Nach SCHUPPE ist das Recht (objektiv) »der Wille, welcher aus der ursprünglichen Wertschätzung und dem aus ihr fließenden, logisch notwendigen, auf die Selbstbejahung aller gerichteten Willen jede Beeinträchtigung des einen durch den andern verbietet« (Grdz. d. Eth. S. 293). GIZYCKI bestimmt: »Recht ist, was einer sittlichen Regel gemäß ist« (Moralphilos. S. 127). - Nach WUNDT ist das Recht nicht aus willkürlicher Übereinkunft hervorgegangen, sondern »ein natürliches Erzeugnis des Bewußtseins, welches in den Gefühlen und Strebungen, die durch das Zusammenleben der Menschen erweckt werden, seine fortdauernde Quelle hat. Es fällt ursprünglich mit der Sitte zusammen und ist innig geknüpft an religiöse Anschauungen« (Log. II2, 2). Das Recht differenziert sich aus der ursprünglichen »Sitte« (s. d.) heraus. Das Recht ist »der Inbegriff der Normen..., denen der Staat bei den seiner Machtsphäre angehörigen Gliedern der Gesellschaft Geltung verschafft, und denen er zugleich in seinem Verhalten gegen sie wie in seinem Verkehr mit anderen Staaten sich selbst unterwirft« (Eth.2, S. 215). Staat und Recht treten zusammen auf (ib.). In Anlehnung an bestehende Sitten bildet sich eine Rechtsgewohnheit, deren Befestigung zur bindenden Norm das Gewohnheitsrecht zeitigt, zu dem dann das Gesetzesrecht kommt (l. c. S. 217). Die wechselnden Rechtsanschauungen sind die besonderen Gestaltungen, die der nach unverbrüchlichen Gesetzen sich entwickelnde Rechtsgedanke jeweilig gefunden hat (l. c. S. 567). Das Recht soll einen sittlichen Zweck verfolgen (l. c. S. 580). Subjektives Recht ist »jeder objektiv anerkannte Anspruch auf irgend ein Gut« (l. c. S. 575). Das objektive Recht ist der »Inbegriff aller der subjektiven Einzelrechte und Pflichten.... welche der das Recht erzeugende sittliche Gesamtwille sich selbst und den ihm untergeordneten Einzelwillen zum Zweck der Verfolgung sittlicher Lebenszwecke als Rechte gewährt und zum Zweck des Schutzes dieser Rechte als Pflichten auferlegt« (l. c. S. 580). Die Strafe ist die natürliche Reaktion des Gesamtwillens gegen die Auflehnung. Sie ist ein Zucht- und Erziehungsmittel, zugleich Sühne der Schuld, Versöhnung des Rechtsbewußtseins (l. c. S. 530 ff.). Der Staat ist eine Gesamtpersönlichkeit (s. Soziologie).
Nach HÖFFDING ist das Recht der »Inbegriff der in bestimmten Kundgebungen ausgesprochenen Regeln für die Anwendung der Gewalt« (Eth. S. 522). Früher waren Recht, Sitte, Moral, Religion eins (ib.). Das Recht sollte stets auf ein Minimum abzielen (l. c. S. 525). »Das lebhafte Rechtsgefühl des Volkes ist... die letzte Schutzwehr der Rechtsorganisation, so wie dasselbe ebenfalls die Quelle ist, aus der sich diese ursprünglich entwickelt hat« (l. c. S. 532). Der Staat ist »die zentralisierte Gewalt des Volkes« (l. c. S. 551). Die Strafe entsprang dem Rache- oder Vergeltungstrieb (l. c. S. 553). Sie soll nicht Vergeltung sein (gegen Kant, Fichte, Lotze, Laas, Dühring). Sie dient der Wiederherstellung der Rechtsorganisation und der Veränderung des Charakters des Täters (l. c. S. 575).
Psychologisch (bezw. psychophysisch) betrachtet das Recht M. BENEDICT. Nach ihm besteht das Recht in der Herstellung des Gleichgewichtes zwischen Lust und Unlust (Verstärkung der Lust oder Unlust durch Belohnung oder Strafe). Das Verbrechen ist eine moralische Krankheit (Zur Psychophys. der Moral u. d. Rechts, 1875). Aus dem Machtbewußtsein erklärt das Recht STRICKER.(Physiol. d. Rechts, 1884). HOPPE erklärt: »Recht ist das, was die geistigen Gefühle befriedigt und deshalb von der Denktätigkeit als auf ein zu billigendes Ziel gerichtet erkannt wird« (Der psychol. Urspr. d. Rechts 1885, S. 4). - Wertvolles ethnologisches Material für die Rechtslehre liefern J. KOHLER, A. H. POST (Die Anfänge des Staats- und Rechtsleb. 1878) u. a. Vgl. auch LETOURNEAU, L'évolut. juridique 1891. SCHÄFFLE, Bau u. Leben des social. Körp.. P. BARTH, Philos. d. Gesch.. H. HILLEBRAND, Recht u. Sitte 1896. TARDE, Les transformations du droit. L. F. WARD, Pure Sociol. p.420 f., 549. H. MAINE, Ancient Law. P. WILUTZKY, Vorgeschichtl. Recht I, 1902 ST. V. CZOBEL (Entwickl. d. social. Verhältnisse 1902, S. 201) und die wichtigeren Völkerkunden, Soziologien und Culturgeschichten, sowie die »Zeitschrift für vergleich. Rechtswissensch.«. - Die Abhängigkeit des Verbrechers von physiologischen, pathologischen, sozialen Bedingungen betonen LOMBROSO (L'uomo delinquente), TURATI, COLAJANNI u. a. (Y. Verbrechen).
