Temperament

 

Nach C. G. CARUS beziehen sich die Temperamente auf Fühlen, Wollen und Erkennen. Zu den vier Temperamenten kommen das psychische und das elementare hinzu (Symbol. S. 30 ff.). MEHRING betrachtet das Temperament als Verhältnis der Erhöhung und Stumpfheit von Sinn und Trieb (Selbsterk. I, 183). Nach BURDACH ist das Temperament die feste Konstitution des Selbstgefühls (Blicke ins Leb. I, 92). Nach TROXLER ist das Temperament der »turgor vitalis« der Lebensgeister, das Persönlichkeitsbildende (Blicke in d. Wes. d. Mensch. S. 152 ff.). Nach STEFFENS sind in den Temperamenten »die Elemente der Erde, nicht bloß im ganzen, sondern für sich ewig geworden« (Grdz. d. philos,. Naturwiss. S. 194). Er unterscheidet südliches, nördliches, östliches westliches (sanguinisches etc.) Temperament (l. c. S. 194 f.). »Das erscheinende Temperament ist eine Abweichung von dem Normaltemperament, welches nur in der Totalität der Menschenorganisation zu schauen ist« (l. c. S. 196). SCHUBERT bezieht die Temperamente auf Rezeptivität und Aktivität (Lehrb. d. Menschen- u. Seelenkunde S. 117). Nach STEFFENS ist das Temperament etwas rein Psychisches. er unterscheidet genießendes, sehnsüchtiges, leidendes Temperament (Schriften II, 137 f.). Nach SUABEDISSEN ist Temperament die innere Beschaffenheit des Lebens, die den Menschen geneigt macht, auf gewisse Weise zu empfinden, zu fühlen, zu begehren, sich zu äußern. »Das Wesen dieser Beschaffenheit kann aber nichts anderer rein als die besondere Weise, wie in einem Menschen das geistige und das leibliche Leben und die Haupttätigkeiten des geistigen und des leiblichen Lebens unter sich und miteinander geeinigt sind« (Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 317 f.). Das Temperament kann nicht aus der Leibesbeschaffenheit erklärt werden. Jeder Mensch hat sein besonderes Temperament, es gibt aber Temperamentsarten (l. c. S. 318). Es gibt geistiges, sinnliches, leidendes, strebendes Temperament (ib.). Ein rein geistiges, leibliches und ein Vereintemperament unterscheidet CHR. KRAUSE (Psych. Anthrop. S. 242). - SCHLEIERMACHER gründet die Temperamente auf die Gegensätze von Wechsel und Dauer, Rezeptivität und Spontaneität (Psychol. S. 301 ff., 304 f., 314), In eine Gefühlsdisposition setzt das Temperament GEORGE (Psychol.). Ahnlich HERBART (vgl. Klein. philos. Schrift. II, 553 ff.. vgl. SCHILLING, Psychol. S. 202). Auf die Art des Handelns bezieht das Temperament HEGEL, (Encykl. § 395), MICHELET auf die »festen Unterschiede des Benehmens« gegenüber der Außenwelt (Anthropol. S. 137 ff.), ähnlich SCHALLER (vgl. Psychol. I, 197), K. ROSENKRANZ. Nach ihm ist Temperament »das eigentümliche Verhältnis der Systeme des Organismus in ihm und die dadurch erzeugte totale Temperatur seines physischen und geistigen, d. i. eben psychischen Lebens« (Psychol.3, S. 75). Es handelt sich um das Übergewicht des sensiblen, irritablen, reproduktiven oder vegetativen Systems (ib.). Rezeptivität und Spontaneität sind hier von Bedeutung (l. c. 76 S. ff.). - Nach JESSEN gibt es irritables und phlegmatisches Temperament, mit Unterabteilungen (Psychol. II, S. 302). Nach JOH. MÜLLER ist das Temperament der permanente Zustand der Wechselwirkung von Seele und Leib (Handb. d. Physiol. d. Mensch. II, 575). - Die überkommene Temperamentenlehre lehnt G. E. SCHULZE ab. Sehr viele Menschen besitzen aus allen Temperamenten etwas (Psych. Anthropol. S. 520 ff.). BENEKE setzt an Stelle der Temperamente »angeborene Eigentümlichkeiten der Urvermögen« (Lehrb. d. Psychol. § 344. vgl. Pragmat. Psychol. I, 85 ff.).

