Gesetz - Heraklit, Platon, Aristoteles, Kant...

HERAKLIT erblickt in der Weltvernunft (dem logos) das Weltgesetz (nomos, dikê), dem sich alles fügen muß und soll (Sext. Empir. adv. Math. VII, 133). Die Gesetzlichkeit des Naturgeschehens betont PLATO, der von natürlichen Gesetzen (para tous tês physeôs nomous, Tim. 83 E) spricht. So auch ARISTOTELES (De coel. 268a 10 squ.). Die Stoiker und Epikureer lehren die Gesetzmäßigkeit der Naturprocesse; bei LUCREZ tritt der Begriff der »lex naturae« auf.

Im Anschlusse an das Alte Testament, das Gott als den Gesetzgeber der Natur betrachtet, bezieht die christliche Philosophie die Naturgesetze auf den göttlichen Willen, die göttliche Vernunft. THOMAS erklärt die »naturales leges« als »ipsae naturales inclinationes rerum proprios fines« (Nom. 10, 1). »Lex naturae nihil aliud est, nisi lumen intellectus insitum nobis a Deo, per quod cognoscimus, quid agendum et quid vitandum« (Sum. th. I, 60, 5a). KEPLER, KOPERNICUS, GALLILEI bestimmen die Naturgesetze unpersönlich (mathematisch) als Abhängigkeiten; so auch F. BACON, der sie »Schematismen« (s. d.) nennt. DESCARTES ist geneigt, die Naturgesetze auf Gott zurückzuführen. SPINOZA gründet sie auf die ewige Wesenheit der Substanz (s. d.). Nach LEIBNIZ handelt Gott gesetzmäßig (Theod. I, § 28). BERKELEY betrachtet die Naturgesetze als Zeichen der ewig gleichen Betätigung des göttlichen Geistes (Princ. LXII). NEWTON erklärt, er wolle »missis formis substantialibus et qualitatibus occultis phaenomena naturae ad leges mathematicas renovare« (Phil. nat. princ. math. Anf.). HUME meint, die Vorstellung einer Änderung des Naturlaufes sei möglich (Treat. III, sct. 6). Gesetzmäßigkeit ist Regelmäßigkeit des Geschehens (s. Kausalität). Nach FERGUSON ist Gesetz »jede allgemeine Regel, die aus der Vergleichung mehrerer Faktorum abgezogen ist« (Grunds. d. Moralphilos. S. 2). Es gibt physische und moralische (geistige) Naturgesetze. »Ein physisches Gesetz ist jeder allgemeine Ausdruck einer in mehreren einzelnen Fällen vorkommenden Veränderung.« »Ein moralisches Gesetz ist jeder allgemeine Ausdruck von dem was gut und also geschickt ist, die Wahl verständiger Wesen zu bestimmen« (l.c. S. 4). »Gesetz« bedeutet zuweilen das Faktum selbst (l.c. S. 71). Auch die Geisterwelt hat Gesetze, »denn es gibt unter den Veränderungen und Operationen der Seele gewisse beständige und unveränderliche Fakta« (l.c. S. 72). MENDELSSOHN versteht unter Gesetzen »allgemeine Sätze, in welche wir die besonders Beobachteten oder geschlossenen Kausalitätsverbindungen gebracht haben, durch deren Anwendung wir in jedem vorkommenden Fall auf den Erfolg rechnen« (Morgenst. I, 2).

KANT sieht in der »Gesetzgebung« eine apriorische Funktion des Verstandes, durch welche die Mannigfaltigkeit der Erfahrungsinhalte geordnet wird. Die empirischen Gesetze sind aber schon Anwendungen der gesetzgebenden Funktion des Denkens auf den Erfahrungsinhalt. Rein a priori ist nur das causal- gesetzmäßige Verknüpfen überhaupt. Gesetze sind »Regeln, sofern sie objektiv sind mithin der Erkenntnis des Gegenstandes notwendig anhängen)« (Krit. d. r. Vern. S. 134). Es heißt aber »die Vorstellung einer allgemeinen Bedingung, nach welcher ein gewisses Mannigfaltige mithin auf einerlei Art) gesetzt werden kann, eine Regel, und wenn es so gesetzt werden muß, ein Gesetz« (l.c. S. 125). Die einzelnen Gesetze sind Bestimmungen höchster Verstandesgesetze, die »nicht von der Erfahrung entlehnt sind, sondern vielmehr den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit verschaffen, und eben dadurch Erfahrung möglich machen müssen«. »Es ist also der Verstand nicht bloß ein Vermögen, durch Vergleichung der Erscheinungen sich Regeln zu machen; er ist selbst die Gesetzgebung für die Natur, d. i. ohne Verstand würde es überall nicht Natur, d.h. synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Erscheinungen nach Regeln geben« (l.c. S. 135). Der Verstand ist selbst »der Quell der Gesetze der Natur«. »Zwar können empirische Gesetze, als solche, ihren Ursprung keineswegs vom reinen Verstand herleiten... Aber alle empirischen Gesetze sind nur besondere Bestimmungen der reinen Gesetze des Verstandes, unter welchen und nach deren Norm jene allererst möglich sind, und die Erscheinungen eine gesetzliche Form annehmen« (l.c. S. 135 f.). Praktische Gesetze sind Grundsätze, die als für den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig erkannt werden (Krit. d. prakt. Vern. I. B., 1. Hptst., § 1). Reine Vernunft gibt das Sittengesetz (l.c.§ 7). Die Achtung vor dem Vernunftgesetz begründet die Sittlichkeit (6. d.).

