Venedig.
Il Redentore, Seitenaltar
Den 3. Oktober.
Dem heiligen Franziskus zu Ehren hatten die Patres Capucini einen Seitenaltar mächtig ausgeputzt; man sah nichts von Stein als die korinthischen Kapitäle; alles übrige schien mit einer geschmackvollen prächtigen Stickerei nach Art der Arabesken überzogen, und zwar so artig, als man nur etwas zu sehen wünschte. Besonders wunderte ich mich über die breiten, goldgestickten Ranken und Laubwerke. Ich ging näher und fand einen recht hübschen Betrug. Alles, was ich für Gold gehalten hatte, war breitgedrücktes Stroh, nach schönen Zeichnungen auf Papier geklebt, der Grund mit lebhaften Farben angestrichen, und das so mannigfaltig und geschmackvoll, daß dieser Spaß, dessen Material gar nichts wert war, und der wahrscheinlich im Kloster selbst ausgeführt wurde, mehrere tausend Taler müßte gekostet haben, wenn er echt hätte sein sollen. Man könnte es gelegentlich wohl nachahmen.
Auf einem Uferdamme im Angesicht des Wassers bemerkte ich schon einigemal einen geringen Kerl, welcher einer größern oder kleinern Anzahl von Zuhörern im venezianischen Dialekt Geschichten erzählte; ich kann leider nichts davon verstehen, es lacht aber kein Mensch, nur selten lächelt das Auditorium, das meist aus der ganz niedern Klasse besteht. Auch hat der Mann nichts Auffallendes noch Lächerliches in seiner Art, vielmehr etwas sehr Gesetztes, zugleich eine bewunderungswürdige Mannigfaltigkeit und Präzision, welche auf Kunst und Nachdenken hinwiesen, in seinen Gebärden.