Subjektiv (subiectivus): das Subjekt konstituierend, dem Subjekte (s. d.) zukommend, zum Subjekt und dessen Natur gehörig, im Subjekt existierend, im Subjekt begründet, aus dem Subjekt stammend, entspringend, vom Subjekt abhängig, (nur) in Beziehung auf das Subjekt. Je nach der Bedeutung, in der man das Subjekt nimmt, variiert die Bedeutung von »Subjektiv«. Subjektiv heißt demnach: 1) im scholastischen Sinne: wirklich, gegenständlich (s. Subjekt). 2) im neueren Sinne: nicht im An-sich-, sondern im Für-ein-Subjekt-sein. a. subjektiv-allgemein: in Beziehung auf das Bewußtsein (s. d.) schlechthin, immanent, nicht-transzendent (s. d.) (z.B. der objektive Raum). b. innerhalb des Bewußtseins subjektiv-individuell, d.h. vom individuellen Ich abhängig (z.B. die Sinnesqualitäten). c. nicht zum Vorstellungsinhalt, sondern zu den Subjektmodis: Gefühl, Willen gehörig, das Ich konstituierend. d. nicht objektiv- unbefangen, den Gesetzen des Denkens und der Erfahrungsobjekte gemäß gedacht, sondern vorurteilsvoll, phantasiemäßig, unter dem Einfluß der Leidenschaft, des Interesses u.s.w. beurteilt. Der subjektive Charakter des Erkennens und des Erkennenden ist deren Subjektivität. Als Bewußtseinsakt, als Ich-Tätigkeit ist alles Erkennen (s. d.) Subjektiv. gleichwohl hat es einen objektiven, vom Subjekte und dessen Selbstaffectionen verschiedenen Inhalt und Gegenstand, es ist ein auf Objektives »gerichtetes«, Objekte (s. d.) vorstellend-denkend setzendes, gesetzlich bestimmtes Subjekt-Tun. - Das von der Beschaffenheit der Sinneswerkzeuge Abhängig ist das psychophysisch Subjektive, Gefühle und Strebungen sind das psychologisch Subjektive, Bewußtseinsinhalte als solche überhaupt das erkenntnistheoretisch Subjektive.
Über die Subjektivität der Qualitäten, von Raum, Zeit, Kategorien, Kausalität, Substanz, Ding, Außenwelt, Materie, Bewegung, Zweck s. diese Termini. Über »Subjektiv« Im allgemeinen vgl. Subjekt.
Nach KANT ist zwischen der Subjektivität der Sinnesqualitäten und der der Anschauungs- und Denkformen (s. d.) wohl zu unterscheiden. Bloß subjektiv an der Vorstellung eines Objekts ist das, was ihre Beziehung auf das Subjekt ausmacht, die ästhetische Beschaffenheit. Dasjenige Subjektive, was nicht Erkenntnisbestandteil werden kann, ist Lust und Unlust (Krit. d. Urt., Einleit. VII). - V. COUSIN betont: »L'absolu apparaît à ma conscience, mais il lui apparaît indépendant de la conscience et du moi. Un principe ne perd pas son autorité parce qu'il apparaît dans un sujet. de ce qu'il tombe dans la conscience d'un être déterminé, il ne s'ensuit pas qu'il devienne relatif à cet être« (vgl. Adam, Philos. en France, p. 216). - SCHOPENHAUER versteht unter dem »Subjektiven« auch das Selbstsein der Dinge, das Sein der Dinge nicht bloß als Objekte (s. d.) eines Subjekts. Das »subjektive Wesen« eines Dinges ist das Ding an sich, als solches aber kein Gegenstand der Erkenntnis. »Denn einem solchen ist es wesentlich, immer in einem erkennenden Bewußtsein, als dessen Vorstellung, vorhanden zu sein, und was daselbst sich darstellt, ist eben das objektive Wesen des Dinges« (Parerg. II, § 65).