LOTZE versteht unter Temperamenten die »formellen und graduellen Verschiedenheiten der Erregbarkeit für äußere Eindrücke, der größeren oder geringeren Ausdehnung, mit welcher die angeregten Vorstellungen andere reproduzieren, der Schnelligkeit, mit welcher die Vorstellungen wechseln, der Stärke, mit welcher sich an sie Gefühle der Lust oder Unlust knüpfen, endlich der Leichtigkeit, mit der sich an diese innern Zustände auch äußere Handlungen schließen« (Grdz. d. Psychol. S. 85). Es gibt reizbare und apathische Temperamente, beide mit schwachen oder starken Reaktionen (Med. Psychol. S. 562. Mikrok. II2, 366. vgl. HARLESS, in Wagners Handwörterb. III 1, 531 ff.). Nach J. H. FICHTE ist das Temperament »die quantitative Seite, das ursprüngliche Kraftmaß jedes individuellen Seelenlebens« (Psychol. II, 149). Rein psychisch bestimmt die (vier) Temperamente ULRICI (Leib u. Seele II2, 131 f.). Nach VOLKMANN hat der Begriff des Temperamentes »nur eine höchst beschränkte Verwendbarkeit für die exaktere Auffassung des Seelenlebens, denn wenn auch immerhin dieses letztere in seiner Gesamtheit unter ein bestimmtes Schema von Intensitäts- und Rhytmenbestimmungen gebracht werden kann, so sind diese in den verschiedenen Regionen des Seelenlebens so verschieden, daß die Gesamtbestimmung nur den Wert eines schwankenden, beiläufigen Durchschnittes besitzen kann« (Lehrb. d. Psychol. I4, 206 ff.). Nach v. KIRCHMANN bezeichnen die Temperamente nur Unterschiede in der Empfänglichkeit für die Gefühle neben dem Unterschied in der Beharrlichkeit derselben (Grundbegr. d. Rechts u. d. Mor. S. 41). Nach HAGEMANN ist das Temperament die »verschiedene Art der Erregbarkeit des Gemütes oder die Weise, wie die Seele zum Fühlen oder Streben gestimmt (temperiert) ist« (Psychol.3, S. 170). Nach G. H. SCHNEIDER besteht jedes Temperament in einer einseitigen Disposition (Menschl. Wille, S. 392). Nach TH. ZIEGLER ist Temperament »die Art, wie der Mensch zu Stimmungen disponiert ist« (Das Gef.2, S. 205). Nach SULLY ist das Temperament die Summe der angeborenen Neigungen (Handbuch d. Psychol. S. 320). Nach W. JERUSALEM ist es Gefühlsdisposition, Affektanlage (Lehrb. d. Psychol.3, S. 179 f.). Nach KREIBIG ist Temperament im weiteren Sinne »die Besonderheit eines Subjekts hinsichtlich des Vorwiegens einer Gefühlsqualität und der dadurch ausgelösten Willensintensität« (Werttheor. S. 193). Im engern Sinne ist es »die Besonderheit eines Subjekts hinsichtlich seiner Affektdispositionen und der damit verknüpften Willensenergie« (ib.). Zu unterscheiden ist: »a. Neigung zu lebhafter Lustreaktion, verbunden mit starkem Willen (teilweise mit sanguinisch sich denkend). b. Neigung zu lebhafter Unlustreaktion, verbunden mit starkem Willen (teilweise mit cholerisch sich deckend). c. Neigung zu lebhafter Lustreaktion, verbunden mit schwachem Willen (verwandt mit phlegmatisch). d. Neigung zu lebhafter Unlustreaktion, verbunden mit schwachem Willen (mit melancholisch verwandt)« (ib.). Nach WUNDT sind Temperamente »die eigentümlichen individuellen Dispositionen der Seele zur Entstehung der Gemütsbewegungen«. Sie lassen sich unterscheiden mit Bezug auf Stärke und Schwäche, Schnelligkeit und Langsamkeit der Gefühle: (Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 519 ff.). Nach HÖFFDING sind die Temperamente abhängig von der größeren oder geringeren Leichtigkeit, mit welcher die Zentralorgane der Sinneswahrnehmung und der Bewegung in Tätigkeit gesetzt werden (Psychol.2, S. 477). Lust - Unlust, Stärke - Schwäche, Geschwindigkeit - Langsamkeit lassen acht Temperamente resultieren (l. c. S. 478). - Als Haupttypen von Charakteren unterscheidet B. PEREZ die »vifs«, »lents«, »ardents« und gemischte Typen (Le caractère de l'enf.), A. FOUILLÉE die »sensitifs«, »intellectuels«, »volontaires« (Tempéram. et caractère 1895. vgl. BAIN, Study of character, 1861), RIBOT 1) »amorphes« und »instables«, 2) eigentliche Charaktere: »sensitifs« oder »affectifs« (humbles, contemplatifs, emotionnels), »actifs« (actifs médiocres, grands actifs), »apathiques« und Mischtypen (Psychol. d. sent. p. 371 ff.). Vgl. Charakter, Naturell.

 


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