Den Gedanken, daß die Substanz unendlich, einzig, absolut alles seiend, der Träger aller Dinge, das immanente Prinzip alles Geschehens sein müsse, macht SPINOZA zur Basis seines pantheistischen (s. d.) Systems. Substanz ist das Absolute, das In-sich -Seiende, Durch-sich-selbst-zu-Begreifende: »Per substantiam intelligo id quod in se est et per se concipitur. hoc est id, cuius conceptus non indiget conceptu alterius rei, a quo formari debeat« (Eth. I, prop. III). Die aus unendlichen Attributen (s. d.) bestehende Substanz ist Gott (s. d.). - »Omnia quae sunt vel in se vel in alio sunt.« »Id quod per alind non potest concipi, per se concipi debet« (l. c. ax. I - Il). Die Substanz geht logisch den Attributen voran: »Substantia prior est natura suis affectionibus,« letztere sind ohne jene nicht zu denken (l. c. prop. I). Es kann nicht eine Zweiheit Von Substanzen geben. gäbe es zwei gleiche Substanzen, so müßte eine die andere beschränken - wegen der Unendlichkeit (s. d.) der Substanz unmöglich. Auch kann nicht eine Substanz die andere hervorbringen, was in scholastischer Weise dargetan wird (De Deo I, 2. vgl. Anh.). »In rerum natura non possunt dari duae aut plures substantiae eiusdem naturae sive attributi« (Eth. I, prop. V). »Si darentur plures distinctae, deberent inter se distingui vel ex diversitate attributorum., vel ex diversitate affectionum. Si tantum ex diversitate attributorum, concedetur ergo, non dari nisi unam eiusdem attributi. At si ex diversitate affectionum, quum substantia sit prior natura suis affectionibus, depositis ergo affectionibus et in se considerata, hoc est vere considerata, non poterit concipi ab alia distingui, hoc est non poterunt dari plures, sed tantum una« (l. c. dem.). »Omnis substantia est necessario infinita« (l. c. prop. VIII). »Substantia unius attributi non nisi unica existit, et ad ipsius naturam pertinet existere. Erit ergo de ipsius natura vel finita vel infinita existere. At non finita. Nam deberet terminari ab alia eiusdem naturae, quae etiam necessario deberet existere. adeoque darentur duae substantiae eiusdem attributi, quod est absurdum. Existit ergo infinita« (l. c. dem.). »Nullum substantiae attributum potest vere concipi, ex quo sequatur, substantiam posse dividi« (l. c. prop. XII). »Substantia absolute infinita est indivisibilis« (l. c. prop. XIII). Außer der göttlichen gibt es keine Substanz: »Propter Deum nulla dari neque concipi potest substantia« (l. c. prop. XIV). »Quum Deus sit ens absolute infinitum, de quo nullum attributum, quod essentiam substantiae exprimit, negari potest, isque necessario existat. si aliqua substantia praeter Deum daretur, ea explicari deberet per aliquod attributum Dei, sicque duae substantiae eiusdem attributi existerent, quod est absurdum: adeoque nulla substantia extra Deum dari potest, et consequenter non etiam concipi. Nam si posset concipi, deberet necessario concipi ut existens. atqui hoc est absurdum« (l. c. dem.).
Als Einzelwesen bestimmt die Substanz dagegen LEIBNIZ. Es gibt unendlich viele Substanzen einfacher Art, die Monaden (s. d.), welche freilich »Ausstrahlungen« (»fulgurations«) der göttlichen Substanz sind. Das Wesen der Substanz ist die Kraft (s. d.), die Substanz ist ein Kraftwesen, ein »être capable d'action« (Gerh. VI, 598). Die Körper (s. d.) sind keine Substanzen, sondern nur ein »substantiatum«, ein Aggregat von Substanzen und deren Produkt in der Erscheinung (s. d.). Die Substanzen sind an sich geistiger Art, einfach, unteilbar als Monaden, wahrhaft von allen geschaffenen Dingen unabhängig. Die Substanzen sind unzerstörbare Realitäten, die überall bestehen (Gerh. VI, 579 ff.). Die Substanzen haben in sich selbst ihren Bestand, können aber nicht durch sich allein (sondern erst durch ihre Beziehungen zum Universum) begriffen werden (Gerh. I, 139 ff.). »Toute substance exprime l'univers tout entier à sa manière et sous un certain rapport« (l. c. II, 57). Jede Substanz ist »une production continuelle du même souverain estre« (ib.). Jede Substanz ist eine Art Ich, ein Seelenartiges. das Ich ist auch die Quelle des Substanzbegriffs. »Comme je conçois que d'autres estres ont droit aussi de dire moy ou qu'on peut penser ainsi pour eux, c'est par là que je conçois ce qu'on appelle la substance« (l. c. VI, 488. Nouv. Ess. II, ch. 23).