Nach FRIES bestimmt das Gesetz »die notwendige Verbindung mehrerer allgemeiner Bestimmungen, so daß, was unter der einen steht, auch unter der andern stehen muß, die notwendige Verbindung von Begriffen« (Syst. d. Log. S. 165). J. G. FICHTE und HEGEL betrachten die Naturgesetze als Setzungen der Ichheit (s. d.) bezw. der Weltvernunft. Nach ESCHENMAYER sind alle »äußeren Naturgesetze« aus »inneren Grundgesetzen« des Geistes reflectiert (Psychol. S. 310). Das Naturgesetz ist »nichts als der besondere Reflex einer allgemeinen Gleichung, die ursprünglich in uns selbst liegt« (l.c. S. 435 f.). Nach CHR. KRAUSE ist Gesetz »das gemeinsam Bleibende in der Reihe des Mannigfaltigen, sowohl an ewigen als an zeitlichen Dingen« (Abr. d. Rechtsphilos. S. 4). Ähnlich definiert AHRENS (Naturrecht I, 226). Nach BENEKE ist das Gesetz »allgemeiner Ausdruck oder Zusammenfassung mehrerer einstimmiger Prozesse« (Lehrb. d. Psychol. § 19; Syst. d. Log. II, S. 4, 48 ff.). SCHOPENHAUER erklärt das Naturgesetz als die Einheit des Wesens einer Kraft in allen ihren Erscheinungen, als »die unwandelbare Konstanz des Eintrittes derselben, sobald, am Leitfaden der Kausalität, die Bedingungen dazu vorhanden sind« (W. a. W. u. V. I. Bd.. § 26). TRENDELENBURG bestimmt das Gesetz als das Allgemeine, das vor der Erscheinung die Erscheinung bestimmt (Log. Unt. II2, 190). K. FISCHER erklärt: »Gesetze des Vorstellens beherrschen die Erscheinungswelt, weil sie dieselbe machen. Daher sind sie, soweit sich das Reich der Erscheinungen erstreckt, Weltbedingungen oder Weltprincipien, deren Bedeutung völlig verkannt wird, wenn man ihnen nur anthropologische oder psychologische Geltung zuschreiben will: sie können nicht durch Psychologie begründet werden, weil sie diese selbst erst begründen« (Krit. d. Kantschen Philos. S. 12). Ähnlich lehren H. COHEN, NATORP u. a. O. LIEBMANN versteht unter Naturgesetz »eine allgemeine Regel, nach welcher an das Zusammentreffen bestimmter Realbedingungen in der Natur jederzeit und allerorten das nämliche Ereignis als Realeffect geknüpft erscheint« (Anal. d. Wirkl.2, S. 280). »Die allgemeine Gesetzlichkeit des natürlichen Geschehens ist das objektive Korrelatum desjenigen in uns, was wir Vernunft, logos, nennen; sie ist die Logik der Tatsachen, ist die Vernunft im Universum« (l.c. S. 281). Das ist eine apriorische Überzeugung (ib.). Die Zeitlosigkeit der Gesetze, ihre ewige Geltung betont (ähnlich wie LOTZE) TEICHMÜLLER (Darwin. u. Philos. S. 9 ff-). Nach ULRICI ist ein Gesetz »der allgemeine Ausdruck (die Formel) der bestimmten Art und Weise, in der eine Kraft notwendig und allgemein sich äußert, eine Tätigkeit notwendig und allgemein tätig ist« (Log. S. 93; vgl. Gott u. Nat. S. 48 f.). Nach RÜMELIN ist das Gesetz der Ausdruck für die »elementare konstante, in allen einzelnen Fällen als Grundform erkennbare Wirkungsweise von Kräften« (Red. u. Aufs. I, S. 5). Die Ausnahmslosigkeit gehört zum Begriff des Gesetzes, (l.c. S. 16). Die sozialen »Gesetze« sind hypothetischer Art, sind nur eine Art der psychischen Gesetze (l.c. I, 9 f., 28; II, 118 ff.). Nach M. CARRIERE drücken die Gesetze der Natur »die Beziehungen und Verhältnisse der Wesen zueinander aus, welche der eine Unendliche alle in sich hegt und durch seine Gegenwart verbindet« (Ästh. I, 29). Nach E. v. HARTMANN bezeichnet das Gesetz »die bestimmte Wirkungsweise unter bestimmten Verhältnissen« (Kategorienlehre S. 422). Es hat »im Geschehen eine implicite Existenz« (l.c. S. 423), ist etwas Beständiges, schließt aber variable und konstante Faktoren in sich (ib.). »Das Gesetz zeigt die ideelle Bestimmtheit an, zu welcher die Natur den Inhalt ihrer dynamischen Funktionen von Fall zu Fall determiniert.« »Die Gesamtheit der Weltgesetz erschöpft die ›Welt als Idee‹« (Weltansch. der mod. Phys. S. 209). G. SPICKER erklärt »Gesetz« als die »unveränderlichen, allgemeinen Normen, nach welchen sich alle Prozesse in den äußeren Erscheinungen vollziehen« (Vers. e. n. Gottesbegr. S. 77). Die Gesetze sind »teleologischer Natur« (l.c. S. 81). Vor der Entstehung des Endlichen sind sie nur potentiell (l.c. S. 120).


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