Dieser ältere Subjektbegriff ist der des substantiellen Trägers objektiver Eigenschaften, des objektiven Wirklichen im Unterschiede vom bloß vorgestellten »obiectum« (s. d.). »Subiectum« ist die Übersetzung des hypokeimenon (Unterliegenden), worunter ARISTOTELES sowohl das logische Subjekt (Phys. I 2, 185 a 32) als auch die Substanz (s. d.) als Eigenschafts- Träger versteht Met. VII 3, 1029 a 1). to d' hypokeimenon esti hou ta alla legetai, ekeino d' auto mêketi kat' allou (l. c. VII 3, 1028 b 36). ta en hypokeimenô = »subiectivum« im scholastischen Sinne (s. unten).»Subiectivus« schon bei APULEIUS (De dogmate Platon. III). »Subiectum« im Sinne des logischen und realen Trägers schon bei BOËTHIUS (Isag. Comm. p. 39,. 11, 15. Introd. ad categ. syll., Opp. 1546, p. 562).
In der mittelalterlichen Philosophie und darüber hinaus bedeutet »subiectum« das substantielle Wesen außer dem Erkennen, »esse subiectivum« das wirkliche, vom Erkennen unabhängige Sein. Erst spät erhält »subiectiv« die entgegengesetzte Bedeutung (s. Subjektivität), indem es zur Bezeichnung der Abhängigkeit des Objekts vom Subjekte des Erkennens dient (vgl. Trendelenburg, Elem. Log. Arist. p. 54). - Subjektiv im heutigen Sinne wird im Altertum bezeichnet durch nomô kai thesei, pros hêmas (so bei DEMOKRIT, s. Qualitäten). Bei SCOTUS ERIUGENA steht dafür »sola ratione«, »in nostra contemplatione«, »in ipso solo rationis contemplatione« (De div. nat. p. 492 d, 493 d, 528 a), bei andern durch »obiective« (s. d.). - Nach ALBERTUS MAGNUS bezeichnet »subiectum« dreierlei: 1) »Quod principaliter intenditur et in principali parte scientiae«. 2) »De quo et de cuius partibus probantur passiones«. 3) »Quod ad haec adminiculatur« (Sum. th. I, 3, 1). Nach THOMAS, ist »subiectum« so viel wie »hypostasis«, »substantia«, »suppositum« (7 met. 13 a. 5 phys. 2 a. 2 an. 1 d. Sum. th. I, 29, 1 c). »Subiectum est causa propriae passionis, quae ei per se inest« (1 anal. 38 a). »Actus voluntatis... est intelligibiliter in intelligente, sicut in primo principio et in proprio subiecto« (Sum th. I, 87, 4. Subjekt des Denkens). DUNS, SCOTUS bestimmt: »Ens rationis est subiectum logicae, ens in quantum mobile est subiectum naturalis scientiae, ens sub ratione est subiectum metaphysicae« (vgl. Prantl, G. d. L. III, 203). DURAND VON ST. POURÇAIN stellt einander gegenüber: »obiective cognita« und »in ipsa re subiectiva« (In l. sent. I, 19, 5. 27, 2). Nach WILHELM VON OCCAM ist »subiectum« »quod realiter subsistit alteri rei inhaerenti sibi et advenienti realiter«. Jeder psychische Vorgang als solcher ist »subiective in anima«. »Sensationes sunt subiective in anima sensitiva mediate vel immediate« (Quodl. 2, qu. 10).
HOBBES bemerkt: »Subiectum sensionis ipsum est sentiens, nimirum animal« (De corp. 25, 3). Den scholastischen Sprachgebrauch hat DESCARTES, (Medit. III). Unser »Subjektiv« bezeichnet er durch »in nostra tantum cogitatione«, »in sola mente«, »in perceptione nostra«, »in sensu« (Princ. philos. I, 57, 67, 70). LEIBNIZ: »subiectum ou l'âme même« (Erdm. p. 645 e). Von nun an beginnt die neuere Bedeutung von »subiectiv« aufzutreten. BAUMGARTEN versteht unter »fides sacra subiective sumpta« den Glauben als Akt (Met. § 758). ULRICH bemerkt: »Subiective... mihi verum aliquid est, quod et quousque ita videtur« (Inst. log. § 33). Die neuere Bedeutung auch bei TETENS (Philos. Vers. I. 344), LAMBERT (Neues Organ. Phaen. l, § 66) u. a. Nach MENDELSSOHN sind gewisse Vorstellungen »nicht bloß Abänderungen von mir und einzig und allein in mir selbst, als ihrem Subjekt, anzutreffen« (Morgenst. I, 5). Auch der Idealist unterscheidet »die subjektive Reihe der Dinge, die nur in ihm wahr ist, von der objektiven Reihe der Dinge, die allen denkenden Wesen nach ihrem Standorte und Gesichtspunkte gemeinschaftlich ist« (l. c. I, 6). Nach CRUSIUS ist Subjekt dasjenige, »worinnen wir denken, daß die Eigenschaften subsistieren« (Vernunftwahrh. § 20). Es gibt absolute und relative Subjekte (l. c. § 21). - BERKELEY versteht unter Subjekt den Geist, das Ich, die Seele. das, worinnen die Ideen existieren, d.h. wodurch sie percipiert werden (Princ. II). Es kann nur vermöge seiner Wirkungen erfaßt werden (l. c. XXVII). Das Subjekt ist durchaus aktiv, einfach, unteilbar (l. c. LXXXIX, XCI). Nach HUME ist das Subjekt das Ich (s. d.), als solches ein Komplex von Bewußtseinsinhalten. Ein mit sich identisches, beharrendes Subjekt setzt nur die Einbildungskraft, »um die Veränderung in uns zu verdecken« (Treat. IV, set. 6).
