Satz (protasis, propositio, enunciatio) ist der sprachliche Ausdruck eines Urteils (s. d.) oder eines Willens zum Urteil (Frage, s. d.). Die Worte (s. d.) haben ursprünglich Satzbedeutung, vertreten auch Urteile, nicht bloß Vorstellungen. Jeder Satz ist eine Aussage (s. d.) (über einen Tatbestand, einen Wunsch, einen Befehl u. dgl.). Nach ARISTOTELES ist der Satz eine bejahende oder verneinende Aussage: protasis men oun esti logos kataphatikos ê apophatikos tinos kata tinos (Anal. pr. I 1, 24a 16). - MICH. PSELLUS definiert den Satz (logos) als phônê sêmantikê kata synthêkên, hês ta merê kath' hauta sêmainei kechôrismena (bei Prantl, Gl. d. L. II, 266). Die Sätze zerfallen in teleioi logoi (aoristikoi und prostatikoi), ateleis logoi (ib.).
HOBBES definiert: »Est autem propositio oratio constans ex duobus nominibus copulatis, qua significat is, qui loquitur, concipere se, nomen posterius eiusdem rei nomen esse, cuius est nomen prius« (Comput. p. 20). Nach CHR. WOLF ist ein Satz »die Rede, dadurch wir zu verstehen geben, daß einem Dinge etwas zukomme oder nicht« (Vern. Ged. von d. Kr. d. m. Verst. S. 70). »Est enunciatio sive propositio oratio, qua alteri significamus, quid rei conveniat, vel non conveniat« (Philos. rational. § 41). CRUSIUS erklärt: »Wenn wir auf das Verhältnis zweier Begriffe acht haben, so entstehen Sätze« (Vernunftwahrh. § 426). H. S. REIMARUS definiert: »Ein Urteil, welches mit Worten ausgedrückt wird, heißt ein Satz« (Vernunftlehre S. 144).
Nach KANT ist ein Satz ein »assertorisches Urteil« (WW. VI, 10). Im bedingten Satze ist »ein Verhältnis zweier Urteile, deren keines ein Satz ist, sondern nur die Konsequenz des letzteren (des consequens) aus dem ersteren (antecedens) macht den Satz aus« (ib.).
Nach KRUG ist der Satz »ein örtlich dargestelltes Urteil«. Im Satze wird das Urteil »gleichsam vor uns hingestellt oder objektiv« (Handb. d. Philos. I, 152). BACHMANN definiert: »Ein mit Worten ausgedrücktes Urteil ist ein Satz« (Syst. d. Log. S. 118). HEGEL unterscheidet Satz und Urteil. der Satz wird zum Urteil erst, wenn das Prädikat sich zum Objekt als wie allgemeines zum besondern verhält (Log.). Schon LEIBNIZ unterscheidet den objektiven vom Subjektiven, gedachten Satz (vgl. Nouv. Ess. IV, ch. 5), »propositio possibilis« (Dial. de connex. int. verba et res. Gerh. VII, 190 f.). Die Lehre vom »Satz an sich« wird berührt bei METZ: »Da durch jedes Urteil etwas gesetzt wird, ein bestimmtes Verhältnis nämlich der gegebenen Vorstellungen zur Einheit des Bewußtseins, so heißt auch jedes, in der Abstraktion von der Handlung des Geistes, welche es ist, ein Satz« (Handb. d. Log. § 112). Nach GERLACH ist daß Urteil, das »Bewußtsein von Verhältnissen zweier Vorstellungen« Subjektiv, dagegen ist der Satz, in welchem das Verhältnis zweier Vorstellungen bestimmt ist, objektiv (Gr. d. Log. § 67). MEHMEL erklärt: »Das Urteil objektiv, das ist, mit Abstraktion von dem Geiste, dessen Handlung es ist, heißt ein Satz« (Anal. Denkl. S. 48). Besondere Ausbildung erfährt die Lehre vom Satz an sich bei BOLZANO. Nach ihm ist ein Satz »jede... Rede, wenn durch sie irgend etwas ausgesagt oder behauptet wird« (Wissensch. I, § 19, 63. 76). »Satz an sich« ist der Sinn des Satzes, er ist dasjenige, was man sich unter dem Worte Satz notwendig vorstellen muß. Er ist »eine Aussage, daß etwas ist oder nicht ist. gleichviel ob diese Aussage wahr oder falsch ist, ob sie von irgend jemand in Worte gefußt oder nicht gefußt, ja auch im Geiste nur gedacht oder nicht gedacht worden ist« (l. c. S. 77). Der Satz an sich hat keine (raum-zeitliche) Existenz. »Ein Dasein kommt nur gedachten, ingleichen für wahr gehaltenen Sätzen, d.h. Urteilen zu, nicht aber den Sätzen an sich, welche der Stoff sind, den ein denkendes Wesen in seinen Gedanken und Urteilen auffaßt« (l. c. § 122 ff., B. 4). Von den Anschauungssätzen sind die Begriffssätze zu unterscheiden (l. c. § 133, S. 33 ff.. vgl. CRUSIUS, Weg zur Gewißheit, § 222, 231).
Nach GUTBERLET ist der Satz der Ausdruck des Urteils, ein »Ausdruck, m welchem ein Terminus dem andern, vom andern ausgesagt wird und ein dritter die Aussage selbst anzeigt« (Log. u. Erk.2, S. 31). Nach II. PAUL ist der Satz der sprachliche Ausdruck, das Symbol »dafür, daß sich die Verbindung mehrerer Vorstellungen oder Vorstellungsgruppen in der Seele des Sprechenden vollzogen hat, und das Mittel dazu, die nämliche Verbindung der nämlichen Vorstellungen in der Seele des Hörenden zu erzeugen« (Princ. d. Sprachgesch. § 85). Nach a. GLOGAU ist jeder grammatische Satz ein Urteil (Abr. I, 342). »Der Satz sieht das Subjekt als tätiges Wesen an, das Prädikat als eine von ihm (in willkürlicher Selbstbestimmung) vollzogene Handlung« (l. c. S. 343). B. ERDMANN betont, nicht jeder Satz sei ein Urteil (Log. I, 233). Nach A. MEINONG gelangen in Sätzen, die keine Urteile ausdrücken, »Annahmen« (s. Urteil) zum Ausdruck (Üb. Annahm. S. 272. vgl. S. 26 ff.). Die Bedeutung des Satzes ist daß »Objektiv« des Urteils oder der Annahme (ib.). Die »Annahme« ist mehr als Vorstellung und weniger als ein Urteil (l. c. S. 276). Nach WUNDT ißt der Satz der sprachliche Ausdruck für »die willkürliche Gliederung einer Gesamtvorstellung in ihre in logische Beziehungen zueinander gesetzten Bestandteile« (Völkerpsychol. 1, 2, 240). Aus dem Prozess dieser Gliederung entsteht das Wort (ib.). »Satz und Wort sind... gleich wesentliche Formen des Denkens, und der Satz ist sogar die ursprünglichere von beiden, da der Gedanke zunächst als Ganzes gegeben ist und dann erst in seine Bestandteile gegliedert wird« (Gr. d. Psychol.5, S. 365 f.). Ursprünglich ist das Prinzip, »daß die Wortfolge der Vorstellungsfolge entspricht. darum gehen namentlich diejenigen Redeteile voraus, welche die am stärksten das Gefühl erregenden und die Aufmerksamkeit fesselnden Vorstellungen ausdrücken« (l. c. S. 366). Vgl. STEINTHAL, Einl. in d. Psychol. 1. DELBRÜCK, Grundfr. d. Sprachforsch. 1901.