Von methodischer Bedeutung sind die Schriften von C. BERGBOHM (Das Naturrecht d. Gegenwart, 1892), E R. BIERLING (Jurist. Prinzipienlehre, 1894/98), R. STAMMLER, der den Standpunkt des Kritizismus vertritt. Nach ihm ist die »Materie« des sozialen Lebens die Wirtschaft, dessen »Form« das Recht, als ein »Zwangsversuch zum Richtigen« (Lehre vom richt. Recht, S. 29). Das Recht ist die notwendige Bedingung der gesetzmäßigen Ausgestaltung des sozialen Lebens (Wirtsch. u. Recht, § 96. Lehre vom richt. Recht, S. 29). Die rechtliche Regelung ist die bedingende Form des sozialen Daseins (Lehre vom richt. Recht, S. 7). »Richtiges Recht« ist »dasjenige Recht, welches in einer besondern Lage mit dem Grundgedanken des Rechts Überhaupt zusammenstimmt« (l. c. S. 15). Es ist ein besonders geartetes, gesetztes, nicht ein ideales Recht (l. c. S. 22). »Alles gesetzte Recht ist ein Versuch, richtiges Recht zu sein« (l. c. S. 31). Zu seiner vollkommenen Erfüllung bedarf das richtige Recht der sittlichen Lehre (l. c. S. 87). diese wiederum bedarf zu ihrer Verwirklichung des richtigen Rechtes (l. c. S. 90). Die Lehre vom richtigen Rechte geht vom Begriffe des Rechts aus, wertet das Einzelrecht nach dieser Norm, geht auf methodische Einheit der Rechtsgedanken. Die »Idee des richtigen Rechtes« ist »die Einheit von Einzelzwecken nach einem Endzweck der Gemeinschaft« (l. c. S. 197). Sociales Ideal ist die »Gemeinschaft frei wollender Menschen« (l. c. S. 198). »Richtigkeit eines rechtlichen Willensinhaltes heißt Übereinstimmung mit dem sozialen Ideal« (l. c. S. 201). Die »Orthosophie« ist das Wissen des Richtigen in allen seinen Anwendungen, die Methode von dem richtigen Bewußtseinsinhalt (l. c. S. 621 ff.). - Vgl. LEO von STEIN, Syst. d. Staatswissensch. II, 51 ff.. LASSALLE, Das System der erworbenen Rechte, 1860. PLANCK, Testam. eines Deutschen, S. 578 ff.. H. GROSS, Entwurf einer Rechtsentwickl., 1873. SPIR, Recht und Unrecht, Gesamm. Schrift. III. Bd.. JODL, Üb. d. Wesen des Naturrechtes, 1893. UNOLD, Gr. d. Eth. S. 210 ff.. SIGWART, Log. II2, 243 f.. FOUILLÉE, L'idée moderne du droit, 2. A. 1883. A. AALL, Macht und Pflicht, 1902 (I, 72 ff.. II, C. 4). ferner die Schriften von A. PULSZKY, J. PIKLER (gegen das Naturrecht. Zweckgrundlage des Rechtes),
A. ESTERHAZY, ferner: JOUFFROY, Prolegomènes au droit naturel, 1835 (Ursprünglichkeit des Rechtsbewußtseins). DROSTE-HÜLSHOFF, Lehrb. d. Naturrechts, 1823. H. RITTER, Üb. d. Prinzipien d. Rechtsphilos., 1839. W. SNELL, Naturrecht, 1857. ULRICI, Das Naturrecht, 1872. G. BIEDERMANN, Moral-, Rechts- u. Religionsphilos., 1890. BYK, Rechtsphilosophie, 1882. DAHN, Die Vernunft im Recht, 1879. Grundl. d. Rechtsphilos., 1879. HARMS, Begriff, Formen u. Grundleg. d. Rechtsphilos., 1889. LIOY, Philos. d. Rechts, 1885.
Zur Geschichte der Rechtsphilosophie: J. F. BUDDEI historia iuris naturalis, 1695. FR. VON RAUMER, Geschichtl. Entwickl. d. Begriffe von Recht, Staat und Politik, 1826ß2. HINRICHS, Geschicht. d. Rechts- und Staatsprinzip., 1839/52. ROSSBACH, Die Perioden d. Rechtsphilos., 1842. LINTZ, Entwurf einer Gesch. d. Rechtsphilos., 1846. J. H. FICHTE, Die philos. Lehren von Recht, Staat u. Sitte, 1850. F. VORLÄNDER, Gesch. d. philos. Moral, Rechts- und Staatslehre d. Engl. u. Franz., 1855. HILDENBRAND, Gesch. d. Rechtsphilos.