Rom. Abbate Monti, »Aristodem«


Den 23. November.

 

Damit es mir denn aber doch mit meinem beliebten Inkognito nicht wie dem Vogel Strauß ergehe, der sich für versteckt hält, wenn er den Kopf verbirgt, so gebe ich auf gewisse Weise nach, meine alte These immerfort behauptend. Den Fürsten von Liechtenstein, den Bruder der mir so werten Gräfin Harrach, habe ich gern begrüßt und einigemal bei ihm gespeist, und konnte bald merken, daß diese meine Nachgiebigkeit mich weiter führen würde, und so kam es auch. Man hatte mir von dem Abbate Monti präludiert, von seinem »Aristodem«, einer Tragödie, die nächstens gegeben werden sollte. Der Verfasser, sagte man, wünsche sie mir vorzulegen und meine Meinung darüber zu hören. Ich ließ die Sache fallen, ohne sie abzulehnen, endlich fand ich einmal den Dichter und einen seiner Freunde beim Fürsten, und das Stück ward vorgelesen.

Der Held ist, wie bekannt, ein König von Sparta, der sich wegen allerlei Gewissensskrupel selbst entleibt, und man gab mir auf eine artige Weise zu verstehen, der Verfasser des »Werthers« würde wohl nicht übel finden, wenn er in diesem Stücke einige Stellen seines trefflichen Buches benutzt finde. Und so konnte ich selbst in den Mauern von Sparta den erzürnten Manen des unglücklichen Jünglings nicht entgehen.

Das Stück hat einen sehr einfachen, ruhigen Gang, die Gesinnungen wie die Sprache sind, dem Gegenstande gemäß, kräftig und doch weichmütig. Die Arbeit zeugt von einem sehr schönen Talente.

Ich verfehlte nicht, nach meiner Weise, freilich nicht nach der italienischen, alles Gute und Lobenswürdige des Stücks herauszuheben, womit man zwar leidlich zufrieden war, aber doch mit südlicher Ungeduld etwas mehr verlangte. Besonders sollte ich weissagen, was von dem Effekt des Stücks auf das Publikum zu hoffen sei. Ich entschuldigte mich mit meiner Unkunde des Landes, der Vorstellungsart und des Geschmacks, war aber aufrichtig genug, hinzuzusetzen, daß ich nicht recht einsehe, wie die verwöhnten Römer, die ein komplettes Lustspiel von drei Akten und eine komplette Oper von zwei Akten als Zwischenspiel oder eine große Oper mit ganz fremdartigen Balletts als Intermezz zu sehen gewohnt seien, sich an dem edlen, ruhigen Gang einer ununterbrochen fortgehenden Tragödie ergötzen könnten. Alsdann schien mir auch der Gegenstand des Selbstmordes ganz außer dem Kreise italienischer Begriffe zu liegen. Daß man andere totschlage, davon hätte ich fast Tag für Tag zu hören, daß man sich aber selbst das liebe Leben raube, oder es nur für möglich hielte, davon sei mir noch nichts vorgekommen.

Hierauf ließ ich mich gern umständlich unterrichten, was gegen meinen Unglauben einzuwenden sein möchte, und ergab mich sehr gern in die plausibeln Argumente, versicherte auch, daß ich nichts mehr wünsche, als das Stück aufführen zu sehen und demselben mit einem Chor von Freunden den aufrichtigsten, lautesten Beifall zu zollen. Diese Erklärung wurde freundlichst aufgenommen, und ich hatte alle Ursache, diesmal mit meiner Nachgiebigkeit zufrieden zu sein - wie denn Fürst Liechtenstein die Gefälligkeit selbst ist und mir Gelegenheit geschafft hat, mit ihm gar manche Kunstschätze zu sehen, wozu besondere Erlaubnis der Besitzer und also eine höhere Einwirkung nötig ist.

Dagegen aber reichte mein guter Humor nicht hin, als die Tochter des Prätendenten das fremde Murmeltier gleichfalls zu sehen verlangte. Das habe ich abgelehnt und bin ganz entschieden wieder untergetaucht.

Und doch ist das auch nicht die ganz rechte Art, und ich fühle hier sehr lebhaft, was ich schon früher im Leben bemerken konnte, daß der Mensch, der das Gute will, sich ebenso tätig und rührig gegen andere verhalten müsse als der Eigennützige, der Kleine, der Böse. Einsehen läßt sich's gut; es ist aber schwer in diesem Sinne handeln.




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