Durch KANT wird die neuere Bedeutung von »Subjektiv«, »Subjekt« besonders propagiert. »Idealis et subiecti mero arbitrio« (De mund. sens. sct. I, § 2). »subjektive Bedingung« der Anschauung (Krit. d. rein. Vern. S. 61. vgl. Anschauungsformen, Raum, Zeit, Subjektivität). Urteile sind »bloß Subjektiv, wenn Vorstellungen auf ein Bewußtsein in einem Subjekt allein bezogen und in ihm vereinigt werden«, objektiv, »wenn sie in einem Bewußtsein überhaupt d. i. darin notwendig vereinigt werden« (Prolegom. § 22). subjektiv ist hier also, was vom einzelnen, individuellen Subjekte als solchem abhängig ist, was sich auf dessen zufälliges Erleben bezieht (s. Objektiv). In unserem Denken ist das Ich »das Subjekt, dem Gedanken nur als Bestimmungen inhärieren« (Krit. d. rein. Vern. S. 298). »Alle Prädikate des innern Sinnes beziehen sich auf das Ich, als Subjekt, und dieses kann nicht weiter als Prädikat irgend eines andern Subjekts gedacht werden« (Prolegom. § 46). Aber das Subjekt des Bewußtseins ist nicht mit der substantiellen Seele (s. d. u. Paralogie) zu verwechseln. - Nach MAASS ist eine Empfindung objektiv, »sofern dadurch das Empfundene von ihr selbst unterschieden und als Objekt vorgestellt wird. Sofern dieses nicht geschieht, sondern bloß ein subjektiver Zustand apperzipiert wird, heißt sie subjektive Empfindung« (Gefühl. Vers. üb. d. Gef. I, 1 ff.). JAKOB versteht unter dem subjektiven der Empfindung den »Grad der Rührung, den das Subjekt innerlich empfindet« (Gr. d. Erfahrungsseelenl. S. 133). Das Objektive der Empfindung ist »das äußere Mannigfaltige, welches empfunden wird und dessen Vorstellung eigentlich die Anschauung heißt« (ib.). KRUG versteht unter subjektiven Gründen des Fürwahrhaltens »außerhalb des Gegenstandes und der Erkenntnisgesetze liegende Gründe (z.B. Neigungen, Bedürfnisse, Zeugnisse)« (Fundamentalphilos. S. 235). TENNEMANN bemerkt: »Jede Erkenntnis ist etwas Subjektives, in dem Bewußtsein Enthaltenes« (Gr. d. Gesch. d. Philos.3, S. 27). FRIES bestimmt: »Man nennt den erkennenden Geist das Subjekt« (Neue Krit. I, 73). Nach REINHOLD gehören Subjekt und Objekt zu jeder Vorstellung (Vers. ein. neuen Theor. II, 207. s. Bewußtsein). »Das, was sich bewußt ist, heißt das Subjekt« (l. c. S. 325).
