind das »iustum, decorum, honestum«. - Auf den göttlichen Willen, wie er in der Welt zur Rechtsquelle wird, recurrieren H. BODINUS (Ius mundi, 1698), CHR. MUELDENER (Posit. inaugurales 1698), H. V. COCCEJI (Prodrom. instit. gent. 1719) und S. COCCEJI (Disput. iuridica, 1690). H. E. KESTNER (Ius naturae et gentium, 1705) ist eklektisch. Nach J. G. WACHTER ist das Naturrecht »id, quod hominem decet, quatenus homo est« (Origin. iur. nat. 1704, p. 7). Das Naturrecht geht auf Gott zurück. Aus der Natur des Menschen leitet das Recht CHR. WOLF ab (Instit. iur. nat. et gent. 1750, Praef. I, 1). »Lex naturae nos obligat ad committendas actiones, quae ad perfectionem hominis atque statum eiusdem tendunt, et ad eas omittendas, quae ad imperfectionem ipsius atque status eiusdem tendunt« (l. c. I, 2, § 43). »Lex naturalis est, quae rationem sufficentem in ipsa hominis rerumque essentia atque natura agnoscit« (Philos. prset. I, § 135). »Lex naturae est etiam lex divina« (l. c. § 277). Die Herrschaft, der Staat beruht auf Vertrag (Instit. III, sct. 1, C. 1 squ.). Höchstes Staatsgesetz ist das öffentliche Wohl (l. c. sct. 2, C. 1). - Nach ROUSSEAU führt die Unmöglichkeit für die Menschen, sich in einem Naturzustande zu erhalten, zum Staatsvertrage (»contrat social«), der als ein stillschweigender Vertrag zu betrachten ist. Durch diesen überträgt die Gesamtheit der Wollenden ihre natürliche Freiheit auf einen Gesamtwillen (»volonté générale«, im Unterschied von der »volonté de tous«). Die persönliche Freiheit wird dadurch nicht aufgehoben, nur muß sie sich der Gemeinschaft unterordnen, welche aber allen die gleichen Rechte gewähren muß (Contrat social II, 4). »Si... on écarte du pact social ce qui n'est pas de son essence, on trouvera qu'il se réduit aux termes suivants. chacun de nous met en commun sa personne et toute sa puissance sous la suprême direction de la volonté générale. et nous recevrons en corps chaque membre comme partie indivisible du tout« Es entsteht so ein »corps moral et collectif« (l. c. I, 6 ff.. II, 1 ff.). Zweck der Gesellschaft ist das Wohl der Individuen (l. c. III, 9), Zweck der Gesetzgebung Freiheit und Gleichheit (l. c. II, 11). Die legislative Gewalt muß dem Volke angehören (l. c. III, 1 ff.), die executive der Regierung, die ihr Amt von der Gesamtheit übertragen bekommt (ib.). - Socialistische Ideen finden sich bei MORELL (Code de la nature, 1758. s. Soziologie).


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