Nach LOTZE besteht eine physiologische Notwendigkeit für die Seele, den Charakter der innern Zustände durch Töne auszudrücken (Mikr. II2, 217 ff., 222). Auch ein Hang zur nachahmenden Abbildung der objektiven Eigentümlichkeiten des eindruckmäßigen Reizes besteht (l. c. S. 234). Die Sprache ist Ausdruck des Denkens und der Gemütsbewegungen (l. c. S. 236). Die Sprache ist für den Menschen »das allgemeine bildsame Material, in welchem sie ihr Vorstellungswogen allein zum Denken ausarbeitet« (l. c. S. 259). Nach J. H. FICHTE ist die Sprache die »vollkommenste Gebärde«, ihr Organ ist die Phantasie (Psychol. I, 490 ff.). Ein symbolisierendes (tonmalendes) Vermögen liegt der ersten Sprachentstehung zugrunde (l. c. S. 493). Verwandte Vorstellungen werden durch verwandte Laute bezeichnet (l. c. S. 494). Nach TEICHMÜLLER gehört die Sprache zum Begriff der Gebärde. Sie ist ein soziales Produkt (Neue Grundleg. S. 93 ff.). Das Bedürfnis des Zusammenlebens u. a. Triebe berücksichtigt ULRICI (Gott u. d. Nat. S. 397 ff.). - Den göttlichen Ursprung der Sprache lehrt DE BONALD. Nach RENAN gehört das Bedürfnis, nach außen seine Gedanken und Gefühle zu offenbaren, zur menschlichen Natur (De l'origine du langage4, 1864, p. 73 ff.). Nach WHITNEY ist die menschliche Sprache ein Kunstprodukt, konventionell (Die Sprachwissensch. S. 71 ff.). - Nach CH. DARWIN ist es möglich, daß die Sprache des Menschen durch Nachahmung des Brüllens eines wilden Tieres zur Benachrichtigung der Genossen von der drohenden Gefahr begann (Abst. d. Mensch. I). Biologisch betrachtet die Sprache auch A. SCHLEICHER. Die Sprachen sind natürliche Organismen, unterstehen den biologischen Gesetzen (Auslese u.s.w.) (Üb. d. Bedeut. d. Sprache f. d. Naturgesch. d. Mensch. 1865). Nach H. SPENCER ist die Sprache aus dem Gesang hervorgegangen (so schon HUMBOLDT).
Nach BACKHAUS ist die Sprache »das Organ unsere, Stimmungen, Empfindungen und Vorstellungen und somit der entsprechende Ausdruck unserer Vernunfttätigkeit« (Wes. d. Hum. S. 199 ff.). Nach K. GROOS ist das Erlernen der Sprache zum Teil »Nachahmungs-Spiel« (Spiel. d. Mensch. S. 379, 383). - Die Theorie der Sprachentstehung durch Interjectionen wird als »Puh-Puh-Theoru«, die der Nachahmung tierischer Laute als »Wau -Wau-Theorie«, die des Anklingens von Empfindungen durch Töne der Außenwelt (M. MÜLLER) als »Ding-Dang-Theorie« bezeichnet. - Als Anfang der Sprache betrachtet den »Sprachschrei«, der an affecterregende Gesichtseindrücke reflexiv sich knüpft, L. GEIGER. Für die Wahl der Ausdrücke war je ein »hochbegabtes Individuum« maßgebend (Urspr. u. Entwickl. d. menschl. Sprache u. Vern. I, 22 ff., 134). Vor der Sprache war der Mensch vernunftlos, die Sprache schafft das vernünftige Denken (l. c. S. 106 ff.). Dies behauptet auch O. CASPARI (Die Sprache als psych. Entwicklungsprodukt 1864), nach welchem für die Wahl der Worte die Mutter, der Häuptling u.s.w. maßgebend ist (Urgesch. d. Menschh. I2, 190 ff.). Die »Adaptionstheorie« lehrt: »Nicht mit willkürlicher Absicht, aber auch nicht durch die angeborenen und gegebenen Naturverhältnisse der rein tierischen Sprache von selbst (durch objektiv fortschreitende