Bei J. G. FICHTE wird das »Ich«, das (allgemeine) Subjekt des Bewußtseins zum WeltSubjekte, in diesem Sinne zur Substanz des Seins (s. Ich, Idealismus).»Kein Subjekt, kein Objekt. kein Objekt, kein Subjekt« (Gr. d. g. Wissensch. S. 131). Subjekt ist das Ich, sofern es das Nicht-Ich (s. d.) setzt (l. c. S. 139). »Ich weiß nicht von mir, ohne eben durch dieses Wissen mir zu etwas zu werden. oder, welches dasselbe heißt, ein Subjektives in mir und ein Objektives zu trennen. Ist ein Bewußtsein gesetzt, so ist diese Trennung gesetzt, und es ist ohne sie gar kein Bewußtsein möglich« (Syst. d. Sittenl. S. VI f.). »Ich finde mich ursprünglich als Subjekt und objektiv zugleich. und was das eine sei, läßt sich nicht begreifen, außer durch Entgegensetzung und Beziehung mit dem andern« (l. c. S. 101). »Das Vernunftwesen setzt sich absolut selbständig, weil es selbständig ist, und es ist selbständig, weil es sich so setzt. es ist in dieser Beziehung Subjekt-Objekt« (l. c. S. 68). Im Verhältnis zum Leibe ist das subjektive der Wille (l. c. S. XVI). Nach SCHELLING ist Subjekt, »was nur im Gegensatze aber doch in Bezug auf ein schon gesetztes Objekt bestimmbar ist« (Vom Ich, S. 8 f.). Der »Inbegriff alles Subjektiven« ist das Ich, die Intelligenz, das Vorstellende (Syst. d. tr. Ideal. S. 1). Im Selbstbewußtsein (s. d.) sind Subjekt und Objekt eins (so auch im Absoluten, in der »Identität« Gottes, s. d.). »Der Begriff einer ursprünglichen Identität in der Duplizität, und umgekehrt, ist... nur der Begriff eines Subjekt- Objekts, und ein solches kommt ursprünglich nur im Selbstbewußtsein vor« (l. c. S. 44 ff., 56). In verschiedenen Graden, »Potenzen« (s. d.) liegen Subjektivität und Objektivität in den Dingen. Die Natur ist auch ihrem Wesen nach Subjekt-Objekt (WW. I 10, 106). »Die ganze Natur bildet... eine zusammenhängende Linie, welche nach der einen Richtung in überwiegender Obiectivität, nach der andern Seite in entschiedene Übermacht des subjektiven über das Obiective ausläuft« (l. c. S. 229). Nach ESCHENMAYER bilden Subjektivität und Objektivität »nur Wechselverhältnisse..., wovon immer eines sich im andern abspiegelt« (Psychol. S. 3). Die Objektivität ist »ein Widerschein der Subjektivität« (l. c. S. 10). - Nach HEGEL ist die Idee (B. d.) als Subjekt Geist (Encykl. § 213). Die Weltsubstanz ist WeltSubjekt. Das Subjekt ist psychisch »die Tätigkeit der Befriedigung der Triebe, der formellen Vernünftigkeit« (l. c. § 475). Der »subjektive Geist« ist der Geist als psychisches, als BewußtseinsSubjekt, der »Geist in seiner Idealität sich entwickelnd«, als erkennend (l. c. § 387). Der Begriff ist als formeller Begriff ein Subjektives (Log. III, 32). Die Subjektivität der Sache ist »das in sich gegangene allgemeine Wesen der Sache, ihre negative Seite mit sich selbst« (l. c. III, 115). SCHOPENHAUER erklärt: »Dasjenige, was alles erkennt und von keinem erkannt wird, ist das Subjekt. Es ist sonach der Träger der Welt, die durchgängige, stets vorausgesetzte Bedingung alles Erscheinenden, alles Objekts: denn nur für das Subjekt ist, was nur immer da ist.« »Ihm kommt... weder Vielheit, noch deren Gegensatz, Einheit, zu. Wir erkennen es nimmer.« Es liegt nicht in Baum und Zeit (W. a. W. u. V. I. Bd., § 2). Im ästhetischen (s. d.) Schauen ist das Individuum »reines, willenloses, schmerzloses, zeitloses Subjekt der Erkenntnis«, Korrelat der Idee, dem Satz vom Grunde nicht unterworfen (l. c. § 34). Das Subjekt als solches kann niemals Objekt werden (Parerg. II, § 28). Prinzip der Subjektivität ist der zeitlose Wille (s. d.). Das »empirische Subjekt des Erkennens« hingegen ist »nichts Selbständiges, kein Ding an sich, hat kein unabhängiges, ursprüngliches, substantielles Dasein. sondern es ist eine bloße Erscheinung, ein Sekundäres, ein Akzidens, zunächst durch den Organismus bedingt, der die Erscheinung des Willens ist: es ist... nichts anderes als der Focus, in welchem sämtliche Gehirnkräfte zusammenlaufen« (l. c. § 32). »Dadurch daß einer bei der Contemplation sich selbst vergißt, bloß weiß, daß hier jemand kontempliert, aber nicht weiß, wer es ist, d.h. von sich nur weiß, sofern er von den Objekten weiß: dadurch erhebt er sich zum reinen Subjekt des Erkennens und ist nicht mehr ein (immer beschränktes, einzelnes) Subjekt des Wollens« (Neue Paralipom. § 11. vgl. W. a. W. u. V. II. Bd., a. 30, 41). vgl. Ich, Selbstbewußtsein.