Substanz (substantia, hypokeimenon, hypostasis, ousia. »substantia« zuerst bei QUINTILIAN, vgl. Prantl, G. d. L. I, 514): das Unterliegende, den wechselnden Eigenschaften und Veränderungen zugrunde Liegende, d er beharrende »Träger« der dinglichen Merkmale, zugleich das »Wesen« (s. d.). Die Substanz ist eine Kategorie (s. d.), ein allgemeines Denkmittel, welches zur (wissenschaftlichen) Verarbeitung der Erfahrungsinhalte dient, nicht ein bloßer Niederschlag von Erfahrungen ist, sondern in seiner bedingenden Funktion a priori (s. d.), seinem Ursprunge nach ein Produkt der Wechselwirkung von Denken und Erfahrung ist und zugleich sein Urbild oder Muster in der Permanenz und im Subjekt- Charakter des Ich (s. d.) hat. Im Substanzbegriff liegt zweierlei: l) das Selbständige, das In-sich-sein, Für-sich-sein im Verhältnis zu den Akzidentien (s. d.), das Trägersein, Subjektsein von Eigenschatten. 2) das Beharrende, Beharrliche, Bleibende, Seiende (s. d.) gegenüber der Veränderung (s. d.) - beides Merkmale, die das Ich unmittelbar sich selbst vindiziert. Die relative (zeitliche) Konstanz und (räumliche) Gesondertheit, Abgeschlossenheit, Selbständigkeit von Erfahrungsinhalten ist das empirische »Fundament«, das unser Denken veranlaßt, nötigt, die Kategorie der Substanz auf Objekte der Außenwelt anzuwenden, aus dem »Zusammen« von Eigenschaften in einer Objekt- Einheit das Verhältnis der »Inhärenz« (s. d.) und damit der Substantialität, des »Habens« (s. d.) der Eigenschaften durch den beharrenden Träger zu machen. Der absolute Substanzbegriff ist keine primäre Kategorie, sondern eine Weiterentwicklung des relativen Substanzbegriffs, der Ding-Kategorie (s. d). In der Anwendung des Substanzbegriffs zeigt sich: 1) ein Schwanken zwischen dem absoluten und relativen Substanzbegriff. 2) ein Wechsel in der Bevorzugung bald des einen, bald des andern Elementes des Substanzbegriffs. 3) eine Verschiedenheit desjenigen, worauf der Substanzbegriff angewandt wird: a. qualitativ (Geist - Materie), b. quantitativ (Vielheits- - Einheitslehre). Die Elimination des Substanzbegriffes führt zur Aktualitätstheorie (s. d.), entweder bloß für die Psychologie (s. Seele), oder auch für die Naturwissenschaft (s. unten). Der Substanzbegriff kann also in verschiedener Weise und auf Verschiedenes angewandt werden - je nach den Forderungen der fortgeschrittenen Erfahrung und des kritisch- spekulativen Denkens, in letzter Linie der metaphysischen Hypothesen. Die materielle Substanz, Materie (s. d.), ist das Beharrende in der Körperwelt als solcher, die seelische Substanz ist die Seele (s. d.) selbst, d.h. das einheitlich-permanente-identische Ich (s. d.) als Träger, Subjekt (s. d.) seiner Erlebnisse, ohne die es nicht besteht. das Bewußtsein ist selbst »substantiell«, insofern es konstantes In- und Für-sich-sein, permanenter Wille (s. d.), »aktual«, sofern dieser Wille kein starres, ruhendes Sein ist. Wir fassen die Objekte als Substanzen auf, indem wir ihnen ein dem unsrigen analoges Eigensein zuschreiben (s. Subjekt). - Den Ursprung des Substanzbegriffs betreffend, betrachtet der Rationalismus diesen Begriff als einen denknotwendigen, aus der Vernunft entspringenden, als »ewige Wahrheit«, der Empirismus hält ihn für ein Produkt einer Erfahrung oder der Induktion, der Kritizismus sieht teilweise in ihm eine primäre, apriorische Kategorie, teilweise ein Resultat der Verarbeitung der Erfahrung durch das Denken, der Sensualismus ist geneigt, ihm objektive Gültigkeit abzusprechen. auch aus der inneren Erfahrung wird der Begriff abgeleitet, wie er auch anderseits als Assoziations- oder als Imaginationsprodukt angesehen wird.
Begriff und Definition des Substanz:
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