Teilbarkeit

 

Die zwischen der Annahme endlicher und der der unendlichen Teilbarkeit bestehende »Antinomie« (s. d.) behebt KANT durch den Hinweis auf den Regress (s. d.) des Bewußtseins, der dem Unendlichen (s. d.) zugrundeliegt und der nicht mit fertig gegebenen unendlichen Teilen zu verwechseln ist. »Die Reihe der Bedingungen ist nur in der regressiven Synthesis selbst, nicht aber an sich in der Erscheinung, als einem eigenen, vor allem Regressus gegebenen Dinge anzutreffen. Daher werde Ich auch sagen müssen: die Menge der Teile in einer gegebenen Erscheinung ist an sich weder endlich noch unendlich, weil Erscheinung nichts an sich selbst Existierendes ist und die Teile allererst durch den Regressus der decomponierenden Synthesis und in demselben gegeben werden, welcher Regressus niemals schlechthin ganz weder als endlich, noch als unendlich gegeben ist« (Krit. d. rein. Vern. S. 411). Die Teilbarkeit des Körpers gründet sich auf die Teilbarkeit des Raumes, und dieser ist »ins unendliche teilbar, ohne doch darum aus unendlich vielen Teilen zu bestehen« (l. c. S. 423). »Die unendliche Teilung bezeichnet nur die Erscheinung als quantum continuum und ist von der Erfüllung des Raumes unzertrennlich... Sobald aber etwas als quantum discretum angenommen wird: so ist die Menge der Einheiten darin bestimmt, daher auch jederzeit einer Zahl gleich« (l. c. S. 425). Die Materie ist »ins unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren jeder wiederum Materie ist« (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 43). Dies ist durch die Vernunft zu denken, aber nicht anschaulich zu machen. »Denn, was nur dadurch wirklich ist, daß es in der Vorstellung gegeben ist, davon ist auch nicht mehr gegeben, als soviel in der Vorstellung angetroffen wird, d. i. soweit der Progressus der Vorstellungen reicht. Also von Erscheinungen, deren Teilung ins unendliche geht, kann man nur sagen, daß der Teile der Erscheinung so viel sind, als wir deren nur geben, d. i. soweit wir nur immer teilen mögen. Denn die Teile, als zur Existenz einer Erscheinung gehörig, existieren nur in Gedanken, nämlich in der Teilung selbst. Nun geht zwar die Teilung ins Unendliche, aber sie ist doch niemals als unendlich gegeben: also folgt daraus nicht, daß das Teilbare eine unendliche Menge Teile an sich selbst und außer unserer Vorstellung in sich enthalte, darum weil seine Teilung ins unendliche geht. Denn es ist nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Teilung, ob sie zwar ins unendliche fortgesetzt werden kann und im Objekte, das an sich unbekannt ist, dazu auch ein Grund ist, dennoch niemals vollendet, folglich ganz gegeben werden kann und also auch keine wirkliche unendliche Menge im Objekte (als die ein ausdrücklicher Widerspruch sein würde) beweiset« (l. c. S. 49 f.). »Nun muß freilich das Zusammengesetzte der Dinge an sich selbst aus dem Einfachen bestehen. denn die Teile müssen hier vor aller Zusammensetzung gegeben sein. Aber das Zusammengesetzte in der Erscheinung besteht nicht aus dem Einfachen, weil in der Erscheinung, die niemals anders als zusammengesetzt (ausgedehnt) gegeben werden kann, die Teile nur durch Teilung und also nicht vor dem Zusammengesetzten, sondern nur in demselben gegeben werden können« (l. c. S. 52).

Nach AD. WEISHAUPT gibt es keine ins unendliche teilbare Materie. »Wäre die Materie in das unendliche teilbar, so würde der kleinste Weltteil so viele Teile enthalten, als der größte, als das Universum selbst, oder es gäbe was ebenso unmöglich ist, ein Unendliches, das kleiner oder größer wäre. Es gibt sodann ein Ganzes ohne Teile, oder ich muß auf letzte Teile kommen« (Üb. Material. u. Ideal. S. 26). Jeder Teil der Materie besteht aus Teilen, die nicht weiter zusammengesetzt sind (l. c. S. 27). - SCHELLING erklärt: »Da die Materie nichts anderes ist als das Produkt einer ursprünglichen Synthesis (entgegengesetzter Kräfte) in der Anschauung, so geht man damit den Sophismen, die unendliche Teilbarkeit der Materie betreffend, aus dem Wege, indem man ebensowenig nötig hat, mit einer sich selbst mißverstehenden Metaphysik zu behaupten, die Materie bestehe aus unendlich vielen Teilen (was widersinnig ist) als mit dem Atomistiker der Freiheit der Einbildungskraft im Teilen Grenzen zu setzen. Denn wenn die Materie ursprünglich nichts anderes ist als ein Produkt meiner Syntesis, so kann Ich diese Synthesis auch ins unendliche fortsetzen - meiner Teilung der Materie ins unendliche fort ein Substrat geben.« »Daß die Materie aus Teilen bestehe, ist ein bloßes Urteil des Verstandes. Sie besteht aus Teilen, wenn und solange ich sie teilen will. Aber daß sie ursprünglich, an sich, aus Teilen bestehe, ist falsch, denn ursprünglich - in der produktiven Anschauung - entsteht sie als ein Ganzes aus entgegengesetzten Kräften, und erst durch dieses Ganze in der Anschauung werden Teile für den Verstand möglich« (Naturphilos. S. 356 f.). Nach HEGEL ist die Materie ins unendliche teilbar, d.h. »dies ist ihre Natur, daß, was als Ganzes gesetzt wird, als eins schlechthin sich selbst äußerlich, ein Vieles sei. Aber sie ist nicht in der Tat ein Geteiltes, so daß sie aus Atomen bestünde. sondern dies ist eine Möglichkeit, die nur Möglichkeit ist, d.h. dieses Teilen ins unendliche ist nicht etwas Positives,

