Neapel.
Wieder in Pompeji


Neapel, den 13. März 1787.

 

Auch heute schreib' ich einige Worte, damit ein Brief den andern treibe. Es geht mir gut, doch seh' ich weniger, als ich sollte. Der Ort inspiriert Nachlässigkeit und gemächlich Leben, indessen wird mir das Bild der Stadt nach und nach runder.

Sonntag waren wir in Pompeji. - Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte. Ich weiß nicht leicht etwas Interessanteres. Die Häuser sind klein und eng, aber alle inwendig aufs zierlichste gemalt. Das Stadttor merkwürdig, mit den Gräbern gleich daran. Das Grab einer Priesterin als Bank im Halbzirkel mit steinerner Lehne, daran die Inschrift mit großen Buchstaben eingegraben. Über die Lehne hinaus sieht man das Meer und die untergehende Sonne. Ein herrlicher Platz, des schönen Gedankens wert.

Wir fanden gute, muntere neapolitanische Gesellschaft daselbst. Die Menschen sind durchaus natürlich und leicht gesinnt. Wir aßen zu Torre dell' Annunziata, zunächst des Meeres tafelnd. Der Tag war höchst schön, die Aussicht nach Castell a Mare und Sorrent nah und köstlich. Die Gesellschaft fühlte sich so recht an ihrem Wohnplatz, einige meinten, es müsse ohne den Anblick des Meers doch gar nicht zu leben sein. Mir ist schon genug, daß ich das Bild in der Seele habe, und mag nun wohl gelegentlich wieder in das Bergland zurückkehren.

Glücklicherweise ist ein sehr treuer Landschaftsmaler hier, der das Gefühl der freien und reichen Umgebung seinen Blättern mitteilt. Er hat schon einiges für mich gearbeitet.

Die vesuvianischen Produkte hab' ich auch nun gut studiert; es wird doch alles anders, wenn man es in Verbindung sieht. Eigentlich sollt' ich den Rest meines Lebens auf Beobachtung wenden, ich würde manches auffinden, was die menschlichen Kenntnisse vermehren dürfte. Herdern bitte zu melden, daß meine botanischen Aufklärungen weiter und weiter gehen; es ist immer dasselbe Prinzip, aber es gehörte ein Leben dazu, um es durchzuführen. Vielleicht bin ich noch imstande, die Hauptlinien zu ziehen.

Nun freu' ich mich auf das Museum von Portici. Man sieht es sonst zuerst, wir werden es zuletzt sehen. Noch weiß ich nicht, wie es weiter mit mir werden wird: alles will mich auf Ostern nach Rom zurück haben. Ich will es ganz gehen lassen. Angelika hat aus meiner »Iphigenie« ein Bild zu malen unternommen; der Gedanke ist sehr glücklich, und sie wird ihn trefflich ausführen. Den Moment, da sich Orest in der Nähe der Schwester und des Freundes wiederfindet. Das, was die drei Personen hintereinander sprechen, hat sie in eine gleichzeitige Gruppe gebracht und jene Worte in Gebärden verwandelt. Man sieht auch hieran, wie zart sie fühlt und wie sie sich zuzueignen weiß, was in ihr Fach gehört. Und es ist wirklich die Achse des Stücks.

Lebt wohl und liebt mich! Hier sind mir die Menschen alle gut, wenn sie auch nichts mit mir anzufangen wissen; Tischbein dagegen befriedigt sie besser, er malt ihnen abends gleich einige Köpfe in Lebensgröße vor, wobei und worüber sie sich wie Neuseeländer bei Erblickung eines Kriegsschiffes gebärden. Hievon sogleich die lustige Geschichte:

Tischbein hat nämlich die große Gabe, Götter- und Heldengestalten in Lebensgröße und drüber mit der Feder zu umreißen. Er schraffiert wenig hinein und legt mit einem breiten Pinsel den Schatten tüchtig an, so daß der Kopf rund und erhaben dasteht. Die Beiwohnenden schauten mit Verwunderung, wie das so leicht ablief, und freuten sich recht herzlich darüber. Nun kam es ihnen in die Finger, auch so malen zu wollen; sie faßten die Pinsel und - malten sich Bärte wechselsweise und besudelten sich die Gesichter. Ist darin nicht etwas Ursprüngliches der Menschengattung? Und es war eine gebildete Gesellschaft in dem Hause eines Mannes, der selbst recht wacker zeichnet und malt. Man macht sich von diesem Geschlecht keine Begriffe, wenn man sie nicht gesehen hat.




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