Sizilien.
Girgenti. Felsen, Vegetation


Girgenti, Donnerstag, den 26. April 1787.

 

Als ich erwachte, war Kniep schon bereit, mit einem Knaben, der ihm den Weg zeigen und die Pappen tragen sollte, seine zeichnerische Reise anzutreten. Ich genoß des herrlichsten Morgens am Fenster, meinen geheimen, stillen, aber nicht stummen Freund an der Seite. Aus frommer Scheu habe ich bisher den Namen nicht genannt des Mentors, auf den ich von Zeit zu Zeit hinblicke und hinhorche; es ist der treffliche von Riedesel, dessen Büchlein ich wie ein Brevier oder Talisman am Busen trage. Sehr gern habe ich mich immer in solchen Wesen bespiegelt, die das besitzen, was mir abgeht, und so ist es grade hier: ruhiger Vorsatz, Sicherheit des Zwecks, reinliche, schickliche Mittel, Vorbereitung und Kenntnis, inniges Verhältnis zu einem meisterhaft Belehrenden, zu Winckelmann; dies alles geht mir ab und alles übrige, was daraus entspringt. Und doch kann ich mir nicht feind sein, daß ich das zu erschleichen, zu erstürmen, zu erlisten suche, was mir während meines Lebens auf dem gewöhnlichen Wege versagt war. Möge jener treffliche Mann in diesem Augenblick mitten in dem Weltgetümmel empfinden, wie ein dankbarer Nachfahr seine Verdienste feiert, einsam in dem einsamen Orte, der auch für ihn so viel Reize hatte, daß er sogar hier, vergessen von den Seinigen und ihrer vergessend, seine Tage zuzubringen wünschte.

Nun durchzog ich die gestrigen Wege mit meinem kleinen geistlichen Führer, die Gegenstände von mehrern Seiten betrachtend und meinen fleißigen Freund hie und da besuchend.

Auf eine schöne Anstalt der alten mächtigen Stadt machte mich mein Führer aufmerksam. In den Felsen und Gemäuermassen, welche Girgenti zum Bollwerk dienten, finden sich Gräber, wahrscheinlich den Tapfern und Guten zur Ruhestätte bestimmt. Wo konnten diese schöner, zu eigener Glorie und zu ewig lebendiger Nacheiferung, beigesetzt werden!

In dem weiten Raume zwischen den Mauern und dem Meere finden sich noch die Reste eines kleinen Tempels, als christliche Kapelle erhalten. Auch hier sind Halbsäulen mit den Quaderstücken der Mauer aufs schönste verbunden, und beides, ineinander gearbeitet, höchst erfreulich dem Auge. Man glaubt genau den Punkt zu fühlen, wo die dorische Ordnung ihr vollendetes Maß erhalten hat.

Manches unscheinbare Denkmal des Altertums ward obenhin angesehen, sodann mit mehr Aufmerksamkeit die jetzige Art, den Weizen unter der Erde in großen ausgemauerten Gewölben zu verwahren. Über den bürgerlichen und kirchlichen Zustand erzählte mir der gute Alte gar manches. Ich hörte von nichts, was nur einigermaßen in Aufnahme wäre. Das Gespräch schickte sich recht gut zu den unaufhaltsam verwitternden Trümmern.

Die Schichten des Muschelkalks fallen alle gegen das Meer. Wundersam von unten und hinten ausgefressene Felsbänke, deren Oberes und Vorderes sich teilweise erhalten, so daß sie wie herunterhängende Fransen aussehen. Haß auf die Franzosen, weil sie mit den Barbaresken Frieden haben und man ihnen schuld gibt, sie verrieten die Christen an die Ungläubigen.

Vom Meere her war ein antikes Tor in Felsen gehauen. Die noch bestehenden Mauern stufenweis auf den Felsen gegründet. Unser Cicerone hieß Don Michael Vella, Antiquar, wohnhaft bei Meister Gerio in der Nähe von St. Maria.