Als das den Eigenschaften Subsistierende, als beharrlicher Träger von Veränderungen wird die Substanz verschiedenerseits bestimmt. D'ARGENS erklärt: »Les substances ou les choses subsistantes par elles-mêmes« (Philos. du Bon-Sens I, 216). Nach VOLTAIRE ist Substanz »ce qui est dessous«. Die geistige Substanz ist unbekannt für immer (Philos. ignor. VII, 65). - CHR. WOLF definiert: »Subiectum perdurabile et modificabile dicitur substantia« (Ontolog. § 768). Die Substanz ist »subiectum determinationum intrinsecarum constantium atque variabilium« (l. c. § 769). »Quod in se continet principium mutationum, substantia est« (l. c. § 872). »Ens infinitum per eminentiam substantia dicitur« (l. c. § 847). Nach BAUMGARTEN ist die Substanz »ens per se subsistens« (Met. § 191). Nach CRUSIUS ist sie »ein vollständiges Ding, wieferne es als aus Subjekt und Eigenschaften bestehend betrachtet wird« (Vernunftwahrh. § 20. vgl. HOLLMANN Met. § 343 ff.). FEDER erklärt: »Substanzen heißen die eigentlichen Dinge, im Gegensatze sowohl auf die einzelnen Eigenschaften, die wir in der Vorstellung absondern, als auf den äußerlichen Schein überhaupt« (Log. u. Met. S. 230 f.). Nach G. F. MEIER ist Substanz »ein jedwedes vor sich bestehendes Ding« (Met. I, 254). - Nach PLATNER ist die Substanz »ein beharrliches, selbständiges Ding, welches stets dasselbige bleibt unter dem Wechsel seiner Tätigkeiten, Wirkungen oder Akzidenzen - eine Kraft« (Philos. Aphor. I, 864). Sie ist die Kraft selbst, nicht der Träger einer solchen (l. c. § 930), ist »ein System unzertrennlich verbundener, einer Grundkraft untergeordneter Kräfte« (l. c. § 932). »Zu dein metaphysischen Begriffe Substanz gehört nicht ein von der Kraft im engeren Verstande noch unterschiedenes Subjekt oder sogenanntes Substratum« (Log. u. Met. S. 134). Nach ROUSSEAU ist Substanz ein mit einer ursprünglichen Eigenschaft ausgestattetes Wesen (Emile IV, S. 141).
Der Ursprung bezw. die Gültigkeit des Substanzbegriffes wird von englischen Philosophen erörtert. HOBBES betont, es gebe keine Vorstellung (idea) von Substanz, sondern diese ist erschlossen: »substantia enim ut quae est materia subiecta accidentibus et mutationibus, sola ratiocinatione evincitur, nec tamen concipitur aut ideam ullam nobis exhibet« (Obiect. in Cart. medit. p. 87). LOCKE versteht unter Substanz den (an sich unbekannten) Träger von Qualitäten: »The complex ideas, that our names of species of substances properly stand for, are collections of such qualities as have been observed to coexist in an unknown substratum, which we call substance« (Ess. IV, ch. 6, § 7). Von den Substanzen an sich gibt es keine Vorstellung, wenn auch ihre Existenz feststeht (l. c. II, ch. 23, § 16 ff., 29). Die Substanz wird nur zu Qualitätenkomplexen hinzugedacht, nicht erfahren. Wir bemerken, daß Vorstellungen stets miteinander verknüpft auftreten, vermuten, daß sie einem Dinge zugehören, und belegen den Komplex mit einem Namen. »Aus Unachtsamkeit spricht man nachher davon und behandelt das wie eine Vorstellung, was in Wahrheit eine Verbindung vieler Vorstellungen ist, und weil, wie gesagt, man sich nicht vorstellen kann (not imagining), wie diese einfachen Vorstellungen für sich bestehen (subsist) können, so gewöhnt man sich daran, ein Unterliegendes anzunehmen (suppose), in dem sie bestehen und von dem sie ausgehen (result). Dieses Unterliegende nennt man deshalb die Substanz« (l. c. II, ch. 23, § 1). »So ist die mit dem allgemeinen Namen 'Substanz' bezeichnete Vorstellung nur der angenommene, aber unbekannte Träger jener seienden Eigenschaften, die nach