Onomatopoëtik) trat der Sprachprozess in das höhere Stadium, auf welchem wir die Menschensprache allein antreffen, sondern dieser veredelnde Fortgang vollzog sich zugleich durch die in Familie und Staat auftretende unwillkürliche Leitung der Mitteilung und mitteilsame Belehrung, welcher sich untergebene Kreise ebenso unbewußt und unwillkürlich durch Erlernung anpaßten« (Zusammenh. d. Dinge, S. 393 f.). Der Uranfang der Sprache bestand aus Lock- und Ruflauten, die Individuen bezeichneten: wie Vater, Mutter, Häuptling (l. c. S. 402 ff.). In der Gesellschaft beginnt der Bedeutungswandel unter dem Einfluß der tonangebenden, herrschenden Elemente (l. c. S. 405). - Nach LAZARUS sind die Sprachlaute Erfolge von durch Empfindungen und Vorstellungen veranlaßten Reflexbewegungen (Leb. d. Seele II2, 73 ff.). Die Sprache ist ein natürliches, soziales Erzeugnis (l. c. S. 23 ff.), sie modifiziert den Geist (l. c. S. 25). Die Sprachgenossen verbinden von Natur mit der gleichen Anschauung ungefähr den gleichen Laut (l. c. S. 157). der Führer wird zum Wortführer (l. c. S. 159). Die Assoziation zwischen der unmittelbaren Lautanschauung und Sachanschauung ist schon die »Bedeutung« des Lautes (l. c. S.101). Das Wort ist Zeichen der Sache, zugleich aber Ausdruck und Erscheinung der subjektiven Auffassung der Seele. Innere Sprachform ist die »durch die Sprache, durch die Namengebung festgehaltene einseitige Beziehung der vielseitigen Sache zum Menschen« (l. c. S. 138). Auch STEINTHAL faßt die Sprache als Reflexbewegung auf. Der Leib reflektiert die Seele, ihre Affektionen setzen sich in Töne um (Einl. in d. Psychol. I2, 361 ff.). Das Sprechen wirkt erleichternd, ist eine »Befreiungstätigkeit« (l. c. S. 363). Der Urmensch begleitete »in größter Lebhaftigkeit alle Wahrnehmungen, alle Anschauungen, die seine Seele empfing, mit leiblichen Bewegungen, mimischen Stellungen, Gebärden und besonderen Tönen« (l. c. S. 366 f.). Wiederholung, Assoziation, gesellschaftliche Resonanz, Onomatopöie, Apperzeption (s. d.) wirken weiter (l. c. S. 370 ff.). Die Sprache hat eine innere Seite, eine »innere Sprachform«, die sich auf die subjektive Auffassungsweise der Dinge bezieht, so daß die Grammatik ursprünglich unabhängig von der Logik ist (l. c. S. 59 ff.). Das einfache Denken (Anschauen) geht ursprünglich der Sprache voran (l. c. S. 51). Zu betonen ist, »daß der Mensch nicht im Laute durch Laute denkt, sondern an und in Begleitung von Lauten« (l. c. S. 52). Der Mitteilungstrieb ist sekundär, setzt als Absicht Entstehung der Sprache schon voraus (l. c. S. 373. vgl. Urspr. d. Sprache4. das Mitteilungsbedürfnis betont besonders MARTY, Üb. d. Urspr. d. Spr. S. 63 ff.). Die Onomatopöie (aber nicht ausschließlich) betont ROMANES, der in der Sprache ursprünglich Ausdruck von Gemütsbewegungen (wie DARWIN) erblickt (Geist. Entwickl. beim Mensch. S. 290 ff., 371 ff.). Nach VOLKMANN erzeugen die Eindrücke der Natur Emotionen im primitiven Menschen, die sich in Lauten entladen, »durch deren Auslösung er sich gleichsam erleichtert, seines Affektes entladen und beruhigt fühlt«. Der Laut ist eine Gebärde, beruht auf einem Instinkt (Lehrb. d. Psychol. I4, 