Zeichen

Zeichen (sêmeion, signum) ist alles, was und woferne es dazu dient, ein anderes, einen bestimmten Inhalt, anzuzeigen, was für ein anderes steht, auf dieses hin zeigt, verweist. Eine Vorstellung wird zum Zeichen für andere, wenn sie eine Bedeutung (s. d.) hat, wenn sie als Reproduktionsmittel dient. Natürliche Zeichen sind Vorstellungen, welche Gegenstände darstellen, repräsentieren, welche also einen bestimmten gesetzmäßigen Erfahrungszusammenhang bezw. die in diesem sich manifestierenden Wirklichkeitsfaktoren vertreten. oder auch Vorstellungen, welche andere Vorstellungen bezw. Gefühle, Affekte, Strebungen anzeigen, bekunden (z.B. die Ausdrucksbewegungen), kurz jede Vorstellung, sofern durch sie die Existenz eines andern durch normale Assoziation (s. d.) zu erkennen ist. Künstliche, konventionelle Zeichen sind Vorstellungen, die ihre significative Funktion, ihren Hinweis auf einen bestimmten Inhalt erst durch freie Wahl, durch Vereinbarung erhalten (z.B. die Wörter, s. d.). Die Stoiker verstehen unter den sêmainonta den sprachlichen Ausdruck der Vorstellungen und Gedanken, unter den sêmainomena die letzteren (Diog. L. VII, 43 squ., 55. Cicer., Acad. II, 29. Tusc. disp. I, 7). - Nach WILHELM VON OCCAM ist ein Zeichen (signum) »omne illud, quod apprehensum alquid aliud in cognitione facit venire« (Log. I, 1). Es gibt natürliche (»naturalia«) und konventionelle Zeichen (»ad placitum instituta«), nämlich Begriffe (a d.) und Worte (s. Terminus). Der »terminus mentalis« ist eine »intentio animae aliquid naturaliter significans« (l. c. I, 3). Die Vorstellungen sind Zeichen der Dinge. - MICRAELIUS erklärt: »Signum est, quod ostendit se et praeter se aliud repraesentat.« Es ist »vel physicum atque naturale, quod vi naturae suae aliquid repraesentat« oder »proaereticum et arbitrarium, quod pro arbitrio vel consuetudine imponitur rei« (Lex. philos. p. 999 f.). HOBBES bestimmt: »Signum est antecedenti eventui eventus consequens, et contra, consequenti antecedens« (Leviath. I, 3). Nach den Konimbricensern ist ein Zeichen, »quod potentiae cognoscendi aliquid repraesentat«. Es gibt formale und instrumentale Zeichen (Con. Log. de interpr. I, 11. 2, 2. bei Willmann, Gesch. d. Idealism. II, 587). Nach CHR. WOLF ist ein Zeichen »ein Ding, daraus ich entweder die Gegenwart oder die Ankunft eines andern Dinges erkennen kann, das ist, daraus ich erkenne, daß es wirklich an einem Orte vorhanden ist, oder daselbst gewesen, oder auch daselbst etwas entstehen werde« (Vern. Ged. I, § 292). »Wenn alle zwei Dinge beständig miteinander zugleich sind, oder eines beständig auf das andere erfolget. so ist allezeit eines ein Zeichen des andern. Und dergleichen Zeichen werden natürliche Zeichen genennet«. »Wir pflegen auch nach Gefallen zwei Dinge miteinander an einen Ort zu bringen, die sonst vor sich nicht würden zusammenkommen, und machen das eine zum Zeichen des andern. Dergleichen Zeichen werden willkürliche Zeichen genennet« (Vern. Ged. I, § 293 f.. vgl. Onfolog. § 952 ff.).

Nach JAKOB sind Zeichen »Vorstellungen, welche gebraucht werden, um die Verstandeswirkungen festzuhalten oder auch herbeizulocken« (Psychol. § 352). Nach KIESEWETTER ist ein Zeichen »der Gegenstand, dessen Anschauung dazu dient, eine andere Vorstellung ins Bewußtsein zu bringen« (Log. II, § 74. vgl. HOFFBAUER, Log. § 112). FRIES bestimmt: »Zeichen heißt eine Vorstellung, wiefern mein Bewußtsein durch sie auf eine andere, die bezeichnete, die Bedeutung des Zeichens geführt wird.« »Alle Bezeichnung aber beruht auf dem Gesetz der Assoziation der Vorstellungen, indem die Vorstellung des Zeichens mich diesem Gesetze gemäß zur bezeichneten fahrt« (Syst. d. Log. S. 370). »Jede Vorstellungsart, in der die Gedanken als die Bedeutung von Zeichen vorgestellt werden, heißt symbolische Vorstellungsart.« »Diese symbolischen Vorstellungsarten greifen in unserem Leben so vielfach ineinander, daß wir unmittelbare, in denen ein Zeichen schlechthin mit dem bezeichneten verbunden ist, von mittelbaren unterscheiden müssen, in denen Zeichen von Zeichen vorkommen und erst so ihre Bedeutung finden. Die Bedeutung eines unmittelbaren Zeichens heißt die eigentliche, die eines mittelbaren die uneigentliche« (l. c. S. 373 f.). Nach BACHMANN ist ein Zeichen (s. Symbol) natürlich, welches »aus Naturgesetzen von selbst hervorgeht« (Syst. d. Log. S. 379 f.). Nach BOLZANO ist ein Zeichen ein Gegenstand, »durch dessen Vorstellung wir eine andere in einem denkenden Wesen mit ihr verknüpfte Vorstellung erneuert wissen wollen« (Wissenschaftslehre III, § 285, S. 67). »Die objektive Vorstellung, deren entsprechende subjektive durch die Vorstellung des Zeichens angeregt werden soll, heißt die bezeichnete Vorstellung, auch die Bedeutung des Zeichens« (ib.). Aus gegebenen Zeichen entnehmen, welche Vorstellungen ihr Urheber hat hervorbringen wollen, heißt, sie verstehen (l. c. S. 68).

VOLKMANN bemerkt: »Das Zeichen wird nur dadurch zum Zeichen, daß es sieh eine Bedeutung erwirbt, an die es erinnert, d.h. daß die bezeichnende Vorstellung als solche gegen jene andere zurücktritt, die sie mittelbar. zu reproduzieren bestimmt ist« (Lehrb. d. Psychol. I4, 447). Nach GUTBERLET ist Zeichen »alles, dessen Erkenntnis die Erkenntnis eines andern vermittelt, das, woran man etwas erkennt« (Log. u. Erk. S. 17 f.). RABIER erklärt: »Un signe est un fait perçu par les sens, qui révèle un autre fait, lequel, par accident, ou par sa nature même, échappe à la perception« (Psychol. p. 588). Alle Signifikation ist »un cas d'association« (ib.). Nach BRADLEY ist ein Zeichen (sign) »anything which can stand for anything else«, »any fact that has a meaning« (Log. I, 1, § 4). Die Bedeutung »consists of a part of the content (original or acquired) cut off, fixed by the mind, and considered apart from the existence of the sign« (l. c. p. 4). Für die Logik sind alle »ideas« Zeichen (l. c. § 5). Die Unterscheidung der »ideas« als Symbol und als Symbolisiertes ist wichtig (l. c. § 7). »For logical purposes ideas are symbols, and they are nothing but symbols« (l. c. § 4). - Vgl. L. DUGAS, Le Psittacisme. R. GAETSCHENBERGER, Grdz. ein. Psychol. d. Zeichens, 1901. - Vgl. Symbol, Terminus, Wort, Sprache, Semiotik, Empfindung.


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