Die Puffbohnen zu pflanzen, verfahren sie folgendermaßen: Sie machen in gehöriger Weite voneinander Löcher in die Erde, darein tun sie eine Handvoll Mist, sie erwarten Regen, und dann stecken sie die Bohnen. Das Bohnenstroh verbrennen sie, mit der daraus entstehenden Asche waschen sie die Leinwand. Sie bedienen sich keiner Seife. Auch die äußern Mandelschalen verbrennen sie und bedienen sich derselben statt Soda. Erst waschen sie die Wäsche mit Wasser und dann mit solcher Lauge.

Die Folge ihres Fruchtbaus ist Bohnen, Weizen, Tumenia, das vierte Jahr lassen sie es zur Wiese liegen. Unter Bohnen werden hier die Puffbohnen verstanden. Ihr Weizen ist unendlich schön. Tumenia, deren Namen sich von »bimenia« oder »trimenia« herschreiben soll, ist eine herrliche Gabe der Ceres: es ist eine Art von Sommerkorn, das in drei Monaten reif wird. Sie säen es vom ersten Januar bis zum Juni, wo es denn immer zur bestimmten Zeit reif ist. Sie braucht nicht viel Regen, aber starke Wärme; anfangs hat sie ein sehr zartes Blatt, aber sie wächst dem Weizen nach und macht sich zuletzt sehr stark. Das Korn säen sie im Oktober und November, es reift im Juni. Die im November gesäte Gerste ist den ersten Juni reif, an der Küste schneller, in Gebirgen langsamer.

Der Lein ist schon reif. Der Akanth hat seine prächtigen Blätter entfaltet. Salsola fruticosa wächst üppig.

Auf unbebauten Hügeln wächst reichlicher Esparsett. Er wird teilweis verpachtet und bündelweis in die Stadt gebracht. Ebenso verkaufen sie bündelweis den Hafer, den sie aus dem Weizen ausgäten.

Sie machen artige Einteilungen mit Rändchen in dem Erdreich, wo sie Kohl pflanzen wollen, zum Behuf der Wässerung.

An den Feigen waren alle Blätter heraus, und die Früchte hatten angesetzt. Sie werden zu Johanni reif, dann setzt der Baum noch einmal an. Die Mandeln hingen sehr voll; ein gestutzter Karubenbaum trug unendliche Schoten. Die Trauben zum Essen werden an Lauben gezogen, durch hohe Pfeiler unterstützt. Melonen legen sie im März, die im Juni reifen. In den Ruinen des Jupitertempels wachsen sie munter ohne eine Spur von Feuchtigkeit.

Der Vetturin aß mit größtem Appetit rohe Artischocken und Kohlrabi; freilich muß man gestehen, daß sie viel zärter und saftiger sind als wie bei uns. Wenn man durch Äcker kommt, so lassen die Bauern z. B. junge Puffbohnen essen, soviel man will.

Als ich auf schwarze, feste Steine aufmerksam ward, die einer Lava glichen, sagte mir der Antiquar, sie seien vom Ätna, auch am Hafen oder vielmehr Landungsplatz stünden solche.

Der Vögel gibt's hierzulande nicht viel: Wachteln. Die Zugvögel sind: Nachtigallen, Lerchen und Schwalben. Rinnine, kleine schwarze Vögel, die aus der Levante kommen, in Sizilien hecken und weiter gehen oder zurück. Ridene, kommen im Dezember und Januar aus Afrika, fallen auf dem Akragas nieder, und dann ziehen sie sich in die Berge.

Von der Vase des Doms noch ein Wort. Auf derselben steht ein Held in völliger Rüstung gleichsam als Ankömmling vor einem sitzenden Alten, der durch Kranz und Szepter als König bezeichnet ist. Hinter diesem steht ein Weib, das Haupt gesenkt, die linke Hand unter dem Kinn; aufmerksam nachdenkende Stellung. Gegenüber hinter dem Helden ein Alter, gleichfalls bekränzt, er spricht mit einem spießtragenden Manne, der von der Leibwache sein mag. Der Alte scheint den Helden eingeführt zu haben und zu der Wache zu sagen: »Laßt ihn nur mit dem König reden, es ist ein braver Mann.«

Das Rote scheint der Grund dieser Vase, das Schwarze darauf gesetzt. Nur an dem Frauengewande scheint Rot auf Schwarz zu sitzen.




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