LOTZE bemerkt: »Die subjektive Natur alles unseres Vorstellens entscheidet... nichts über Dasein oder Nichtdasein der Welt, die es abzubilden glaubt« (Mikrok. III2, 231). Unser Vorstellen entspringt aus der Wechselwirkung mit einer von uns unabhängigen Welt (ib.). - Nach STEUDEL: ist Subjektivität »lebendige, gegenüber von einem Kreis von Objekten rezeptive Zentralität« (Philos. I 2, 8). Nach LAZARUS ist sie die (erworbene) »Fähigkeit, sich als Subjekt, d.h. so zu verhalten, daß der Geist sich selbst als den Betrachtenden von dem betrachteten Gegenstande absondert und letzteren sich frei, mit Bewußtsein gegenüberstellt« (Leb. d. Seele I2, 349). Nach LIPPS ist rein subjektiv nur Gefühl und Strebung (Gr. d. Seelenleb. S. 26). Ähnlich RIEHL (Philos. Krit. II 1, 63), WUNDT (s. Bewußtseinselemente). Nach H. COHEN ist die Sinnlichkeit ein Teil unserer Subjektivität. »Wenn nun Raum und Zeit Bedingungen unserer Subjektivität sind, so sind alle Dinge, sofern wir sie in Raum und Zeit befassen, in unsere Subjektivität einbezogen« (Kants Theor. d. Erf. S. 170). Nach FERRIER ist das Selbst »an integral and essential part of every objekt of cognition« (Inst. of met., prop. II). Der objektive Teil ist vom subjektiven nicht trennbar (l. c. prop. III). Es gibt keine »qualities of matter by themselves« (l. c. p. V). P. CARUS betont: »Alle transzendentalen Gesetze sind weder subjektiv noch objektiv, d.h. weder dem Subjekt an sich noch dem Objekt an sich zugehörig, sondern gehören der Natur, der objektiven Welt an, welche als eine Relation zwischen Subjekt und Objekt erkannt wird.« »Sie sind insofern subjektiv und objektiv zugleich« (Met. S. 19). JANET unterscheidet physiologische und psychologische Subjektivität (Princ. de mét. II, 153 ff.). HÖFFDING erklärt: »In jedem Erkenntnisakte läßt sich zwischen einem subjektiven und einem objektiven Elemente unterscheiden, zwischen dem Erkennenden und dem Erkannten - beide Elemente sind aber nur in gegenseitiger Beziehung gegeben, wenngleich sie sich innerhalb dieser Beziehung in verschiedenem Grade geltend machen können« (Philos. Probl. S. 58 f.). »Wenn wir in unserer Erkenntnis zwischen Subjekt und Objekt unterscheiden, so stellen wir eigentlich ein objektiv bestimmtes Subjekt (So) als Gegenteil eines subjektiv bestimmten Objektes (Os) auf. Die Eigenschaften oder 'Formen', die wir dem Subjekte beilegen, lassen sich nicht aus dem Begriffe des Subjektes selbst (des reinen S) erklären. sie sind da als Tatsachen ebensowohl als alle anderen Eigenschaften, mit denen unsere Erkenntnis zu tun bekommt. Ebenso gehören die Eigenschaften oder Bestimmungen, die wir dem Objekte beilegen, diesem stets nur in Beziehung auf ein Subjekt, und zwar, näher betrachtet, auf ein Subjekt gewisser spezieller Beschaffenheit« (l. c. S. 61). Das »Ding an sich« drückt die Tatsache aus, »daß der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt stets aufs neue in Kraft tritt, wie oft wir auch eine objektive Erklärung der Eigentümlichkeiten des Subjekts (des S1 durch O1) und eine subjektive Erklärung der Eigentümlichkeiten des Objektes (des O1 durch S2) gefunden haben möchten. Das Irrationale zeigt sich darin, daß eine fortwährende Reihenbildung (des Typus: S1 [O1 [S2 [O2...) möglich und notwendig ist. Das Denken muß stets wieder von neuem in Gang gesetzt werden, um für die Bestimmung des Daseins Prädikate zu finden, weil die Quelle, die den Gedanken ermöglicht, unerschöpflich ist. Das 'Ding an sich' ist die dunkle, hinzugedachte Anfangsvorstellung, die immer wieder auf neue Weise auftritt und neue Bestimmungen erheischt« (l. c. S. 61 f.). Vgl. Subjekt, Objekt, Objektiv, Qualitäten, Relativismus, Anschauungsformen, Raum, Zeit, Erscheinung.