unserer Meinung sine re substante nicht bestehen können, d.h. nicht ohne etwas, was sie trägt« (l. c. § 2). »Was daher auch die geheime und tiefere Natur der Substanz im allgemeinen sein mag, so sind doch alle unsere Vorstellungen von den besonderen Arten der Substanzen nur ununterschiedene Verbindungen einfacher Vorstellungen, die in der wenn auch unbekannten Ursache ihrer Einheit zusammenbestehen, welche macht, daß das Ganze von selbst besteht« (l. c. § 6). Die Kraft gehört wesentlich zum Substanzbegriff (l. c. § 7). Aus den Vorstellungen von unseren geistigen Akten wird die Vorstellung einer geistigen Substanz gebildet (l. c. § 15. vgl. II, ch. 13, § 17 f.). Daß es nur geistige Substanzen gibt, lehrt BERKELEY. Nur in einem Geiste, nicht in einem nichtpercipierenden Dinge kann eine Idee (s. d.) existieren (Princ. VII). Eine materielle Substanz ist unerfindlich, weder Wahrnehmung noch Denken zeigen sie uns (l. c. XVI f., XVIII). Unsere objektiven Vorstellungskomplexe haben wohl eine Ursache, aber diese muß eine unkörperliche, tätige Substanz, ein Geist, Gott sein (l. c. XXVI). Relative »Substanzen«, Dinge (s. d.) als Komplexe von Eigenschaften gibt es, aber nicht Substanzen als unbekannte »Träger« der körperlichen Zustände (l. c. XXXVII). Gänzlich aufgelöst wird der absolute Substanzbegriff bei HUME. Weder die innere noch die äußere Erfahrung sind die Quelle desselben, sondern die Einbildungskraft und Assoziation, ein rein Subjektiv-psychologisches Prinzip. »So bleibt uns keine Vorstellung der Substanz, die etwas anderes wäre als die Vorstellung eines Zusammen bestimmt gearteter Eigenschaften.« »Die Vorstellung einer Substanz und ebenso die eines Modus ist nichts als ein. Zusammen einfacher Vorstellungen (collection of simple ideas), die durch die Einbildungskraft (imagination) vereinigt (united) worden sind und einen besondern Namen erhalten haben, durch welchen wir dieses Zusammen uns oder anderen ins Gedächtnis zurückrufen können. Der Unterschied zwischen beiden Vorstellungen besteht darin, daß die bestimmten Eigenschaften, die das Wesen einer Substanz ausmachen, gewöhnlich auf ein unbekanntes Etwas bezogen werden, an dem sie, wie man meint, 'haften'. Oder, falls man diese Fiction nicht macht, so werden sie wenigstens durch die Beziehungen der Contiguität und der Ursächlichkeit eng und untrennbar verbunden gedacht« (Treat. I, sct. 6, S. 28). Die Substanz ist eine Fiction der Einbildungskraft, welche in ihr das »principle of union or cohesion« erblickt (l. c. IV, sct. 3, S. 290). Die Perzeptionen bedürfen aber keiner Substanz hinter ihnen, sie existieren für sich, sind insofern selbst Substanzen (l. c. sct. 5, S. 305). Nach ROB. GREEN ist die Substanz »foetus imaginationis« (Princ. philos. de vi contract. et expans. V, 8, § 6). - Die Denknotwendigkeit des Substanzbegriffes, welcher dem »common sense« (s. d.) zugehört, betont hingegen REID. Erstes metaphysisches Prinzip ist, »that the qualities which we perceive by our senses must have a Subjekt, which we call body, and that the thoughts we are conscious of must have a Subjekt, which we call mind« (Ess. on the pow. II, 277 ff.). »Things which may exist by themselves, and do not necessarily suppose the existence of any thing else, are called substances« (l. c. I, 37). - BONNET erklärt: »Si l'esprit envisage l'objet comme une chose existante à part et revêtue de certaines qualités qui en sont inséparables, qui ne pourraient exister hors d'elle, et dont elle est comme le support ou le soutient, l'esprit se formera la notion de la substance ou du sujet« (Ess. anal. XV, 234).