Seele

Seele (psychê, anima), ursprünglich der Lebenshauch, der im letzten Atemzug den Sterbenden zu verlassen scheint, das Prinzip des Lebens und Empfindens, das man (auf Grund der Deutung der Phänomene des Traumes, der Ekstase u.s.w.) sowie infolge der allgemeinen Vergegenständlichungstendenz des Denkens als ein selbständiges, vom Leibe trennbares Wesen (von feinstem Stoffe) auffaßt. allmählich erst entwickelt sich der primitive, animistische Seelenbegriff zu dem Begriff einer immateriellen Substanz oder auch zu dem eines bestimmten, feinen Körpers (Materialismus) oder zu dem des Lebens- und Empfindungsprinzips schlechthin. Empirisch ist »Seele« jetzt nur ein Name für den einheitlichen Inbegriff des psychischen Lebens, für das Bewußtsein selbst. Ein Wesen hat eine Seele, ist beseelt heißt, es ist fähig, zu empfinden, zu fühlen, zu wollen u.s.w. Die Seele ist demnach nicht ein vom Leibe verschiedenes, getrennt existierendes, substantielles Wesen, sie ist auch nicht ein materielles Ding, sondern ein Wesen ist Seele, sofern es Leben und Bewußtsein hat, es ist Körper, sofern es als im Raume ausgedehnt, als undurchdringlich u.s.w. erscheint. »Seele« und »Leib« sind nicht zwei Dinge, doch sind sie auch nicht eins, sondern sie sind Namen, Begriffe für zwei Daseins- oder Erscheinungsweisen, besser für zwei Betrachtungsweisen einer Wirklichkeit. Diese ist Seele (seelisch) vom Standpunkt der unmittelbaren (inneren), sie ist Körper vom Standpunkt der mittelbaren, abstrakt-naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Die Seele kann als das »Innensein«, »Für-sich-sein« eines Wesens bezeichnet werden. Ist nun auch dieses Innensein kein Ding, keine Substanz, besteht seine Wirklichkeit in seiner Wirksamkeit, in der Aktualität des Bewußtseins selbst, so ist es doch nicht bloß ein »Bündel« von Einzelzuständen, sondern einheitlicher Zusammenhang, einheitliches Subjekt und insofern doch substantiell, besser übersubstantiell, ein sich selbst permanent in seinen Akten setzendes Wirken. Metaphysisch ist die Seele das reine Subjekt, die Ichheit, deren qualitativer Charakter ein sich selbst (in einem Organismus) objektivierender, konstanter Wille (s. d.) ist. Zwischen Seele und Leib besteht (empirisch) ein »Parallelismus« (s. d.).

Der Dualismus (s. d.) lehrt die Gesondertheit, Verschiedenheit von Seele und Leib. er betrachtet die beiden als zwei Substanzen oder zwei Arten von Vorgängen. Die Seele gilt hier bald als eine vom Leibe qualitativ, bald als eine nur existentiell verschiedene analoge Wesenheit. Der Monismus (s. d.) betrachtet entweder die Seele als das An-sich der Dinge, als deren Erscheinung den Körper (Spiritualismus, s. d.), oder die Seele als bloße Erscheinung, Funktion des Körpers, der oft selbst als die Seele bezeichnet wird (Materialismus, s. d.) oder es sind ihm Seele und Körper zwei Erscheinungen, Daseinsweisen eines Wesens (Identitätslehre, s. d.). Vom Standpunkt der Substantialitätstheorie ist die Seele eine Substanz (s. d.), von dem der Aktualitätstheorie ist sie der Inbegriff psychischer Prozesse selbst. Die Seele wird ferner als einfach oder sie wird als zusammengesetzt gedacht. Betreffs des »Sitzes« der »Seele« s. Seelensitz.

Zur Etymologie des Wortes Seele vgl. PLATO, Cratyl. 400 A. ARISTOTELES, De an. I 2, 405 b 28. ADELUNG, GRIMM. CARUS, Gesch. d. Psychol. S. 103 ff.. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. I4, 71. K. K. KRESTOFF, Lotzes met. Seelenbegr. 1890, S. 25.



Begriff und Definition der Seele:


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