327 f.). Indem sich später das affectartige Gefühl des Ergriffenseins aussondert, wird der Laut zum Symbol. Zugleich mit der »pathognomischen« beginnt die »onomatopoetische« Periode der Wortbildung. Unsere Laute werden durch Naturlaute modifiziert (l. c. S. 330). In der »charakterisierenden Sprachperiode« werden den Eindrücken jene Seiten abgewonnen, durch welche sie unter Kategorien der schon fixierten Vorstellungen fallen (l. c. S. 331. ähnlich LINDNER, Empir. Psychol. S. 128 ff.). TH. ZIEGLER führt die Sprache zurück auf »die feine Empfänglichkeit für Eindrücke von außen, auf das lebhaft spannende Interesse an dem, was uns umgibt und um uns her vorgeht, und auf den Trieb, durch Bewegung der Spannung... loszuwerden« (Das Gef.2, S. 229). Diese »Erleichterung« wird schon von L. NOIRÉ betont. So oft die Sinne erregt und die Muskeln lebhaft tätig sind, fühlen wir im Ausstoßen von Lauten eine Art Erleichterung, so daß, besonders wenn Leute in Gemeinschaft arbeiten, sie geneigt sind, ihre Beschäftigung mit Lauten, Ausrufen zu begleiten. das ist eine Reaktion gegen »die innere, durch die Anstrengung der Muskeln hervorgebrachte Störung« (Urspr. d. Sprache 1877, S. 323 ff.). Die Lehre vom »clamor concomitans« macht sich auch M. MÜLLER zu eigen. Die »Wurzeln« sind bei der Arbeit u.s.w. ausgestoßene Laute. erst interjectional, werden sie zu Zeichen von Begriffen. die Urworte haben Satz-Bedeutung (Das Denken im Lichte d. Spr. S. 287 ff.). Das Denken ist durch die Sprache bedingt. Die Entstehung und Entwicklung der Sprache im sozialen Zusammenleben, Zusammenarbeiten lehrt H. SCHURTZ (Urgesch. d. Kultur, S. 470 ff.). Nach W. JERUSALEM ist der Schrei »Ausdruckpsychischer Zustände, in denen zwar das Gefühlselement weitaus überwiegt, die aber doch auch Vorstellungselemente in sich enthalten«. Zur Sprache fehlt hier nur noch die Artikulation und »die Befreiung des Lautes von seinem Gefühlswerte und seine feste Assoziation mit Vorstellungen«. »Eine solche Assoziation bildet sich in der Weise, daß durch häufige Wiederholung des Lautes das Gefühl sich abstumpft und der bereits früher als untergeordnetes Element vorhandene Vorstellungsinhalt stärker hervortritt.« So werden »Gefühlslaute« zu »Sprachlauten« (Lehrb. d. Psychol.3, S. 104 f.). Die Sprache entsteht als »unwillkürliche Ausdrucksbewegung«, entwickelt sich durch das Mitteilungs- und Verkehrsbedürfnis (l. c. S. 106). Die Wurzeln bezeichnen »Vorgänge, in denen Ding und Tätigkeit vom Bewußtsein noch nicht geschieden sind«, sie sind schon Sätze (ib.. vgl. Laura Bridgm. S. 49. Urteilsfunct. S. 101). Nach JODL besteht die Sprache ursprünglich in impulsiven Ausdrucksbewegungen (Lehrb. d. Psychol. S. 566 ff.). Die Lautsprache ist »die Fähigkeit des Menschen, mittelst mannigfach combinierter... Klänge und Laute nicht bloß den Charakter einzelner Zustände auszudrücken oder auf eine einzige Wahrnehmung aufmerksam zu machen, sondern die Gesamtheit seiner Wahrnehmungen und Vorstellungen in diesem natürlichen Tonmaterial so abzubilden, daß dieser psychische Verlauf bis in seine Einzelheiten andern Menschen verständlich und deutlich wird« (Lehrb. d. Psychol. b.. 564).