Rom. Abreise


Den 21. Februar 1787

 

Ich benutze die Augenblicke zwischen dem Einpacken, um noch einiges nachzuholen. Morgen gehn wir nach Neapel. Ich freue mich auf das Neue, das unaussprechlich schön sein soll, und hoffe, in jener paradiesischen Natur wieder neue Freiheit und Lust zu gewinnen, hier im ernsten Rom wieder an das Studium der Kunst zu gehen.

Das Einpacken wird mir leicht, ich tue es mit leichterem Herzen als vor einem halben Jahre, da ich mich von allem loslöste, was mir so lieb und wert war. Ja, es ist schon ein halbes Jahr, und von den vier Monaten, in Rom zugebracht, habe ich keinen Augenblick verloren, welches zwar viel heißen will, aber doch nicht zuviel gesagt ist.

Daß »Iphigenia« angekommen, weiß ich; möge ich am Fuße des Vesuvs erfahren, daß ihr eine gute Aufnahme zuteil geworden.

Mit Tischbein, der so einen herrlichen Blick in Natur als Kunst hat, diese Reise zu machen, ist für mich von der größten Wichtigkeit; doch können wir als echte Deutsche uns doch nicht losmachen von Vorsätzen und Aussichten auf Arbeit. Das schönste Papier ist gekauft, und wir nehmen uns vor, darauf zu zeichnen, obgleich die Menge, die Schönheit und der Glanz der Gegenstände höchst wahrscheinlich unserm guten Willen Grenzen setzt.

Eins habe ich über mich gewonnen, daß ich von meinen poetischen Arbeiten nichts mitnehme als »Tasso« allein, zu ihm habe ich die beste Hoffnung. Wüßt' ich nun, was ihr zu »Iphigenien« sagt, so könnte mir dies zur Leitung dienen, denn es ist doch eine ähnliche Arbeit, der Gegenstand fast noch beschränkter als jener und will im einzelnen noch mehr ausgearbeitet sein; doch weiß ich noch nicht, was es werden kann, das Vorhandene muß ich ganz zerstören, das hat zu lange gelegen, und weder die Personen, noch der Plan, noch der Ton haben mit meiner jetzigen Ansicht die mindeste Verwandtschaft.

Beim Aufräumen fallen mir einige eurer lieben Briefe in die Hand, und da treffe ich beim Durchlesen auf den Vorwurf, daß ich mir in meinen Briefen widerspreche. Das kann ich zwar nicht merken, denn was ich geschrieben habe, schicke ich gleich fort, es ist mir aber selbst sehr wahrscheinlich, denn ich werde von ungeheuern Mächten hin und wider geworfen, und da ist es wohl natürlich, daß ich nicht immer weiß, wo ich stehe.

Man erzählt von einem Schiffer, der, von einer stürmischen Nacht auf der See überfallen, nach Hause zu steuern trachtete. Sein Söhnchen, in der Finsternis an ihn geschmiegt, fragte: »Vater, was ist denn das für ein närrisches Lichtchen dort, das ich bald über uns, bald unter uns sehe?« Der Vater versprach ihm die Erklärung des andern Tags, und da fand es sich, daß es die Flamme des Leuchtturms gewesen, die einem von wilden Wogen auf und nieder geschaukelten Auge bald unten, bald oben erschien.

Auch ich steure auf einem leidenschaftlich bewegten Meere dem Hafen zu, und halte ich die Glut des Leuchtturms nur scharf im Auge, wenn sie mir auch den Platz zu verändern scheint, so werde ich doch zuletzt am Ufer genesen.

Bei der Abreise fällt einem doch immer jedes frühere Scheiden und auch das künftige letzte unwillkürlich in den Sinn, und mir drängt sich, diesmal stärker als sonst, dabei die Bemerkung auf, daß wir viel zu viel Voranstalten machen, um zu leben, denn so kehren auch wir, Tischbein und ich, so vielen Herrlichkeiten, sogar unserm wohlausgestatteten eignen Museum den Rücken. Da stehn nun drei Junonen zur Vergleichung nebeneinander, und wir verlassen sie, als wenn's keine wäre.




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