Wirkliches, sondern nur ein Subjektives Vorstellen« (Naturphilos. S. 26 f.). Nach HERBART ist die »unendlich vielfache Möglichkeit, zwischen je zwei Reihen... noch unzählige andere zu bestimmen, die ebenfalls ihre Verschmelzungen eingegangen sein könnten, der Grund der unendlichen Teilbarkeit des sinnlichen Raumes« (Psychol. als Wissensch. II, 96). Nach WAITZ ist Teilbarkeit nur ein Ausdruck »für den Vorbehalt, daß die Grenze denkbarer Teilung niemals überschritten werden könne durch eine wirklich vorkommende Teilung« (Lehrb. S. 612 f.). Nach J. H. FICHTE bedeutet die unendliche Teilbarkeit nur »die Möglichkeit, jedes kleinste Raum- oder Körpercontinuum auch noch als ein Discretes, unendlich mögliche Unterschiede in sich Zulassendes zu denken. darum aber ist es nicht wirklich zusammengesetzt aus unendlich kleinsten Raumteilen und kleinsten Körperchen« (Anthropol. S. 203). Nach ULRICI ist es »kein Widerspruch, Dinge anzunehmen, die zwar als bloße Quanta ins unendliche teilbar sein würden, deren Qualität aber diese bloß mögliche Teilbarkeit unmöglich macht oder dergestalt beschränkt, daß sie auf einem gewissen Punkte zur wirklichen Unteilbarkeit wird« (Gott u. d. Nat. S. 442. vgl. S. 426 f.). Nach MAMIANI sind die Körper weder aktuell noch potentiell ins unendliche teilbar. Die Körperelemente sind einfach, unausgedehnt (Conf. II, 46 ff.). Nach M. MÜLLER sind unsere Sinne nie klein genug, um die kleinsten Dinge zu erfassen. die Minima erreichen wir nie. Unsere Sinne kennen kein wirklich Unteilbares, sie fühlen die Wirklichkeit einer unendlich kleinen Ausdehnung (Relig. S. 42 f.). Nach KROMAN ist es ziemlich sicher, daß es für die faktische Teilbarkeit gewisse Grenzen gibt, die durch das Mittel der Natur nicht zu überschreiten sind. Atome als Kraftpunkte sind anzunehmen (Unsere Naturerk. S. 405, 426 ff.). Nach SCHOLKMANN ist das Ausgedehnte als solches ins unendliche teilbar zu denken. »Trotzdem muß ein Zusammengesetztes doch eine Grundeinheit haben, und um diese zu finden, gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich die Annahme, daß das, was von der Teilung betroffen wird, in letzter Form selber kein Ausgedehntes, sondern seinem innern Wesen nach Unteilbares sei, welches das Ausgedehntsein als seine Wirkung aus sich herausstelle« (Grdl. ein. Philos. d. Christent. S. 16). Nach WUNDT ist es denkbar, »daß das Gegebene seiner anschaulichen Form nach stetig, also ins unendliche teilbar vorgestellt werde, seinem begrifflichen Wesen nach aber aus einfachen Elementen bestehe« (Syst. d. Philos.2, S. 345 ff.). Nach H. CORNELIUS ist jeder endliche Teil des Raumes nicht als ein von vornherein aus positiv unendlich vielen Teilen zusammengesetztes Ganzes aufzufassen, sondern »es ist nur für den Fortschritt der immer weiter gehenden Teilung jedes solchen Raumes in unserem Denken keine Grenze gesetzt« (Einl. in d. Philos. S. 332). Nach SOCOLIU bestehen die Körper aus Atomen. »Da das Atom nicht in der Anschauung gegeben ist, so kann auch seine Weiterteilung nicht einmal vorgestellt werden. weshalb auch die berühmte 'unendliche Teilbarkeit' in Wirklichkeit nichts weiter ist als das Wiederholen in unbestimmter Anzahl eines und desselben willkürlichen Vorstellungsaktes im Kopfe eines unklaren Denkers« (Grundprobl. d. Philos. S. VIII). Nach L. DILLES ist die Materie (s. d.) als solche nur ein »aufgehobenes Moment« im Ich. als solches ist sie der Möglichkeit nach in infinitum teilbar, ohne aus geschiedenen Teilen zu bestehen. Das, woraus sie besteht, ist das Ichwesen, welches in sie idealiter geteilt ist (Weg zur Met. S. 139). Vgl. Unendlich.

 


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